Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Fastensonntag Lesejahr C 2016 (Exodus)

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28. Februar 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Gott nahen

  • In diesem Evangelium konfrontiert Jesus mit zwei Weisen, sich die Frage nach Gott vom Leib zu halten. Die erste - im Blick auf die Opfer von Gewalt und Unglück - sagt sich: Mir geht es doch gut, also ist bei mir alles in Ordnung. "Nein, im Gegenteil!" meint Jesus. Die zweite Weise ist zu meinen: Bisher ist alles gut gegangen, warum sollte ich etwas ändern. Auch hier widerspricht Jesus. Nur weil Gott langmütig und barmherzig ist, ist es bisher gut gegangen ("ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen. Vielleicht trägt er doch noch Früchte"). Gottes Barmherzigkeit will aber nicht alles beim alten lassen, sondern Zeit geben für Veränderung.
  • Deswegen wende ich mich heute der Ersten Lesung zu. Es ist ein Herzstück des Alten Testamentes. In einer kurzen Erzählung finden wir hoch verdichtet entscheidende Hinweise, nicht wie man sich Gott vom Leibe hält, sondern was es bedeutet, wenn Gott, der Allmächtige, sich den Menschen naht. Und wenn der Mensch berufen ist, sich Gott zu nahen. Und wenn beide sich mit einander auf den Weg machen.
  • Die Szene von Mose und dem Dornbusch ist hoch-symbolisch, weil hier etwas geschieht, das an die Grenze des Menschlichen führt. Normales Sprechen kommt hier an ein Ende. Nur Symbole und Zeichen können Aufschluss geben. Und sie geben Aufschluss nur dem, der selbst seinerseits zulassen will, dass Gott sich ihm naht, und dem, der selbst Sehnsucht nach dem unendlichen Geheimnis Gottes hat. So will ich aus diesem großen Text drei Beobachtungen heraus stellen.

2. Drei Beobachtungen

  • Erstens. Mose ist zwar in seiner alltäglichen Beschäftigung unterwegs. Er ist Hirte. Aber dennoch geht er über das Gewohnte hinaus: "über die Steppe hinaus". Man muss also nicht in einen Ashram nach Indien fahren. Im banalen Alltag gibt es diese kleinen Möglichkeiten, über das normale hinaus sich zu öffnen. Auf diese Weise öffnet sich der Mensch für Gott: das Außergewöhnliche im Gewöhnlichen.
  • Zweitens. Der Dornbusch brennt und verbrennt doch nicht. Flamme und Rauch sind übliche Bilder der Bibel für Gottes Gegenwart. Der brennende und doch nicht verbrennende Dornbusch ist nicht zuletzt ein Bild dafür, dass gilt: Wenn Du meinst, verstanden zu haben, dann ist es nicht Gott. Gerade wo Gott sich zeigt, verhüllt sich die Wirklichkeit Gottes. In aller Radikalität am Kreuz.
  • Drittens. Gefragt nach seinem Namen gibt Gott Antwort. Dabei meint biblisch "Name" auch das, was wir heute "Wesen" nennen würden. Gott gibt dem Mose als Antwort darauf, wie er, Gott, zu begreifen sei. Doch dieser Name entpuppt sich als Nicht-Name. "Ich-bin-da" ist nur ein Versuch, ein im Hebräischen, der Sprache der Bibel rätselhaftes Wort, ins Deutsche zu heben. Der Name Gottes ist nur dies: seine Gegenwart. Genauer, das macht der ganze Kontext deutlich: Gegenwart für sein Volk.

3. Gott mit auf dem Weg

  • Damit wird Mose zu seinem Volk gesandt. Er soll das Volk aus der Sklaverei in Ägypten herausführen. Die Bibel erzählt in den folgenden dramatischen Kapiteln von diesem Gründungsereignis des Volkes Israel. Der Weg hinaus in die Wüste ist nicht verständlich ohne diesen Glauben, dass Gott anwesend-abwesend ist, immer gegenwärtig und ansprechbar, immer sich verhüllend und alle Begreifbarkeit übersteigend.
  • Das ist unser Glaube bis heute. Er wird ganz praktisch dort, wo wir uns hinauswagen "über die Steppe hinaus". Um scheibchenweise Unrecht einzugestehen, braucht es keinen Glauben, da reicht der Druck der Öffentlichkeit. Um sich dem Unrecht zu stellen, das aus dem eigenen Herzen oder aus der Mitte der eigenen Familie oder Kirche kommt - Stichwort: Gewalt gegen Kinder! -, dort brauchte es Glauben, dass wir auf einem solchen Weg nicht allein sind. Um mal was Gutes zu tun, braucht es keinen Glauben, dafür reicht eine durchschnittlich gute Erziehung. Um das eigene Leben zu wagen, auch dort wo es keinen Vorteil verspricht, dort brauchte es Glauben, dass wir auf einem solchen Weg nicht allein sind.
  • Mehr haben wir nicht zu bieten. Es gibt Leute, die versprechen dem, der glaubt, Wohlstand oder Erfolg oder Durchsetzungskraft. Das sind zumeist sehr irdische Götter. Der Gott, der sich des Menschen erbarmt und in seiner Barmherzigkeit mit seinem Volk zieht, ist ein anderer Gott, so nah und doch so fern, erfahrbar nur dem, der sich hinaus wagt mit Zittern und Zagen. Amen.