Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Fastensonntag Lesejahr C 2013 (1. Korintherbrief)

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3. März 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Meine Sünden, unser Glaube

  • "Ne respicias peccata mea, sed fidem ecclesiae tuae". Vor der Liturgiereform, als die Beteiligung der Gemeinde an der Liturgie sich auf das Zuhören beschränkte, betete der Priester ganz allein vor dem Friedensgruß mit diesen Worten: "Schau nicht auf meine Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche." In der Liturgiereform vor 50 Jahren ging es darum, dass die ganze Gemeinde an der Feier im Gebet dabei sein soll, und so heißt es heute: "ne respicias peccata nostra, sed fidem Ecclesiae tuae". Aus dem "meine Sünden" im Text des Priesters sind "unsere Sünden" im Gebet der Gemeinde geworden.
  • Immer schon war nicht der individuelle Glaube des Priesters gemeint, sondern der Glaube der ganzen kirchlichen Gemeinschaft. Der Sinn des Friedensgebetes und des Friedensgrußes in der Heiligen Messe ist, um die enge Verbindung mit Gott durch die Gemeinschaft mit Jesus Christus zu beten, und diese Verbindung zu erfahren. Sie wird uns nicht geschenkt, weil wir ohne Sünde wären und sie uns 'verdient' hätten; vielmehr wird sie uns geschenkt, weil wir unsere Sehnsucht und unser Vertrauen zum Ausdruck bringen: "Schau auf den Glauben deiner Kirche und schenke ihr nach deinem Willen Einheit und Frieden".
  • Im Glauben wie im Schuldigwerden gibt es eine Solidargemeinschaft der Kirche. 'Mit gehangen, mit gefangen', aber auch 'mit gehangen, mit gerettet'. In gewisser Weise wäre dieser Zusammenhang in der alten Liturgie mit ihrer Beschränkung auf die Rolle des Priesters besonders gut zum Ausdruck gekommen, wenn man die Gebete hätte hören können: Der Priester bittet Christus, nicht seiner - des Priesters - Sünden zu wägen, sondern den Glauben der Gemeinschaft der Kirche. So sehr seine Sünde den Christusfrieden zerstört, so sehr kann er nur im Glauben der ganzen Kirche erbetet werden.

[2. Solidargemeinschaft des Glaubens

  • Diese Solidargemeinschaft des Glaubens kommt in allen drei Lesungen des heutigen Dritten Fastensonntags zum Ausdruck.
  • Da ist das Evangelium, in dem Jesus davor warnt, sich zurückzulehnen, wenn anderen Unglück zustößt, meinend diese seien sicherlich selbst daran schuld gewesen und das habe daher nichts mit mir zu tun. Natürlich hat der Einsturz des Turms von Schiloach ursächlich keine Beziehung zu den Zuhörern Jesu (sofern nicht der Statiker, Architekt oder jemand von der städtischen Bauaufsichtsbehörde dabei war). Aber das bedeutet doch nicht, dass das Unglück anderer ganz und gar nichts mit mir zu tun hätte, und sei es nur, dass ihr Schicksal die Frage an mich ist, was ich denn mit meinem Leben anfange. Mir ist das Unglück nicht passiert; aber was mache ich daraus?
  • Die erste Lesung bringt ein Kernstück der Bibel, die Offenbarung des Gottesnamens an Mose. Doch dieses 'Ich bin da' des Namens Gottes ist keine Privatoffenbarung an den Mose, zu seiner spirituellen Erbauung. Es ist die Zusage Gottes an die Vielen, ein ganzes Volk, und im Blick auf Alle, die Völker der Erde und in Befreiung durch das Meer hindurch, die "gottgeschenkte Speise" und der "gottgeschenkte Trank". Von daher ist Mose sein Glaube und sein Hinhören auf Gott aufgetragen für andere. Es ist der "Glauben deiner Kirche", vom dem wir bis heute im Friedensgebet der Heiligen Messe beten, der Glaube, dass Gott da ist für sein Volk.]

3. Vorausbilder in der Sünde und im Glauben

  • Die Bibel erinnert an die typischen Gläubigen. Mose und das Volk Israel, so meint Paulus im Ersten Korintherbrief, seien "typisch für uns" gewesen. Die Übersetzer tun sich schwer mit dem griechischen Wort "tupoi"; Luther übersetzt "Vorbild", unsere Einheitsübersetzung wählt "Beispiel", ergänzt aber gleich "warnendes Beispiel", auch wenn im Original von "warnend" nichts steht. Bei der aus dem evangelisch-freikirchlich kommenden Volx-Bibel, die Jugendsprache verwenden will, bleibt dann nur noch: "Das ist eine fette Warnung für uns" - mit Ausrufungszeichen.
  • Dabei hat Paulus von unseren Vorfahren im Glauben erst einmal erinnert, dass Gott sie im Glauben gestärkt und geführt hat. Ohne ihren Glauben hätten wir keinen Glauben; sie sind durch das Rote Meer gezogen und haben in der Wüste das Brot vom Himmel gegessen. So sind sie "Typen" des Glaubens; vielleicht wäre die beste Übersetzung "Vorausbilder" (Christian Wolff ThHNT) oder "Vorentwürfe" (N. Baumert SJ). Es sind reale Menschen, Mose und das Volk damals, keine fiktiven Figuren aus religiöser Erbauungsliteratur. Sie sind real in ihrem Glauben, aber auch real in der Versuchung zur Gier, der so viele erlegen sind.
  • Wenn wir als Christen glauben, dann werden wir zu dieser Gemeinschaft hinzugenommen. Paulus verwendet deswegen in einem sehr freien Sinn das Wort, die Vorausbilder im Glauben seien "auf Mose getauft", weil sie in diese Glaubensgemeinschaft hineingenommen waren, wie wir durch unsere Taufe auf Christus in die endzeitliche Gemeinschaft mit Christus hinein genommen sind. Auch unsere Taufe ist die Entscheidung zur Gemeinschaft mit Menschen, die uns voraus sind in ihrem Glauben, aber auch in ihrer Sünde. Wer meint, es ginge 'nur für sich' zu glauben, daheim und im Privaten, wird nicht verstehen, was es mit den Vorausbildern im Glauben zu tun hat. Im Blick auf meine Schwäche im Glauben verweise ich vor Gott auf ihren Glauben, wie auf den Glauben derer, die hier in der Kirche links und rechts neben mir stehen. Und ja, ihre Sünde ist mir eine Warnung, dass der Glaube immer und real durch Gier und Selbstgerechtigkeit gefährdet ist. Aber gerade darum bete ich im Wissen um meine Sünden, aber auch im Blick auf die Sünden der anderen, besonders der Priester und der sündigen Strukturen in unserer Kirche: "Schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche und schenke ihr nach deinem Willen Einheit und Frieden." Amen.