Predigt zum Sonntag Christkönig im Lesejahr A 2011 (zum Fest)
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24. November 1996 - Kolleg Sankt Georgen Frankfurt/Main
Filmpredigt zu: Roland Emmerich: "Independence Day"
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- Von drei Punkten soll die Predigt handeln:
- 1. Die Mächtigen kommen in Bedrängnis
- 2. Die Kirche spielt ein doppeltes Spiel
- 3. Christus ist König
1. Die Mächtigen kommen in Bedrängnis
- Wer die Semantik von Bildern lesen kann, weiß, dass das dramatischste Bild in dem Erfolgsstreifen "Independence Day"
von Roland Emmerich jene Szene ist, in der das Weißes Haus zu Washington von den Außerirdischen in einem Streich in
seien Bestandteile zerlegt wird. Erst legt sich der Schatten über das Land; dann findet die Macht, der Tempel der
Mächtigen ihr Ende.
- Dieser Film, der mehr Menschen ins Kino holte als jeder andere Film bis dahin, ist ein apokalyptisches Gemälde vom
Ende der Welt durch den Angriff der übermächtigen Außerirdischen. Vor ihren riesigen Raumschiffen und der Drohung,
unseren Planeten wie Termiten auszuplündern, verblassen alle kleinen und großen Probleme. Was bleibt ist die Frage, wer
wir sind und was wir im tiefsten wollen. Über die Welt wird hier zu Gericht gesessen; aber nicht der Menschensohn
kommt, in Herrlichkeit, sondern die Vernichtung.
- Seit gut zwanzig Jahren kennen wir sehr konkrete Verheißungen über das Ende dieser Welt: diese Welt werde mit den
Grenzen des Wachstums an ihr Ende kommen, der Öko-Kollaps werde das Ende der Erde sein. Diese sehr konkrete, das
Ende enthüllende Apokalypse hat bis heute noch keine Antwort gefunden. "Independence Day" ist unter Aufbietung aller
nationaler Mythen der USA der grandiose Versuch, die Antwort national-religiös zu geben.
- Zu Beginn wird ein jüdischer Wissenschaftler als Protagonist eingeführt (Jeff Goldblum), der vergeblich versucht, seinen
Mitmenschen umweltgerechtes Verhalten beizubringen. Seine Erfahrung war dabei stets nur: Die Schrecken der
Apokalypse haben keine sonderlich motivierende Kraft, wenn wir gefragt sind, Tag für Tag, im mühsamen Stellungskrieg
Siege zu erringen.
- Dagegen dauert der große Kampf nur drei Tage. Er beginnt mit der eingangs geschilderten Zerstörung des Zentrums der
Macht. Die Mächtigen stürzen vom Thron. Die Zerstörung des Planeten wendet sich gegen die Herrscher, gegen die
Hirten, die ihr Amt nicht recht verwaltet haben. Sie wendet sich gegen all jene, die sich in Sicherheit glaubten.
- Die Apokalypse aus Hollywood ist aber nicht Gericht, sondern zuerst Katharsis, Reinigung: Der weiße US-Präsident
bleibt seiner Familie treu, der jüdische Wissenschaftler lernt Respekt vor der Religion seiner Väter, der schwarze Soldat
stellt das Vaterland vor das individuelle Glück, der versoffene Hispanic vollbringt in der Stunde der Not die Tat, auf die
sein Sohn endlich stolz sein kann.
- Weil sie letztlich nur moralisch ist, lässt die Filmversion des Gerichts die Mächtigen letztlich unangetastet: Es ist dann
doch wieder der Präsident der USA, der spricht: Ich führe sie aus den Völkern heraus, ich hole sie aus den Ländern
zusammen und verbindet alle Menschen, Kontinente und Rassen zu der einen Tat, ich mache den amerikanischen zum
globalen Unabhängigkeitstag.
- Vor dieser Schablone wird das radikal Andere des göttlichen Gerichts deutlich: So spricht Gott, der Herr: Nun gehe ich
gegen die Hirten vor und fordere meine Schafe von ihnen zurück. Auch wenn es weiter Hirten und Herrscher und
Könige auf Erden gibt: Nie können sie sich an die Stelle Gottes setzen, Gott selbst ist Herr und König.
- Das göttliche Gericht - Spruch Gottes, des Herrn - entzündet sich an der Missachtung der Kleinen und Schwachen. Kein
Großmachts-Mythos, sondern die Verheißung für die Armen, dass ihr Joch zerbrochen wird.
2. Die Kirche spielt ein doppeltes Spiel
- Gemessen daran spielt die Kirche ein doppeltes Spiel.
- Einerseits verkünden wir: Das Reich Gottes ist in Jesus Christus angebrochen. Anderseits haben wir uns auf diese Welt
und ihre Gesetzmäßigkeiten eingelassen. Wir spielen das Spiel vom Reich Gottes und das Spiel der Welt.
- Der Satz "Jesus verkündete das Reich Gottes - und gekommen ist dir Kirche" ist daher sehr präzise. Die Kirche ist der
Weg von der Verkündigung des Reiches Gottes, über das Kreuz, Ostern und Pfingsten, zur Wiederkunft Christi am Ende
der Zeit.
- Daher würde die Kirche das Reich Gottes verleugnen, wenn sie aufhört, es zu verkündigen. Das Evangelium und die
prophetische Rede kommen nie gelegen; immer aber ist die Kirche daran gebunden. Wir dürfen uns nie zufrieden geben
mit dem bescheidenen Maß an Gerechtigkeit, das wir in unserer Nische der Welt eingerichtet haben. Gemessen am Reich
Gottes bleibt davon nicht mehr viel Glanz übrig.
- Gleichzeitig würde die Kirche aber das Kreuz und den Geist verleugnen, wenn wir nicht in der Welt blieben, wenn wir die
Spannung einseitig auflösen, die besteht zwischen den Realitäten des Geldes und der Macht, die vor dem Richterstuhl
Gottes so wenig zählen.
- Ja, die Kirche spielt ein doppeltes Spiel, das Spiel des Reiches Gottes in der Welt. Es ist aber immer klar gewesen, wie
dieses Spiel ausgehen wird. Am Ende wird sich der Menschensohn auf seinen Thron setzen und die Stämme - alle
Stämme - werden vor ihm zum Gericht erscheinen.
3. Christus ist König
- Christus ist König, auch in einer Welt, in der viele andere Herrscher das Sagen haben. Das ist das Bekenntnis der Kirche,
das liturgisch an das Ende des Kirchenjahres gesetzt wurde, gleichsam als Proto-Advent: nach der Ankunft dieses Königs
sehnt sich die Kirche, um ihre Doppelexistenz verlassen zu können und einzugehen in das Reich Gottes.
- Solange aber ist das Bekenntnis zur Herrschaft Christi ein Maßstab in dieser Welt und gegen diese Welt zugleich.
- "Independence Day" gibt sich nicht einmal Mühe zu verdecken, dass er der Mühsal der Aufmerksamkeit für die kleinen
Schritte entflieht und geradezu froh ist über die dezisionistische Herausforderung aus einer Welt von Außerirdischen.
- Die Herrscher bauen sich Paläste. Die Könige lassen sich als Götter verehren. Die Banken und die Präsidenten herrschen
von den Tempeln der Macht aus.
- Das Evangelium zeigt uns dagegen den Christus als gegenwärtig und herausfordern dort, wo ihn die Macht nicht
vermutet: In den Hungrigen, in den Durstigen, in den Fremden und den Obdachlosen, in denen die nackt dastehen, weil
sie nichts haben.
- Da zeigt sich, dass das Reich Gottes tatsächlich bereits angebrochen ist, dass Christus tatsächlich jetzt gegenwärtig König
ist: Als König der Armen. Das große Evangelium vom Weltgericht ist nämlich nicht nur die Ankündigung des Maßstabs,
an dem wir gemessen werden. Es verrät uns auch, wo wir Christus finden, wen wir ihn mitten in unserer Welt suchen.
Amen.