Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Aschermittwoch 2024 (für Schüler)

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14.02.2024 - Schulgottesdienst Aloisiuskolleg, Bonn

1. mehr oder magis?

  • Wir haben als Schule ein Problem. Wir können es nicht umgehen. Aber wir sollten darum wissen. Denn es ist ein Problem, dass wir immer nur die guten Leistungen herausstellen. Die Sieger werden geehrt, werden nach vorne geholt und bekommen den Applaus.

  • Wir wissen aber, dass es auch die anderen gibt, die Durchschnittlichen und diejenigen, die nicht mithalten können, die Verlierer dieses Systems. Die Großherzigen unter ihnen können sich mit den Siegern freuen. Aber wir alle haben das Problem, dass die Maßstäbe, nach denen applaudiert wird, immer auch schräg sind. Denn die eigentliche Leistung besteht nicht darin, es auf das Siegertreppchen zu schaffen, sondern darin, ein guter Mensch zu sein. Wenn wir vom ignatianischen magis ausgehen, dem mehr, worin Ignatius nach dem Größeren suchte, dann sind das Qualitäten, die nicht unbedingt öffentlichen Beifall finden, vielleicht sogar im Gegenteil. Wer sich einsetzt für ein magis an Vertrauen, Hoffnung und Liebe zahlt unter Umständen einen Preis.

  • Im Aschermittwoch sehe ich die Chance, einen Gegenakzent zum Siegerpodest für Einzelne zu setzen. Das Aschenkreuz, dieses Zeichen der Vergänglichkeit, ist für mich ein notwendiger Gegenakzent. Gerade wenn wir als Schule zu Recht die schulischen Leistungen ehren und uns freuen, wenn AKO-Schüler bei Wettbewerben vorne dabei sind, braucht es die Erinnerung, dass wir alle gleich sind: Gleich in unserer Vergänglichkeit, gleich aber auch in unserer Würde, gleich als Kinder Gottes. Die Leute am Rande sind sogar – davon zeugt das Evangelium – eher mehr geliebt von Gott, auf jeden Fall nicht weniger. Das Aschenkreuz ist daher ein wichtiges Zeichen.

2. Verletzungen und Aufstand

  • Das Bild, das wir vorne sehen entstand vor drei Jahren als Hungertuch von MISEREOR. Es wurde von der chilenischen Künstlerin Lilian Moreno Sánchez geschaffen. Im Mittelpunkt des Bildes ist ein mehrfach gebrochener Fuß zu sehen – die Künstlerin hat reale Röntgenbilder zugrunde gelegt und die Linien mit Kohle auf Stoff übertragen. Sie erinnert damit an Jugendliche, die 2019 in Santiago de Chile gegen die tiefgreifende soziale Ungerechtigkeit im Land demonstriert haben. Ihr Protest wurde gewaltsam niedergeschlagen; 28.000 Menschen zumindest vorübergehend festgenommen, 4.900 wurden verletzt und 26 getötet. Das Bild erinnert an die Gewalt.

  • Aber wir sehen auch Goldfäden und goldene Blüten, positive Erfahrungen von Heilung und Aufbruch. Die Künstlerin hat ihrem Bild den Titel gegeben: "Du stellst meine Füße auf weiten Raum – Die Kraft des Wandels". Denn die Jugendlichen, deren Verletzungen in dem Röntgenbild zusammengefasst sind, waren eben Menschen, die aufgestanden sind und etwas gemacht haben.

  • Doch auch hier muss gelten: Wir zeigen nicht die Helden des Aufstands von Santiago de Chile. Da waren vor fünf Jahren von vielen Schulen fast alle dabei, manche zaghaft, manche vorne dran. Die Verletzungen und Brüche die wir sehen, sind aber nicht Heldenabzeichen sondern, was sie sind: Verletzungen. Deswegen zeigt das Bild alle von uns. Besonders aber diejenigen von uns, die Verletzungen erleiden mussten und müssen. Kinder und Jugendliche wie Erwachsene, für die das "Gewalt" nicht abstrakt, sondern konkrete Erfahrung ist.

3. Ermutigung und Aufbruch

  • Die Erinnerung an die Vergänglichkeit, der Blick auf das Zerbrochene, die Betonung der Würde auch der Schwächeren hat für Christen nichts mit Pessimismus zu tun. Im Gegenteil. Gerade wenn über allem das Vertrauen ist, dass Gott unser Vater ist, dann gelingt es, die eigenen Schwächen nicht zum Maßstab zu machen. Das Vertrauen ist der Schlüssel.

  • Das sieht man an der Bergpredigt, aus der wir heute ein Evangelium gehört haben. Die ganze Bergpredigt Jesu buchstabiert eigentlich nur durch, wie ein Leben gelingt, dass sich von diesem Vertrauen tragen lässt. Ich freue mich, wenn andere mir applaudieren. Doch ich kann mich sozusagen entspannt freuen, denn es hängt nicht alles dran. Es ist wie beim Beten: "Bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist! Dein Vater, der auch das Verborgene sieht," wird dein Gebet sehen und wertschätzen. Die Übung dazu ist das Fasten, also der zeitweise Verzicht auf etwas, das sehr schön ist und ich gerne habe. Wenn ich darauf bewusst bis Ostern verzichte, ist das keine Leistung vor anderen, sondern etwas zwischen Gott und mir.

  • Wir müssen als Schule zwar nicht unsere Gewohnheit ändern, die großartigen Leistungen einzelner Schülerinnen und Schüler zu feiern, in dieser und jener Disziplin, in diesem und jenem Fach, auf der Bühne im Sport oder in der Musik.

  • Doch wir können dies nur feiern, wenn wir auch zusammen feiern können, dass wir eine Gemeinschaft sind, die allen Mut macht, immer neu anzufangen und nach vorne zu schauen. Eine Gemeinschaft, die einander stützt.