Predigt zum 31. Sonntag im Lesejahr A 2002 (Matthäus)
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3. November 2002 - Hochschulgottesdienst im Kaiserdom Frankfurt
Hinweis: Die
Hochschulgottesdienste im Frankfurter
Dom zeichnen sich jeweils dadurch aus, dass sie mit einem besonderen
musikalischen Programm verbunden sind. Das ist der Hintergrund, warum wir
auch die durch Jagdhornbläser gestaltete Messe feiern. Der Benefizzweck
ist dabei ein Projekt des studentischen Afrikachors für eine Schule
in Kamerun.
1. Lasten für Hasan
- Hasan habe ich am letzten Wochenende kennen gelernt. Vier lange Tage hat er mitgeholfen, ein großes Labyrinth an der
Fachhochschule hier in Frankfurt aufzubauen. Da war viel Zeit, über alles mögliche zu reden. Weil kommenden Mittwoch
der Ramadan beginnt, kamen wir auf das Thema Fasten. Hasan frug mich, wie das bei den Christen mit dem Fasten sei.
Was ich ihm erzählen konnte hat ihn sichtlich interessiert, aber ich vermute, es hat ihn wenig beeindruckt. Ein kleiner
Verzicht in der Fastenzeit vor Ostern, die Adventszeit schon lange nicht mehr als Fastenzeit, und kaum jemand, der an
Aschermittwoch und Karfreitag das Kirchengebot achtet, auf ein sättigendes Essen zu verzichten.
Auch einen nur durchschnittlich frommen Muslim kann das schwerlich beeindrucken.
- Das Evangelium hält eine zornige Rede Jesu fest. Die Pharisäer, so Jesus, bürden den Leuten schwere Lasten auf. Die
lange Liste ihrer Alltagsregeln ist von niemand zu halten. Nur ein permanent schlechtes Gewissen kommt mit ziemlicher
Sicherheit dabei rum.
Die Schriftgelehrten haben die Aufgabe, die Tradition der Bibel lebendig zu halten. Insofern sie das tun, soll man wohl
auf sie hören. Aber ihr Verhalten, das so wenig den Ansprüchen genügt, treibt Jesus zum Zorn. Er mag nicht ertragen,
dass die ersten Repräsentanten des Glaubens sich ganz an der Äußerlichkeit des Glaubens verlieren.
- Jesus, damals in Jerusalem, spricht von den Pharisäern; wenn Matthäus diese Rede allerdings in sein Evangelium
aufnimmt, dann tut er dies, weil er weiß, dass die Kritik Jesu auch für Christen gut passt. Deswegen ist es spannend
herauszufinden, worin diese Aktualität besteht. Für uns wie für so manchen Christen vor uns. Hubertus ist einer davon.
2. Christlich leben
- Zu Zeit eines Hubertus, im 8. Jahrhundert, gab es in der Kirche nicht wenige Regeln, gerade auch Fastenregeln. Die
Älteren unter Ihnen kennen so manche dieser Kirchengebote noch aus eigenem Erleben. Auch heute ist das Evangelium
aktuell, aber zumeist in eine andere Richtung. Denn man kann nun wirklich nicht sagen, dass heute eine große Zahl an
Kirchengeboten die einfachen Christen lästig würde. Man kann offensichtlich heute sich ohne weiteres als Christ fühlen,
versuchen anständig zu leben, ohne sich um religiöse Gebote zu kümmern
- Das klingt so, als würde damit die Kritik Jesu an der Regelungswut der Pharisäer gut Frucht getragen haben. Aber ganz
überzeugt bin ich nicht, dass Jesus unsere Form von Christsein als Ideal vor Augen stand. Worum es Jesus ging ist, dass
der Bund mit Gott in Formen seinen Ausdruck findet, die helfen, im Glauben zu leben, und nicht als Last davon
abzuhalten.
- Das Reden und Tun fällt bei den Pharisäern auseinander, weil dieses Maß fehlte. Fasten ist kein Zweck an sich, sondern
soll Hilfe sein, ganzheitlich den Glauben zu leben.
3. Hubertus
- Hubertus ist eine nicht ganz unaktuelle Gestalt. Denn auf dem Taufschein war er Christ. Seine Präferenzen aber lagen
ganz woanders. Bei der Jagd. Deswegen war es für ihn kein langes Zögern, als er eines Freitags die Einladung zur
Rotwildjagd bekam. Ein passionierter Jäger, so meinte er, lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen. Dass dieser Freitag
ein Karfreitag war, hatte er erfolgreich verdrängt.
- Hat das Bedeutung? Zur Kirche kann man doch immer gehen - meint mancher. Aber es ist doch etwas offenbarend, wenn
nicht einmal die höchsten Feste des Glaubens heilig sind. Ohne solche heilige Zeiten wird mir der Glaube selbst
irgendwann schal werden.
Worauf es ankommt, ist das "katholische Prinzip": Nicht das entweder-oder, sondern die immer neu zu gewinnende
Balance zwischen beiden Polen: Innen und Außen, äußere Gestalt und gelebte innere Überzeugung. Auf alle stützenden
Riten und Formen zu verzichten, ist genauso daneben, wie eine Religion, die nur noch Riten und Formen und Regeln gibt,
dass aber der innere Glaube verloren gegangen ist.
- Gerade die Katholische Kirche und katholische Christen müssen sich dieser Spannung stellen. Wir feiern und lieben die
äußeren Formen. Wir haben und suchen Regeln, nach denen sich der Alltag strukturieren und christlich gestalten lässt.
Wir nehmen ernst, dass wir als Menschen nie nur reine Innerlichkeit sind. Deswegen haben wir auch betont eine
kirchliche Struktur und kirchliche Ämter. Aber all dies muss sich immer der deutlichen Kritik des Evangeliums stellen.
Reine Äußerlichkeit ist es sicher nicht. Aber ein Glaube, der sich nicht ausdrückt, wird auch keinen Halt geben. Daher
sollten wir uns gegenseitig stärken darin, das spannende Wagnis des Glaubens voranzutreiben. Amen.