Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag im Lesejahr B 2009 (Markus)

Zurück zur Übersicht von: 3. Sonntag Lesejahr B

25. Januar 2009 - Hochschulgottesdienst, St. Antonius Frankfurt

1. Inauguration

  • Am vergangenen Dienstag hat das größte Evangelium der bisherigen Weltgeschichte stattgefunden. Und wir haben soeben von dem wichtigsten Evangelium der ganzen Weltgeschichte gehört. Beide haben verblüffende Gemeinsamkeiten. Das weltgeschichtlich größte war die Inauguration von Barack Obama zum Präsidenten der USA. Das weltgeschichtlich wichtigste Evangelium wird bei Markus berichtet.
  • Evangelium ist die Verkündigung guter Nachricht. Entscheidend ist, dass es öffentlich verkündigt wird. Dadurch erlangt es gleichsam Rechtskraft. In einem euangelion wurde in der römischen Antike der Machtantritt und Machterweis eines neuen Herrschers verkündet; dort, wo es verkündet wurde, trat der neue König seine Macht an und wirkt seine Macht. Nach der Einkerkerung des Täufers Johannes trat Jesus öffentlich auf und "verkündete das Evangelium Gottes". Die Provokation ist ungeheuerlich. Mitten in einer Provinz des römischen, gottgleichen Kaisers verkündet einer, das nun Gott die Macht übernimmt.
  • Zwei Mal wird ein Herrscher durch öffentliche Verkündigung inauguriert. Es fiel schwer, der Zeremonie in Washington zu folgen, ohne die enorme emotionale Kraft dort zu spüren. Die Millionen vor Ort haben der Verkündigung ihres neuen Herrschers zugejubelt. Ich kann mir gut vorstellen, dass im Leben vieler Einzelner, zumal Afro-Amerikaner, dieses Erlebnis etwas verändert. Wir haben damit ein ganz aktuelles Beispiel dafür, dass eine solche Verkündigung nicht einfach nur Information ist. Hier wird Identität geschaffen und Realität verändert.

2. Umkehr und Vertrauen

  • Es gibt darüber hinaus eine weiter inhaltliche Paralalie. Wer sich die Rede des neuen US-Präsidenten anschaut, wird feststellen, dass sie im Kern zwei Botschaften an sein Volk enthält: Umkehr und Vertrauen. Obama hat das Volk der USA darauf eingeschworen, dass harte Zeiten und ein schmerzlicher Neuanfang vor ihnen liegen. Zugleich hat er seinen Leuten Vertrauen gegeben: Yes, we can! Sie sollen auf die Kraft ihrer Nation vertrauen. Das Ganze steht aber in einer Spannung von "schon" und "noch nicht". Das neue Zeitalter hat mit dem neuen Präsidenten begonnen; jetzt muss das Neue aber erst einmal wirken. Genau so spricht Jesus von dem Reich Gottes: Es ist da und angebrochen, aber zugleich auch erst nahend. Es muss sich erst in der Welt durchsetzen. Das macht das Vertrauen so zentral.
  • Umkehr und Vertrauen sind auch die Stichworte der Predigt Jesu. Das Markusevangelium fasst darin das Wesentliche zusammen: "Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!". Das Wort vom Glauben meint dabei nicht nur ein Fürwahrhalten dessen, dass eine neue Herrschaft anbricht. Das griechische Wort pisteuein ist statt mit "glauben" mindestens so gut mit "vertrauen" zu übersetzen.
  • Jesus fordert sein Volk auf, das Herz zu erneuern und dabei darauf zu vertrauen, dass Gott ihr wahrer Herrscher ist und in seinem, Jesu, Auftreten nun auch seine Herrschaft antritt. Die Predigt will Herzen bewegen und dadurch Machtverhältnisse verändern. Die Initiative geht von Gott aus. Ihm gilt das Vertrauen.

3. Herrschaftsfrage

  • Die Parallelen sind offensichtlich. Aber was bedeuten sie? Ganz sicher gibt es einen inhaltlichen Zusammenhang. Die USA sind ein zutiefst christlich - und zunächst puritanisch - geprägtes Land. Es gibt daher zwei Möglichkeiten, das Ereignis vom letzten Dienstag zu deuten: Entweder handelt Gott im neuen Präsidenten erneut und in Konsequenz zum Evangelium Christi. Oder hier wird durch die Nachahmung des Evangeliums die Botschaft Jesu gefährlich politisch instrumentalisiert. Auch George W. Bush hatte das getan. Mir hat seine Politik ganz und gar nicht gefallen. Das Gefährliche am neuen Präsidenten ist, dass seine Politik sich gut anlässt - und daher die Gefahr ist, sich von der Begeisterung anstecken zu lassen.
  • Gegenüber allen Heilsverheißungen gilt aber die christliche Nüchternheit. Ein irdischer Präsident mag begeistern und überzeugen. Aber er ist und bleibt ein irdischer Herrscher. Und Jesus verkündet gegenüber einem jeden irdischen Herrscher die Königsherrschaft Gottes. Diese kommt nicht mit der Wucht eines Barack Obama. Diese kommt, wo Menschen sich auf den Weg Jesu einlassen. Wir können uns freuen, wenn nach den Jahren der Bush-Administration die USA wieder mehr zu Menschenrechten und Gerechtigkeit zurück finden sollten. Es darf auch Begeisterung dabei sein. Dann aber sollte die christliche Nüchternheit wieder Platz greifen. Gegenüber jedem irdischen Messias ist Skepsis angesagt.
  • "Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!" Jesus verkündet das Reich Gottes und es realisiert sich in der Kirche. Ja, in der Kirche realisiert es sich. Denn Jesus beginnt damit, Menschen für seinen Auftrag in Dienst zu nehmen: Simon und Andreas, Jakobus und Johannes. Die Heilige Schrift lässt dabei keinen Zweifel daran, dass diese Menschen, die Jünger damals wie wir heute bis zum Papst nach Rom, sündige, fehlbare Menschen sind. Aber gerade hier und dadurch realisiert sich das Reich Gottes. Es ist ein Reich, in dem Menschen sich zur Umkehr rufen lassen - und doch wissen und vertrauen, dass wir Menschen das letzte Heil nicht wirken.
  • Wir nehmen heute eine junge Frau in die volle Gemeinschaft der Katholischen Kirche auf. Wir werden mit ihr zusammen das Große Glaubensbekenntnis sprechen und sie wird vor der Kirche - repräsentiert durch uns - sich zu diesem Glauben bekennen. Es ist die Gemeinschaft dieser Kirche, weltweit und hier konkret, die nicht auf sich selbst, sondern auf Gott vertraut. In der Gemeinschaft mit unseren Bischöfen und dem Papst kommt zum Ausdruck, dass wir katholisch sein sollen, die Kirche nicht auf einen Teil beschränken. Jacqueline wird sich zu dieser Gemeinschaft bekennen, nicht weil der Papst der Heiland der Welt ist, sondern weil Christus es ist, der uns Menschen, wie wir sind, berufen hat, keinem anderen Herrscher zu vertrauen als der Königsherrschaft Gottes.

 


 

Anmerkungen

1. Wem das alles zu weit hergeholt erscheint lese das 6. Kapitel in dem Buch, das Obama als Senator geschrieben hat, und wo er den Erfolg der Evangelikalen analysiert: Obama, Barack: The Audacity of Hope. Thoughts on Reclaiming the American Dream. New York (Three River Press) 2006.

2. Die alte US-Regierung hat m.E. durch ihre skrupellose Politik auf anderen Feldern dem Kampf vieler Christen gegen Abtreibung durch ihre Unterstützung geschadet. Die neue Regierung hingegen stellt eine glaubwürdige Menschenrechtspolitik vor, lässt aber dabei mit dogmatischer Hartnäckigkeit jedes ungeborene Leben außen vor. Vergleiche dazu den Beitrag von Godehard Brüntrup SJ: "USA: Präsident nur der Geborenen. Noch nie hat es ein derartig extremer Abtreibungsbefürworter ins Weiße Haus geschafft wie Barack Obama – Ein Dossier vom 6. Dezember 2008.