Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 26. Sonntag im Lesejahr C 2025

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28. September 2025 - Heilig Kreuz Feldafing

1. Nicht überzeugt

  • Bei Gleichnissen Jesu muss man auf das Ende achten. Meistens finden wir dort, worauf es Jesus ankommt. Vom Ende her ist meist so ein Gleichnis zu lesen. – Beim Gleichnis von Lazarus und dem reichen Prasser steht dort das Urteil Abrahams über die Brüder des reichen Prassers: "Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht."
  • Ist Jesus Realist oder Pessimist? – Das Gleichnis hat in den Evangelien viele Parallelen. Über die Reichen sagt Jesus: "Leichter geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt" (Lk 18,25). Oder über die angemaßte Macht: "Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen" (Mk 10,42). Oder über den Menschen, die Kindern Gewalt antut: "Es wäre besser für ihn, man würde ihn mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer werfen, als dass er für einen von diesen Kleinen zum Ärgernis wird" (Lk 17,2).
  • Während für die einen der Glaube an Kreuz und Auferstehung zum Umkehrpunkt in ihrem Leben wird, bleiben die Reichen und Mächtigen merkwürdig ungerührt. Ist das Pessimismus?
    Jesus ist bekanntlich gekommen, die Sünder zu berufen. Offenbar will er mit seinem drastischen Urteil  aufrütteln, um auch die zu erreichen, die ganz um sich, ihren Besitz, ihre Macht, ihren Einfluss kreisen und sich dabei in die Hölle der Einsamkeit katapultieren.

2. Nicht sehen

  • Jetzt das Gleichnis noch einmal von vorne gelesen: Ich glaube kaum, dass es jemand gänzlich kalt lässt, wenn vor Augen das Bild entsteht: Drinnen rauschende Feste und Verschwendung; direkt vor der Tür ein Hungernder und Verletzter,  den "Leib voller Geschwüre", an denen die Hunde lecken.
  • Ganz so ist es in der Realität nicht. Wir haben Institutionen, die sich um das Leid kümmern. Wir haben Polizei, die unsere Türen vor Belästigung bewahren. Wir haben ein Mittelmeer, das uns von anderen Kontinenten trennt.
  • Doch am Ende ist uns doch bewusst: So ganz können wir nicht leugnen, dass das Gleichnis Jesu den wunden Punkt trifft. Nicht nur das Leid gibt es, das uns überfordert, sondern auch das Leid, das uns fordert, weil wir etwas tun können. Und wir könnten es sehen. Oft ist die Armut stiller. Aber wenn wir ehrlich sind, sehen wir sie. Oft wollen wir es erfolgreich nicht wissen, wenn in unseren Familien und Einrichtungen Gewalt gegen die Schwächsten geschieht. Aber hinterher wird klar, dass es alle hätten sehen können.

3. Doch lieben

  • Aus der Spannung, in der uns das Evangelium hinterlässt, kommen wir nicht raus. Jesus ist klar in seinem Urteil über Macht, Anmaßung, Narzissmus. Aber zugleich bleibt ein Spalt der Hoffnung, wenn er über die Aussichtslosigkeit spricht: "Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht."
  • Zunächst ist das Evangelium eine frohe Botschaft für diejenigen, die die Armut am eigenen Leib erfahren und denen Gewalt widerfahren ist oder widerfährt. Sie können sich aufrichten und erleben: Hier wird öffentlich angesprochen und Unrecht genannt, was sonst so gerne niemand hören will. Die Kirche kommt nicht daran vorbei, das Evangelium öffentlich zu verkünden – da ist Gottes Wort mächtig.
  • Zum Anderen: Uns alle lädt Gott doch ein, hinzuschauen. Die "Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen litt", hat für den Reichen doch schon dort begonnen, wo er im Leben das Herz verschlossen und Lazarus nicht  gesehen hat. Im Gleichnis schauen wir hin. Und wenn wir dann in unseren Kirchen das Kreuz sehen, Gott der sich so sichtbar unter die Opfer von Gewalt und Ausgrenzung gestellt hat, dann öffnet das vielleicht einen Spalt im Herzen, in für die Ohren und für die Augen. Dann entsteht eine Sehnsucht, Gott nah zu sein. Dann führt das jedes Mal ein wenig mehr zur Sehnsucht auch den Menschen nah zu sein. Auch dem Lazarus vor unserer Tür. Amen.