Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Weihnachtsfeiertag/Stephanus 2016

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26.12.2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Familienstreit

  • Sollte jemand gestern, an Weihnachten, erbaulich abgehoben haben: Heute, am Fest des Hl. Stephanus heißt es: Willkommen in der Realität. Sollte jemand nicht erbaulich abgehoben haben: Eigentlich schade, denn einmal im Jahr tut das auch ganz gut.
  • Auf jeden Fall haben wir heute harte Bibeltexte. Dass man mit dem Glauben an Jesus mit staatlichen und religiösen Autoritäten in Konflikt kommen kann, ist aus der Geschichte hinlänglich bekannt. Aber Jesus fügt immer noch hinzu: Und selbst die innerste Familie kann es zerreißen, quer durch die Generationen.
  • Solch heftigen Familienstreit kennt man sonst eigentlich nur, wenn es um Erbschaft geht. Das kann Familien spalten. Nicht nur weil beim Geld für manche der Spaß aufhört. Vielmehr deswegen, weil hier der alte Konflikt des Kain und Abel durchschlägt: Wer wird mehr geliebt? Wer bekommt mehr Anerkennung? Wer ist wichtiger? Darüber können Menschen Kriege beginnen.

2. Menschenkind und Menschensohn

  • Dennoch passt das Stephanusfest zu Weihnachten. Denn, was Stephanus sieht (" Jesus zur Rechten Gottes") und bekennt ("Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen"), passt zur Geburt im Stall.
  • Denn wenn wir feiern, dass Gott sich in einem Kind zeigt, wehrlos und bedürftig, dann feiern wir damit, dass vor Gott jeder Mensch liebenswert ist, und jeder Mensch Würde hat: Denn in Gestalt des Menschen zeigt sich Gottes Liebe - wie es in der Bibel ja auch heißt, dass er den Menschen nach seinem Antlitz geschaffen habe.
  • Das ebenet natürlich Rangunterschiede ein, die Menschen wichtig sind: Erfolg, Ansehen, Reichtum, Schönheit, Gesundheit. Das mag ja alles fein sein, aber es ist nicht das Entscheidende. Vielleicht, das ist nur eine Vermutung, entbrennt ja vor allem dort der erbitterte Familienstreit um das Erbe, wo sich die Kinder nie der Liebe ihrer Eltern sicher waren - und auch nie erfahren haben, dass da ein Gott ist, ein Vater im Himmel, dessen Liebe wir immer sicher sein dürfen!

3. Das Knie beugen

  • Wenn wir heute zwei Kinder taufen, dann bedeutet das: Wir vertrauen sie Gott an, unserem Vater im Himmel. Wir tun dies in dem Vertrauen, dass Gott den beiden, Nouméne Aurora und Issouf Francis, das Erbe nicht vorenthält, sondern sie mit allem Reichtum beschenkt.
  • Wir tun dies aber auch im Wissen darum, dass dies nur geht, wenn wir vor dem Kind in der Krippe die Knie beugen. Das bedeutet: Wir erkennen an, dass dieses Kind in der Krippe der verheißene "Menschensohn" ist, von Gott gesandt, um die Schöpfung wieder mit sich zu verbinden.
  • Vor der Krippe das Knie zu beugen (oder, wenn die Knie nicht mehr so beweglich sind: das Haupt zu beugen!) ist das Bekenntnis: Dies allein ist wichtig und allein in der Rückkehr zu diesem Ursprung werden wir frei von all dem, weswegen Menschen einander Leid zufügen. Es gibt nichts, was so heilsam ist, wie zusammen vor dem Kind in der Krippe das Knie zu beugen, weil wir verstanden haben dass dieser der "Menschensohn" zur Rechten Gottes im Reich der Himmel ist. Auf seine Namen sind wir getauft. Amen.