Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 25. Sonntag im Lesejahr C 2013 (Amos)

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22. September 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Unklare Alternative: Gott oder Mammon

  • "Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon." Die Formulierung Jesu ist prägnant, so sehr, dass das aramäische Wort "Mammon" über die lateinische Vulgata-Bibel und die Lutherbibel in's Deutsche gekommen ist: Man kann nicht Gott dienen und zugleich "dem angehäuften Reichtum".
  • Jedoch, so prägnant die Formulierung ist, so wenig reicht es, diese Alternative aufzustellen. Denn es bleibt die Frage, woran ich erkennen kann, wem ich da gerade diene. Die Dinge in der wirklichen Welt sind nicht immer so klar unterschieden.
  • Es gibt ein Richtungs-Indiz, wem ich diene. Dazu muss ich darauf achten, wer über meine Gedanken herrscht. Ich muss darauf achten, was mich beschäftigt, wenn ich eigentlich etwas ganz anderes tun will oder über etwas ganz anderes nachdenken will. Extrem erleben das manche beim Einschlafen oder beim Aufwachen: ein Gedanke, ein Problem oder ein Konflikt lässt sie nicht einschlafen oder beschäftigt sie schon beim Aufwachen. Da ist offenbar etwas, das versucht Macht über einen Menschen auszuüben.

2. Schlecht fürs Geschäft

  • Der Prophet Amos belauscht sozusagen Gedanken. Der heutige Abschnitt aus dem biblischen Buch, das nach diesem ältesten aller Schrift-Propheten benannt ist, ist wie ein inneres Denken und heimliches Einvernehmen unter Geschäftsleuten formuliert, die Amos unmissverständlich kennzeichnet: "die ihr die Schwachen verfolgt und die Armen im Land unterdrückt". Wir hören in dem Text also die Gedanken derer, die wirtschaftlich und politisch stark sind - und diese Stärke ausnutzen, um noch reicher und noch mächtiger zu werden. Kein Zweifel, Amos ist nicht ihr Sympathisant..
  • Hören diese Leute die Stichworte "Sabbat" oder "Neumondsfest", dann denken Sie nicht an die Ruhe, die Gott schenkt, und nicht an Gottes schöpferische Kraft. Sie freuen sich nicht auf ein Fest. Was ihnen vielmehr vor allem einfällt ist, dass Feiertage schlecht sind für das eigene Geschäft. Mehr noch, sie phantasieren am Feiertag darüber, wie sie auch heute andere übers Ohr hauen könnten, wenn nicht ärgerlicher Weise heute die Börse geschlossen wäre. Das sind keine Leute, an die der Titel 'ehrbarer Kaufmann' vergeben würde. Vielmehr sind das die Leute die auch den Mindestlohn noch drücken und die Verkaufs-Preise nach oben treiben, wo es nur geht, die die Regeln und Maßeinheiten zu ihren Gunsten verändern, um noch mehr Profit machen zu können.
  • Der ungerechte Mammon, der Besitz, der ohne Verstand aber mit viel Sinn fürs Geschäft angehäuft wurde, ist ein Thema in der ganzen Bibel, von den Gesetzen am Sinai über die Propheten bis hin zu Jesus und zu den paulinischen Briefen. Denn hier wird Gottes Schöpfung pervertiert, wo die Dinge der Welt nicht für die Gemeinschaft der Menschen, sondern zugunsten Einzelner und gegen die Schwächsten in der Gesellschaft verwendet werden.

3. Was das Denken bestimmt

  • Der Prophet benennt Missstände beim Namen. Er klagt die Reichen und ihre Steigbügelhalter an den Schaltstellen der Macht an. Er tut dies im Namen Gottes, denn Glaube an Gott, Gerechtigkeit in seinem Volk und Barmherzigkeit gegenüber den Witwen, den Waisen und den Fremden gehören für Amos untrennbar zusammen. Die prophetische Herrschaftskritik ist nicht etwas 'zusätzlich' zur religiösen Botschaft, sondern gehört wesentlich zu ihr - wie sollte ich den wahren Gott verkünden und glauben, wenn ich seine Forderung nach Gerechtigkeit ausblenden würde.
  • Andererseits hilft Schwarz-Weiß-Malerei nicht, wenn die Wirklichkeit - wie bei uns zumeist - komplexer ist. Einerseits muss die Frage "Gott oder Mammon" eindeutig beantwortet werden, wenn ich mich für Gott entscheiden will. Andererseits weiß ich, dass Einkommen und Geld, ja auch Reichtum - wie alle Dinge dieser Welt - zweideutig sein können, sosehr ungerecht angehäufter Reichtum eben ungerecht ist.
  • An der Stelle hilft mir der Absatz, wie Amos das Denken beobachtet. Die Kontrollfrage hieße dann: Woran denke ich, wenn ich das Wort 'Sonntag' höre? Was bestimmt meine Gedanken? Denn wahrscheinlich ist der erste Ansatzpunkt, um aus der Vorherrschaft der 'Mammon-Gedanken' herauszukommen, die immer nur den eigenen Vorteil suchen, statt dessen an den Sonntag, den Gottesdienst und das Gebet überhaupt mit der Sehnsucht nach Freiheit heranzugehen. Nicht schon wieder etwas berechnen, sondern in die Freiheit dieser Feier, in das Erhabene eines Gotteshauses, in die Intimität eines Gebetes eintauchen. Auch hier mögen uns die materiellen Sorgen, die realen und die aufgezwungenen, bedrängen. Aber hier gibt es auch die Gegenkraft, die mich daran erinnert, dass ich ein Kind Gottes bin, von ihm geliebt und angenommen, in der Gemeinschaft seines Volkes berufen, zur größeren Ehre Gottes mein Lieb zu singen. Amen.