Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 17. Sonntag im Lesejahr B 2000 (Johannes)

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30. Juli 2000 - St. Michael, Göttingen

1. Macht und Geld

  • Das Evangelium handelt von nichts weniger als von der Frage, wo Gott für uns relevant werden will. Auf welcher Ebene erreicht uns Gott, um uns das zu geben und zu schenken, was wir nur von Gott bekommen können: Das Göttliche, das unser Leben mit seinem Ursprung und Ziel - wieder - verbindet. Wenn uns die Ereignisse von damals verkündet werden, soll dies unser konkretes Leben verändern.
  • Das Eigentümliche des menschlichen Lebens ist, dass es sich in Beziehungen entfaltet, die nicht festgelegt sind durch Instinkte oder strenge Mechanismen. Wir müssen unseren Platz in der Welt finden und uns selbst entwerfen, indem wir Beziehungen zu all dem aufbauen, was uns umgibt. Natürlich müssen wir dabei nicht bei Null anfangen - bzw. können nicht damit anfangen, ohne an Strukturen und Vorgegebenheiten gebunden sein. In unserer engsten Umgebung können wir lernen - und sei es durch abschreckendes Beispiel - wie wir Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. Wir lernen zu sprechen, zu lieben, zu hassen, Ich zu werden am anderen. Wirklich in der Tiefe erreicht mich dies, wo eine solche Beziehung auf Vertrauen gründet. Dort bin ich eins-zu-eins zum anderen.
  • Dort aber, wo es nicht mehr um den privaten Bereich geht, kann das so direkt auch nicht mehr funktionieren.
    Wir brauchen etwas, das zwischen den vielen Menschen und uns als Einzelnen steht, weil es weder möglich noch wünschenswert wäre, mit jedem, mit dem wir zu tun bekommen, eine private Beziehung aufzubauen.
    Die beiden klassischen Mittel, die so zwischen den Menschen stehen, dadurch Beziehungen ermöglichen, aber zu viel an Intimität und Nähe verhindern, sind Macht und Geld.
    Mit einem persönlichen Freund ist Hilfe auf Gegenseitigkeit möglich, aber nicht mit jeder Verkäuferin im Supermarkt möchte ich anbandeln, um ein Kilo Kartoffeln zu bekommen. Im Freundeskreis kann man die Beziehungen dynamisch gestalten. In der Firma ist es hingegen wichtig, dass es klare Verantwortung und Zuständigkeit gibt. Macht oder Geld sind keine Basis für private Beziehungen - und umgekehrt.

2. Der Heilige Gottes

  • Was berichtet uns das Evangelium im sechsten Kapitel bei Johannes?
    Jesus steigt auf einen Berg und speist die unüberschaubar große Menge. In der darauffolgenden Rede Jesu wird deutlich, was der Hintergrund des Ereignisses ist und warum der Evangelist Johannes es schildert: Weil sich in den Erwartungen und Reaktionen der Leute zeigt, was Glaube ist und was Unglaube ist. Es zeigt sich, wo Gott die Menschen erreichen kann und wo nicht.
    Die Menge ist gekommen, weil sie gesehen hat, wie Jesus in Galiläa Kranke geheilt hatte. Die Menschen nehmen auch das Brot an, das Jesus ihnen reicht. Ja, sie bekennen sogar daraufhin, dass Jesus der verheißene Prophet ist. Aber sie glauben nicht. Jesus erkennt deutlich: Sie wollen ihn zu ihrem König machen. Sie wollen ihn in ihre Pläne einbauen, nicht an ihn glauben. In der Tat, als Jesus später davon spricht, dass er selbst das Brot des Lebens ist, lassen die Menschen ihren Kronprätendenten schnell allein. Nur die Zwölf bleiben.
  • Einen von den Zwölfen hat Jesus auf seinen Glauben hin befragt, indem er auf die Menge verweist und ihren Hunger. Es ist der Philippus. Aber Philippus muss den Glauben noch lernen. Er muss noch in tiefere Schichten vorstoßen. Philippus zählt auf die Frage Jesu nur nach, wie viele hundert Denare man wohl braucht, um Brot für so viele zu kaufen.
    Ein anderer der Zwölf, Andreas, bringt einen Jungen mit seinen fünf Broten und zwei Fischen zu Jesus. Ob darin ein Glaube des Andreas angedeutet wird? Jesus nimmt diese Brote und diese Fische. Er gibt sie den Leuten.
    Das Zeichen aber ist hier im Johannesevangelium gar nicht mal, dass alle satt werden. Jesus fordert die Jünger auf, die Reste einzusammeln. Sie füllen zwölf Körbe. Das ist das Zeichen.
    Es ist das Zeichen dafür, dass der Glaube unter den Menschen erst aufgebaut werden muss, von Mensch zu Mensch, angefangen mit den Zwölfen. Es sind die selben, die als einzige bei Jesus bleiben, als dieser (am Ende des sechsten Kapitels) davon spricht, dass er sich selbst als Speise für die Menschen geben will.
  • "Viele seiner Jünger", heißt es dort, "sagten: Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?". Sie haben das Zeichen gesehen, fanden es beeindruckend, aber sich selbst ansprechen lassen, das wollen sie nicht. Ein Prophet, der als König die Römer vertreibt und das Regierungsgeschäft im Namen der Gerechtigkeit übernimmt - dafür sind sie zu haben. Aber sich selbst ansprechen zu lassen durch das Wort, das von Gott kommt, das können sie nicht. "Daraufhin", so heißt es, "zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher." Die Zwölf sind die einzigen, die anfangshaft, sehnsuchtsvoll glauben wollen, was da passiert ist. Petrus antwortet stellvertretend für die Zwölf. "Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes."
    Das ist der Sinn des Zeichens. Was um 200 Denare nicht zu haben ist, was nicht taugt, zum Instrument irdischer Herrschaft gemacht zu werden, das ist das Höchste, was uns begegnet, es ist der "Heilige Gottes".

3. Gottesbeziehung

  • Das Evangelium berührt genau die Punkte: Geld und Macht auf der einen und direkte Beziehung auf der anderen Seite.
    Es soll damit weder Geld noch Macht abgewertet werden. Beide haben ja gerade deswegen ihren Wert weil sie allgemein sind und unpersönlich. Dadurch kann man leben, ohne das jede geschäftliche, berufliche oder politische Beziehung zur Beziehungskiste und zum Drama wird. Aber sie sind eben unpersönlich und erreichen daher die tieferen Ebnen unseres menschlichen Lebens nicht. Sie taugen für Wirtschaft und Regierung, nicht für den Glauben. So bleibt unsere eigene Lebenswelt unberührt. Schlimmer, dort wo das Allgemeine-Unpersönliche, Geld und Macht, in unserer engere Lebenswelt eindringt und dort beherrschend wird, dort wirkt es zerstörerisch.
  • Im Gespräch mit Philippus macht Jesus die eine Grenze deutlich. Das Brot, das Gott schenken will, ist um Geld nicht zu erwerben. Auch 200 Denare sind nichts für so viele. Den Glauben kann man nicht bezahlen, von der Sinnlosigkeit kann man sich um Geld nicht loskaufen. Erst die Brote und Fische eines kleinen Jungen - damals im Unterschied zu heute als Wirtschaftssubjekt eine irrelevante Rotznase -, erst der kleine Junge bietet Jesus die Materie, mit der er das Zeichen Gottes setzen kann.
  • Das was Jesus wirkt, ist ein Zeichen dafür, wovon jeder Mensch leben kann, sodass davon noch für andere übrig bleibt.
    Offensichtlich war das schon damals schwer zu verstehen, denn das erste, was den Menschen einfällt, nachdem sie das Zeichen gesehen haben, ist, es in die Münze "Macht" umzutauschen und Jesus "in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen". Als ob andere Machtverhältnisse im Königspalast allein ausreichten, Gott gegenwärtig zu machen.
    Das verteilte Brot ist das Zeichen. An diesem Zeichen erweist sich, ob wir für eine Gottesbeziehung zu haben sind, ob Gott uns ansprechen kann, als der Heilige der er ist, in der Konkretheit unseres Lebens. Gott schenkt sich aus dem, was ein kleines Kind zu bieten hat. Brot, das gebrochen wird, das jedem in die Hand gelegt wird, das mit göttlichem Leben speist. Amen.