Predigt zur Trauerfeier Hamburg 5. Februar 2014
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5. Februar 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Selig die Trauernden
- Wir sind gemeint: "Selig!"Das macht es nicht leichter. Das macht es nicht verständlicher. Aber es
ist sicher, dass Jesus nicht irgendwelche allgemeinen Weisheiten von sich gegeben hat.
- Feierlich heißt es "Er setzte sich und seine Jünger traten zu ihm. Und er lehrte sie und sprach..."
Hier, an diesem Stein, wurde uns dieses Evangelium gesprochen; hier ist unser Ort der Bergpredigt.
Und was immer uns hergeführt hat, was immer uns jetzt bewegt, hier ist ein heiliger Ort, an dem das
Wort zu niemand anderem gesprochen wird, als zu uns: "Selig sind, die da Leid tragen".
- Vielleicht kannte jeder von uns schon diesen Anfang der Bergpredigt. Dennoch wird jetzt erst
erfahrbar, welche Zumutung darin steckt. Wie sehr Jesus auch uns gegen den Strich geht, wie er
damals den Menschen gegen den Strich gegangen ist: "Selig sind, die da Leid tragen", die trauern,
die hungern und dürsten, selig die zu kurz gekommen sind, selig, die sich klein und hilflos und
elend fühlen - denen es geht, wie so manchen unter uns.
2. Trauern - um Käthe
- Ich kannte Käthe gar nicht. Wahrscheinlich habe ich schon das eine oder andere Mal mit ihr
zusammen einen Schulgottesdienst gefeiert. Aber ich kannte sie nicht. Und wie mir geht es
manchem hier, während andere unter uns ihr sehr nahe sind, weil sie für Käthe Freund oder
Freundin oder ihre Familie sind.
- Vielleicht ist das die Frage, die Sie bewegt, ob und wie gut Sie Käthe kannten. Jetzt können Sie sie
nicht mehr fragen, und Sie merken, wie vieles Sie noch fragen würden. Jetzt können Sie ihr nichts
mehr sagen, und es gibt vielleicht noch manches, das Sie ihr sagen würden. Das letzte Wort und der
letzte Satz, den Sie ihr gesagt oder von ihr gehört haben, waren nicht als Abschiedsworte geplant.
Und dennoch sind sie es geworden.
Die letzte Begegnung, flüchtig oder intensiv, liebevoll oder beiläufig oder gar mit Spannungen - es
war nicht als Abschied geplant und ist es jetzt dennoch geworden. Wie gut kennen wir einen
Menschen? Jetzt, wo ein Leben so unwiederbringlich zu Ende ist, merken vor allem die, die sie gut
kannten, wie wenig sie vielleicht doch nur von ihr wussten. Welcher Mensch kennt schon allein sich
selbst?
- Und die anderen, die sie kaum oder, wie ich, eigentlich gar nicht kannten: Käthe ist uns in den
letzten fünf Tagen zum ersten Mal wirklich nahe gewesen, weil ihr Tod uns nahe gegangen ist. Kein
Tod ist so, dass man sich mit ihm abfinden möchte; er ist immer schmerzhaft. Aber dieser Tod ist so
plötzlich, so ungerecht und so hart. Mir wird bewusst: Das könnte auch mich jederzeit treffen.
Wenn ich in den letzten Tagen auf dem Rad gefahren bin, dann habe ich fast an jeder Kreuzung
daran gedacht, wie schnell eine Unaufmerksamkeit zur tödlichen Gefahr wird. Vielleicht ist Käthe
nur einen Moment ein Gedanken durch den Kopf gegangen, von der Schule, von ihrer Familie, von
ihrem Freund; vielleicht hat sie nur einen Moment die kalte Luft des Morgens geatmet und nicht
darauf geachtet, ob ihr jemand die Vorfahrt nimmt.
Niemand von uns könnte sagen, dass er immer so stark, immer so wach,
immer so umsichtig ist,
dass wir jeder Gefahr ausweichen könnten und uns so etwas nicht
passiert. Mir ist seit letztem
Freitag noch mal bewusst geworden, wie gefährdet mein Leben sein kann.
Und in diesem Augenblicken habe ich an Käthe gedacht und bin ihr nahe
gewesen, obwohl ich sie doch gar nicht kannte.
Unsere Zerbrechlichkeit als Mensch bringt uns - Mitschüler, Lehrer, mich
- einander näher.
3. Selig, die arm sind vor Gott und den Menschen
- So sitzen wir hier mit Trauer und Unsicherheit, mit Wut oder dem unbestimmten Gefühl, einem
Leben ausgesetzt zu sein, das wir nicht verstehen, geschweige denn beherrschen. Alles was ich
sagen kann ist, dass Jesus mit seiner Bergpredigt Menschen wie uns angesprochen hat.
- Die Jünger, die um ihn herum standen, waren keine Helden des
Glaubens. Sie waren die Trauernden, die Zweifelnden, die Suchenden, die
klein Gemachten. Und sie nennt Jesus selig. Mit selig
muss daher etwas anderes gemeint sein, als einfach nur dass es einem gut
geht.
- Angesichts einer Welt, die das Leid nur ignoriert, nennt Jesus diejenigen selig, die das Leid
nicht wegreden, sondern tragen.
- Angesichts einer Welt, in der nur das Große und Starke zählt, nennt Jesus diejenigen selig, die
klein sind vor Gott und den Menschen. der Glaube kann das Leid nicht verharmlosen mit
billigen Antworten und einfachen Lösungen.
Auch deswegen nennt Jesus die Glaubenden selig.
- Vielleicht sollten wir auch hören, dass Jesus nicht einzelne
Menschen anspricht, sondern die
Gemeinschaft der Jünger. Sie sind selig, weil sie sich durch das Leid
nicht vereinzeln lassen. Sie
sind selig, weil sie zur Gemeinschaft des Volkes Gottes gehören. So
können sie wissen, dass Gott
treu ist. So haben sie in den Riten ihres Glaubens die Möglichkeit, ihre
Trauer und Angst auszudrücken und zu Gott zu schreien. Nicht zuletzt
meint dieses "selig", dass wir wissen, dass Gott bei uns
ist, und dass Gott selbst dem Leid und Trauer nicht ausweicht. Auch für Gott führt der Weg zum
Leben durch die Trauer hindurch. Dafür steht das Kreuz, das der Mensch gewordene Gott trägt.
Ja, ich glaube an die Auferstehung der Toten. Ich glaube, dass Gott Eurer Käthe treu ist und sie bei
Gott lebt. Mindestens so sehr aber glaube ich, dass Gott jetzt bei uns ist und unter uns lebendig ist,
wenn wir zusammenstehen, trauernd und doch gerade darin selig. Amen.