Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Palmsonntag Lesejahr C 2010

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28. März 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Bleibet hier und wachet mit mir

  • "Bleibet hier und wachet mit mir!" Den Satz, den Jesus zu den schlafenden Jüngern gesagt hat, haben wir wieder und wieder gesungen, während wir den Weg Jesu vom Abendmahlsaal nach Golgota mit gegangen sind.
  • Die Evangelien deuten nur an. Das Geschehen selbst war furchtbar. Es ist das, was Menschen Menschen antun. Wir aber hören genau diesen Bericht, weil wir glauben, dass es das ist, was Menschen Gott antun. Dort, wo Gott gegenwärtig geworden ist in der Geschichte, hat es den Widerstand all derer hervorgerufen, deren Gottesbild es nicht zulassen konnte, dass Gott in einem Menschen, wehrlos wie er ist, zu den Menschen kommt.
  • Jesus hat von sich bekannt, dass er, der einzige Sohn, vom Vater im Himmel in die Welt gekommen ist. Damit hat Gott eine Geschichte in unserer Geschichte. Diese Geschichte wach mitzugehen und bei ihm zu bleiben, auch auf seinem Leidensweg, ist daher aus dem Glauben nicht auszuklammern.

2. Auf der Seite derer, die Opfer sind

  • Und doch stehen wir gerne auf der Seite der Gewinner. Und doch ist auch für Christen die Versuchung, es lieber mit den Herrschenden zu halten. Dies führt vor allem dazu, dass wir die Geschichte mit ihren Augen lesen. Der Weg Jesu in den letzten Tagen würde von den damals Herrschenden sicher ganz anders erzählt. Dann aber wäre er heute kein Evangelium.
  • Zum Evangelium wird die Geschichte der letzten Tage Jesu erst, wenn sie so erzählt wird, wie wir sie gehört haben. Gott sieht die Geschichte aus der Perspektive der Opfer. Gott lehrt uns, sie so zu sehen, weil er selbst mit dem Kreuz auf deren Seite gestanden hat.
  • Wenn wir auf der Seite Gottes stehen wollen, hat das daher Konsequenzen. Wir könnten die Menschen und ihre Geschichte anders sehen. Wir könnten Menschen anders sehen. Wir könnten andere Menschen sehen: diejenigen, die sonst übersehen und totgeschwiegen werden.

3. Wach sein

  • Im Garten konnten die Jünger nicht wachen, denn, wie es heißt "sie waren vor Kummer erschöpft". Der Kummer drückt sie nieder und raubt ihnen die Kraft.
  • Wenn wir diese Passionsgeschichte hören und nur unsere eigenen Kräfte sehen, dann müssen wir sie uns vom Leibe halten. Wir könnten den Weg nicht mitgehen. Das ist immer die Reaktion, wenn wir Andere leiden sehen, dass wir an die Grenze unserer eigenen Kraft kommen. Dann sehen wir weg. Dann reden wir lieber nicht darüber. Dann sind wir überfordert, den Opfern von Gewalt zuzuhören und bei ihnen zu bleiben.
  • Aber der Kreuzweg ist nicht das Ende. Über dem Kreuz steht die aufgehende Sonne des Ostermorgens. Und vor dem Kreuz steht das Brot. Es ist sein "Leib, der für euch hingegeben wird". So schwach Gott in seiner Ohnmacht ist. Die Ohnmacht ist auch Gottes Stärke. Darauf vertraut auch Jesus: "Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist." Dies ist ein Gebet des Vertrauens. Jesus betet den Psalm 31 und der Satz endet: "du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott." Amen.