Predigt zum 5. Fastensonntag Lesejahr C 2007 (Philipperbrief)
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25. März 2007 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt
1. Beziehungsstress
- "Was soll ich denn noch tun?" Diese Frage, hinreichend resigniert
oder verzweifelt gesprochen, hat vermutlich schon am Ende so mancher Beziehung
gestanden. Da versteht einer (oder eine) die Welt nicht mehr. Er oder sie hat
so viel für den Partner getan, hat alles richtig gemacht und sich richtig
Mühe gegeben. Aber dennoch geht die Beziehung in die Brüche - was
um alles in der Welt hätte man noch tun sollen?
- Die frustrierende Antwort auf die resignierende Frage heißt: "Nichts
- Nichts sollst du noch mehr tun. Du hast alles richtig gemacht und es dadurch
ungewollt nur noch schlimmer gemacht." In der Situation, die ich vor Augen
habe, ist das genau das Paradox. Es gibt den Punkt in einer Beziehung, wo es
nicht darauf ankommt, was ich jetzt noch besser mache. Denn in aller Naivität
manövriere ich mich damit nur noch tiefer in den Sumpf, der zumindest nach
außen arg nach Selbstgerechtigkeit aussieht.
- Damit sind wir nahe an dem, was Paulus "Gesetzesgerechtigkeit" nennt.
In dem wunderbaren Abschnitt aus dem Brief an Paulus' Lieblingsgemeinde in Philippi
greift der Apostel auf seine eigene zentrale Erfahrung zurück. Als frommer
Mensch, ganz in seiner Religion beheimatet, hatte er alles richtig gemacht.
Er hat aus dem Gebet gelebt, die Gebote gehalten, ist dem Nächsten beigestanden
und hat sich für die Armen eingesetzt. Er könnte stolz darauf sein.
Er ist aber nicht stolz darauf.
2. Alles shit
- Wie "skúbala" kommt ihm das jetzt alles vor. Im Rückblick
benutzt Paulus kein erbauliches Wort für seine frühere moralische
und religiöse Leistung. Um Christi willen, sagt Paulus, hat er "alles
aufgegeben und hält es für Unrat", wie unsere Lesung vornehm
übersetzt. Skúbala ist aber ganz spezieller Unrat, jener,
den wir zwar als Ergebnis guter Verdauung wertschätzen, aber ihn doch entschieden
hinter uns lassen, nach nur kurzer Begutachtung bestenfalls.
- Vielleicht hätte man das drastische Wort auch so drastisch übersetzen
sollen. Denn auf diesen Effekt kommt es an. Nur so kann Paulus für sich
selbst beschreiben, welch ein Bruch das für ihn war. Das, auf das er früher
stolz und unter den Leuten anerkannt war, was unzweifelhaft seine Leistung war,
ist ihm nun nurmehr ein shit wert.
- Denn eines fehlte ihm beim alles richtig-tun. Es war die Liebe. Deswegen verdammt
Paulus ja nicht das richtig-tun. Aber das davon geprägte Denken will er
entschlossen hinter sich lassen "um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein".
Der Satz sei allen gesagt, die meinen das zentrale im Christlichen Glauben sei,
Werke der Nächstenliebe zu tun. Man kann alle Werke der Liebe tun und doch
nicht lieben. Man wird das daran merken, dass man nicht "in Christus"
ist.
3. Gelungenes Leben
- "Nicht meine eigene Gerechtigkeit suche ich, die aus dem Gesetz hervorgeht,
sondern jene, die durch den Glauben an Christus kommt, die Gerechtigkeit, die
Gott aufgrund des Glaubens schenkt." Dieses Glaubenbekenntnis ist der Schlüssel
für gelungenes Leben und gelungene Beziehung. Das "Suchen", der
Fokus der Aufmerksamkeit, geht nicht darauf, alles richtig und gut zu machen,
sondern gut zu sein. Und eben das ist ein Geschenk. Nur so ist Liebe möglich.
- Um einen Menschen lieben zu können, braucht es diesen Glauben an Gott.
An einen Menschen so zu glauben, würde ihn heillos übrfordern. Und
wenn ich einfach nur in der Beziehung zu einem Menschen mich so sehr selbst
verlöre, dann hätte ich mich selbst verloren. Dann wäre ich nicht
mehr ich selbst und dann wäre niemand mehr, der lieben kann. Nur wenn ich
mich in Gott verliere, finde ich mich selbst. Denn aus Gott allein bin ich und
in Gott allein kann ich alles in eigener Anstrengung erleistete hinter mir lassen.
- Paulus bringt es auf den einen Punkt, der mit rationalem Verstand kaum noch
zu fassen ist. "Sein Tod soll mich prägen". Der Tod, den Gott
selbst stirbt, ist die Hingabe, in der Gott ganz Mensch wird und ganz für
uns Menschen ist. Wir können uns das nur vom Evangelium sagen lassen. Wir
können uns nur in immer neuen Anläufen darauf einlassen, ganz "in
Christus" zu sein, ohne zu meinen, wir hätten es "schon erreicht".
Aber wenn wir das Ziel vor Augen haben, werden wir auch in den kleinen und großen
Beziehungen zu anderen Menschen erfahren: Je mehr wir uns selbst los lassen,
desto mehr werden wir wir selbst sein können: Menschen geprägt
von der Liebe Gottes, die alles umfängt. Dass dies an uns geschieht, feiern
wir den Sonntag und sind zusammen, das Brot zu empfangen, das gebrochen wird,
damit wir leben, den Herrn Christus Jesus zu empfangen, der sich hingibt und
sich uns schenkt. Amen.