Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 5. Fastensonntag Lesejahr B 2015 (Psalm)

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22. März 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Betend glauben

  • "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. "
    Jesus formuliert hier so etwas wie eine grundlegende Erfahrung des geistlichen Lebens. Er hat dabei im Blick, was sein eigener Weg ist. Aber er ist dort, wo er sein eigenes Leben und Sterben aus der Beziehung zu Gott heraus zu verstehen sucht, ganz geprägt durch die Glaubenserfahrung Israels, wie wir sie im Alten Testament dokumentiert finden.
  • Glaube spiegelt sich vor allem im Gebet. Auch Liebe spiegelt sich ja dort, wo Liebende mit einander sprechen. Die Weise zu beten, sagt daher eine alte Faustregel, ist auch die Weise zu glauben: Lex orandi, Lex credendi. Deswegen gehört zu den Lesungen im Gottesdienst immer auch das Gebet. Auf die Lesung folgt ein Psalm aus der großen Gebetssammlung, dem Psalter in der Bibel.
  • Ich will sehen, wie uns der Psalm 51 heute hilft, den Satz Jesu für uns persönlich zu verstehen: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht." Jesus will ja keine Allerweltsweisheit verkünden, sondern spricht sehr persönlich von sich, seinem Schicksal und seiner Beziehung zu Gott.

2. Lebendige Schöpfung

  • Der Kehrvers aus dem Psalm lautet: "Ein reines Herz erschaffe mir, o Gott!": ein Herz, das unverstellt ist, nicht berechnend, sondern offen; ein Herz das nicht vermüllt ist durch den Schutt des Egoismus und der Habsucht, sondern sich vertrauensvoll öffnet.
    Darum wird hier gebetet, vor Gott eine Bitte ausgesprochen. Und zugleich ist in diesem kurzen Vers ein Bekenntnis: Gott, Du bist der Schöpfer von allem, Du kannst mir ein reines Herz schaffen. Das unterscheidet sich grundlegend von der Bitte an einen Arzt um eine Herztransplantation; der wechselt nur Ersatzteile. Gott allein ist der Schöpfer.
  • Unter Schöpfung stellen sich viele vor, dass Gott beim Urknall die Lunte gelegt hat, auf dass alles mit einem lauten Knall beginne. Und irgendwie hat Gott der Schöpfung das Potential eingeschrieben, dass im Laufe der großen Evolution des Weltalls und des Lebens daraus das werden konnte, was wir heute kennen.
    Diese Beschreibung ist nicht falsch. Aber die Menschen der Bibel meinen viel mehr, wenn sie zu Gott, dem Schöpfer beten. Sie sehen, dass die ganze Schöpfung - alles was es gibt - in jedem Augenblick nur deswegen da ist, weil es in Beziehung zu Gott lebt (vgl. Ps 104,29). Schöpfung ist Beziehung. Daher ist immer dort, wo in der Bibel in Bildern von der Erschaffung der Welt gesprochen wird, das Ziel der Schöpfung der Mensch, den Gott beim Namen nennt und der Gott antwortet. Die Welt gibt es, weil Gott seine Schöpfung - und jeden einzelnen in ihr - will und liebt. Dagegen sind alle Theorien der Schöpfung aus dem Nichts zwar klug, doch auch blutleer und oberflächlich. In der Tiefe ist Schöpfung Beziehung und Liebe.
  • Die Frage ist nur: Was passiert, wenn diese Liebe zurück gewiesen wird. Was passiert, wenn die Menschen selbst 'sein wollen wie Gott' und dabei das, was Liebe hätte sein können, in Gewalt endet? Der Psalm 51 ist für das Gebet eines Menschen gedichtet, der schuldig geworden ist. Jeder, der diese Zeilen betet, kann sie für sich selbst konkret werden lassen: "Wasch meine Schuld von mir ab, und mach mich rein von meiner Sünde!"
    Dieser Vorgang der Reinigung ist neue Schöpfung. Jeder, dessen Ehe oder Partnerschaft schon einmal durch eigene Schuld in eine tiefe Krise geraten war, der sich "unrein" vorkommt, weil er den anderen betrogen hat, kann diese Sehnsucht spüren: "Mach mich rein von meiner Sünde!" Glauben bedeutet, Gott zutrauen, dass er das möglich macht, auch dort wo die Vergebung der Menschen an Grenzen kommt. Glauben bedeutet, darauf zu vertrauen, dass das Wunder der Schöpfung auch eine Neuschöpfung möglich macht: "Ein reines Herz erschaffe mir, o Gott!"

3. In Gott hinein sterben

  • Damit Gott so handeln kann, muss ich loslassen. Vertrauen kann nur gelebt werden, indem Sicherheiten aufgegeben werden. Das aber setzt die Entlarvung dieser Sicherheiten voraus. Wer meint, sich mit Schmiergeld, A...kriecherei oder Druck durchsetzen zu können, wird nie lernen, zu vertrauen.
    Doch loslassen können ist immer die kleine Schwester des Sterbens. Wer sich auf Gott einlässt, muss damit rechen, dass Gott ihm nimmt, was der Heilung im Wege steht. Wer sich auf Gott einlässt, wird auch die Erfahrung machen, dass der ganze Unheilszusammenhang der Welt über ihn hineinbrechen kann. Denn Heilung ist nie nur individuell. Auch Christus wurde ja nicht wegen der eigenen Sünden gekreuzigt.
  • "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht." In dem Wort Jesu ist das Sterben ja nicht irgendwie, sondern ein hineinfallen "in die Erde". Dieser Teil des Bildes ist wesentlich. Die Erde steht hier für Gott, den Urgrund des Lebens. Wer nicht zumindest entfernt die Wirklichkeit Gottes ahnt, kann sich im letzten seiner Existenz nicht anvertrauen. Desgleichen aber: Wer sich in seinem eigenen Gottesbild eingerichtet hat, wird auch immer nur den eigenen Trugbildern, nie letztlich dem lebendigen Gott vertrauen. Das Korn fällt in die Erde. Das neue aber wird, neue Schöpfung die wächst, nicht mit Knall, sondern behutsam, weil ein Gott sie ruft und wachsen lässt.
  • Wo ich auch nur von ferne ahne, ganz ohne Worte, die es fassen, dass ich im Leben bin, weil Gott mich will und gerufen hat, dort bin ich vielleicht auch fähig, mich von diesem Gott auch rufen zu lassen und ihn zu bitten: "Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld", nimm mich, wie ich bin, und schaffe mich neu, denn dir vertraue ich. Amen.