Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 5. Fastensonntag Lesejahr B 2006 (Johannes)

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2. April 2006 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Stunde

  • Nicht jede Stunde dauert 60 Minuten. Zeit ist nicht gleichwertig. Nicht nur dass manchmal die Zeit schneller, manchmal langsamer verläuft. Es gibt "Stunden" die für unser Leben wichtig sind, und viele andere Stunden, die Alltag sind und bewältigt werden wollen. Jene herausragenden Stunden aber sind es, die dem Ganzen Richtung und Gewicht geben.
  • Unser aller wichtigste Stunde ist die Todesstunde. Nach aller Statistik läuft es auf diese Stunde hinaus. Auch wenn sie - hoffentlich - noch weit entfernt ist, bleibt die Bedeutung dieser Stunde. Denn in ihr läuft unser Leben zusammen. Bis zu dieser Stunde und in dieser Stunde laufen die Entscheidungen, die Irrungen und Wirrungen, das Gelingen und das Scheitern zusammen. Es ist für jeden von uns Menschen die Stunde der Wahrheit, in der wir vor Gottes Angesicht treten.
  • Davor aber hat mancher, vielleicht jeder einmal eine Sternstunde. Vielleicht nicht gerade so, dass wir als Stern vor aller Welt erscheinen und alle "ah" und "oh" rufen. Aber für uns selbst gibt es Stunden, von denen wir sagen können, dass sie uns Kraft geben, dass sie zentral für unser Leben sind, Stunden des Glücks. Vor allem sind es für die, die das Glück haben einen Menschen fürs Leben gefunden zu haben, Stunden der Liebe. Vielleicht aber sind es immer Stunden der Liebe. Für jemanden, der versucht aus dem Glauben zu leben, ist die Sternstunde immer eine Stunde der Liebe, eine Stunde mit und für andere.

2. Die Stunde Jesu

  • Oft genug im Verlauf des dramatischen Johannesevangeliums sagt Jesus, "seine Stunde" sei noch nicht gekommen. Gleich zu Beginn, bei der Hochzeit zu Kanaa sagt es Jesus. Auch im siebten Kapitel, als die Behörden bereits beschlossen haben ihn festzunehmen, heißt es: "Seine Stunde war noch nicht gekommen" (Joh 7,30). Erst im heutigen Evangelium, in den letzten Tagen vor Karfreitag, sagt Jesus: "Die Stunde ist gekommen".
  • Die Stunde Jesu ist die Stunde seiner Verherrlichung. Das bedeutet, es ist der Augenblick, in dem in seinem Leben Gottes Gegenwart, Gottes Barmherzigkeit und Liebe und auch, ja auch, Gottes Allmacht und Kraft sichtbar wird. Sichtbar für alle, die zu sehen vermögen.
  • Denn die Stunde Jesu ist zugleich die Stunde seines Todes. Er wird erhöht, aber erhöht am Kreuz, dem Holz der Schande. Die Sternstunde ist bei ihm zugleich die Todesstunde. Das was für alle das Ende und der Untergang ist, ist für die, denen der Glaube geschenkt ist, die Stunde der Verherrlichung, der Triumph über diejenigen, die meinten, ihn final zu vernichten.

3. Frucht

  • Was macht diese Sternstunde aus? Mehrfach in dem kurzen Abschnitt des heutigen Evangeliums finden sich Hinweise darauf. Das Evangelium ist geschrieben und formuliert aus der Erfahrung und der Perspektive der christlichen Gemeinde des Johannes. Diese Christen wissen, dass diese Stunde Jesu sie zusammengebracht hat. Das Glück, das sie erleben in ihrer Gemeinschaft, ist ermöglicht durch diese Stunde. Und die Erfahrung der Nähe Gottes und die Hoffnung auf den Bestand dieser Freundschaft mit Gott basiert auf dieser Stunde.
  • Jesus selbst sagt es im Bild vom Weizenkorn. "Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht." Es ist ein für Jesus typisches Bild, knapp und klar. Zugleich aber formuliert es den Gegensatz zu unserem "natürlichen Gefühl". Denn so sehr es für ein Weizenkorn stimmt, so sehr denken wir für uns selbst doch immer wieder, dass wir festhalten müssen an dem, was wir haben. Wir leben so, als ob das Glück davon abhängt, dass wir es schaffen, für uns. Es braucht den Glauben Jesu, um wirklich verstehen und annehmen zu können, was es heißt: "Wer an seinem Leben hängt, verliert es".
  • Das Leben ist ein Ding, das wir nur haben können, wenn wir es hergeben. Etwas, das wir nur behalten können, wenn wir es nicht festhalten. Denn wirkliches menschliches Leben ist nie etwas, das ich allein und für mich haben kann. Einsamkeit ist letztlich schrecklich. Deswegen bittet Jesus nicht darum, dass ihn der Vater rette aus dieser Stunde. Denn er weiß, dass sein Leben "Frucht bringen" wird in dieser Welt, wenn er es hingibt und uns so einen Weg öffnet, um unser Glück zu finden im Vertrauen auf Gott, unseren Vater. Gott will auch uns verherrlichen. Amen.