Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 4. Fastensonntag Lesejahr C 2013 (Josua)

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10. März 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Dableiben oder Aufbrechen

  • Dableiben oder Aufbrechen. In diese beiden Koordinaten kann mancher seine ganze Biographie eintragen. Dableiben oder Aufbrechen. Dabei ist gar nicht klar, ob Aufbrechen dann auch mit Ankommen verbunden ist. Manche bleiben im Aufbrechen stecken; immer nur Aufbruch, nie ein Ankommen, weil dazu Verbindlichkeit notwendig wäre.
  • Als Christen stehen wir unter dieser unauflöslichen Spannung. Der Glaube vermag Heimat und Gemeinschaft zu bieten; doch im biblischen Glauben geht es immer wieder um den Aufbruch daraus. Der biblische Mensch wird in das gelobte Land geführt und ist auf Erden doch heimatlos in einer Welt, die von Strukturen der Sklaverei und des Egoismus durchzogen ist. Je mehr der Glaube Heimat bietet, desto mehr steht er in Gefahr, Teil dieser Strukturen zu werden.
  • Letztlich ist jede Biographie individuell gezeichnet, auch die Glaubensbiographie. Jeder wird darin Elemente des Dableibens und Elemente des Aufbrechens finden. Manchmal bleibt es Sehnsucht und Wunschtraum, manchmal wird es Realität des heilvollen Neuanfangs, manchmal ist das Neue harte Realität, weil das bisherige Leben nicht mehr so weiter gehen konnte.

2. Das Buch Josua

  • Die erste Lesung am heutigen Vierten Fastensonntags, dem Sonntag 'Laetare' ('Freut Euch!') bietet uns ein Fragment aus dem Buch Josua. Das Buch ist viele Jahrhunderte nach den Ereignissen, die es aufgreift, geschrieben worden. Wie auch sonst in der Bibel geht es nicht um abstraktes Interesse an irgendeiner Vergangenheit, sondern darum, was diese Vergangenheit für uns bedeutet. Die Glaubenserfahrung der Vergangenheit - um ein Wort des letzten Sonntags aufzugreifen - bietet Vorausbilder für unser eigenes Leben im Glauben.
  • Das Buch Josua schließt an die fünf Bücher an. Diese haben den Bogen geschlagen vom Anfang der Welt bis zur Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten, mit der vierzigjährigen Wüstenwanderung des Volkes und der Verkündigung des Gesetzes durch Mose. Unter Josua kommt das Volk vierzig Jahre nach dem Aufbruch aus Ägypten am Jordan und im gelobten Land an.
    Von denen, die damals aufgebrochen sind, lebt kaum jemand mehr; sie waren aufgebrochen, sind aber niemals angekommen. Gott hatte sie in der Wüste am Leben gehalten: Durch Manna, Brot des Lebens, und durch lebendiges Wasser aus dem toten Wüstengestein. Manna und Wasser sind die Erinnerungsworte an das Überleben im Aufbruch. Aber der äußere Aufbruch aus der Sklaverei in Ägypten wurde bei dieser Generation nicht in einem inneren Aufbruch vollendet. Ein solcher innerer Aufbruch lebt aus dem Vertrauen in die Gegenwart Gottes und erreicht damit die Freiheit gegenüber allen Göttern, die den Menschen beherrschen.
  • Die neue Generation kommt nun im gelobten Land an. Sie erneuert den Bund, den Gott mit dem Volk vor dem Aufbruch in Ägypten geschlossen hatte; Zeichen des Bundes ist die Beschneidung. An dieser Stelle setzt die heutige Lesung ein; die "ägyptische Schande" ist die Sklaverei, aber auch die Tatsache, dass das Zeichen der Freiheit, die Beschneidung, bei der Aufbruchsgeneration die Untreue nicht verhindert hat. Sie sind mit Gott aufgebrochen und haben doch Gott nicht vertraut. Nun kommt eine neue Generation in Gottes gelobtem Land an und erneuert den Bund.
    Das folgende ist präzis geschildert und will genau gelesen sein: Am Abend nach der Bundeserneuerung feiern die Israeliten ein Fest. Sie feiern das erste Pascha-Fest, unser Osterfest. Es ist das Fest des Aufbruchs aus Ägypten. Sie feiern es mit den Erträgen des Landes, in das Gott sie geführt hat. Und von da an sorgen sie selbst für ihren Lebensunterhalt; das Manna, mit dem Gott das Volk bei der Wüstenwanderung genährt hat, bleibt ab diesem Augenblick aus. Jetzt beginnt das Leben im neuen Land.

3. Den österlichen Aufbruch feiern

  • Im Land wohnend den Aufbruch feiern. Das ist die Grundhaltung, zu der diese Lesung führen will. Die Befreiung aus Ägypten, der Durchzug durch das Rote Meer und die Wüste, all das ist Vergangenheit. Aber das, was Gott damit bewirken will, ist Gegenwart. Es ist nicht Vergangenheit.
  • Feiert diesen Aufbruch als Fest unter Euch und lasst den Aufbruch in Treue zu Gott unter Euch Wirklichkeit werden. Hier, in dem Land und den Lebensumständen, die Gott die gegeben hat, findet dein Glaube und dein Leben statt. Lebe den Alltag und ernähre dich von den Früchten des 'Landes' in dem du lebst. Aber richte dich nicht ein; werde dem Ursprung nicht untreu. Feiere das liturgische Fest, den Kultus von Pascha und Ostern. Deine Gottesdienste sollen dich zum Aufbruch rufen und dich daran erinnern, dass die Gegenwart noch nicht alles ist; die Erfüllung steht noch aus. Gott hat auch mit deiner Generation großes vor - Wie wollt ihr darauf antworten?
  • All das wird in Geschichten erzählt und nicht als Theorie. So ermutigt die Bibel, unsere eigene Lebensgeschichte in die Heilsgeschichte des Volkes Gottes einzutragen.
    Auch Jesus spricht doch in Gleichnisgeschichten und handelt selbst gleichnishaft. Das Gleichnis von den beiden Brüdern kann daher die Geschichte aus dem Buch Josua deuten. Musste der jüngere Bruder den Vater verraten und aufbrechen? Willst der ältere Bruder abseits stehen, wenn das Fest gefeiert wird, weil sein Bruder, der verloren war, wiedergefunden wurde?
    Welche Geschichte vom Aufbruch und Ankommen, von Treue im Bund mit Gott und vom Manna, mit dem Gott uns nährt, jeder von uns eintragen kann - wer weiß? Amen.