Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Fastensonntag Lesejahr C 2001 (Lukas)

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18. März 2001 - khg Göttingen, Universitätskirche St. Nikolai

1. Fragen

  • Menschen kommen zu Jesus mit Fragen, die sie bedrängen. Das ist nachvollziehbar. Wenn Gott in ihm Mensch geworden ist, dann sollte er uns doch einige Fragen beantworten können.
  • Menschen kommen zu Jesus mit folgender Frage: Wie sollen wir das verstehen, dass die einen Unglück trifft, die anderen nicht? Da war eine Gruppe von Pilgern aus Galiläa, die einem Gemetzel zum Opfer gefallen sind, das Pilatus, der römische Statthalter, anrichten ließ.
    Nach dem, was wir von Pilatus wissen, passt das zu ihm, dass er ausgerechnet während des Opfers im Tempel seine Macht demonstriert und dabei Blut fließen lässt. Von dieser Seite her wäre der Vorfall erklärt. Aber nicht von der Seite der Opfer.
  • Jesus selbst bringt noch ein anderes Beispiel. Beim Einsturz eines Turmes an der Jerusalemer Stadtmauer sind achtzehn Menschen erschlagen worden. Achtzehn von zigtausend Einwohnern sind umgekommen. Warum ausgerechnet die? Warum wurde dieses Mädchen Opfer eines Gewaltverbrechens? Warum zerstört Hochwasser jenes Land und verschont ein anderes? Warum stirbt dieser an Krebs? Warum ist dieser in einen Autounfall verwickelt worden und umgekommen? Warum dieser und nicht andere?

2. Suche im Jenseits

  • Die Frage hat zwei Richtungen. Die Menschen, die damals zu Jesus gekommen sind, haben wohl eher gefragt: Was im Leben dieser Menschen hat das verursacht? Welche Schuld, die diese auf sich geladen haben, rächt sich hier? Die Frage kann auch anders herum lauten: Warum hat Gott das zugelassen?
  • Ich kenne nicht wenige, die über der zweiten Version an Gott zweifeln oder verzweifeln: Kann es einen Gott geben, der das zulässt. Aber mir scheint, dass auch die erste Version so aktuell ist wie damals. Menschen suchen nach Ursachen für das Unglück, das einzelne trifft.
    • Da gibt es den skurrilen Typen, der nie auf die Fuge zwischen zwei Bodenplatten tritt, weil das Unglück bringt.
    • Da gibt es die Massen, die aufmerksam ihr Horoskop lesen.
    • Da gibt es die Sicherheit, dass alle, die im Gefängnis sitzen, dies auch verdient haben
    • oder die stillschweigende Überzeugung, dass AIDS eine verdiente Strafe ist.
    • Die Faszination, die viele bei der Vorstellung von Karma und Widergeburt empfinden, liegt ganz auf dieser Linie.
  • Beide Versionen der Frage sind religiös, denn beide Versionen sprengen die physische Welt. Der Zweifel an einem Gott wie die Suche nach unsichtbaren Ursachen ist ein Stochern im Nebel des Überirdischen.

3. Sinnesänderung

  • Es ist wohl enttäuschend, dass Jesus die Fragen nicht beantwortet. Der Gottessohn bleibt uns die Information über die innerste Struktur des Schicksals schuldig. Seine Antwort springt aus der Frage heraus: "Jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms von Schiloach erschlagen wurden - meint ihr, dass nur sie Schuld auf sich geladen hatten, alle anderen Einwohner von Jerusalem aber nicht? Nein, im Gegenteil: Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt."
    Jesus wendet die Frage um. Statt Information über geheime Strukturen des Karma, geht es ihm um Veränderung des Menschen. "Bekehren" sollen wir uns. "Umkehren" bedeutet das Wort (metanoein), umkehren durch eine Veränderung unseres Sinns. Jesus nimmt die Frage durchaus ernst. Er will uns nicht die Betroffenheit ausreden. Er will aber genauso wenig uns intellektuell befriedigen. Im Blick auf die Erschlagenen und vom Unglück Getroffenen sollen wir uns selbst sehen und uns selbst fragen: Was folgt für mich daraus. Was immer der "Sinn" des Unglücks sein mag, die wichtigere Frage ist: Wie reagiere ich mit meinem Leben?
  • Und da, meint Jesus, drängt die Zeit. Wir können nicht einfach weiter machen wie bisher. Drei Jahre schon steht der Feigenbaum auf dem fruchtbarsten Boden. Dies ist das Gleichnis, das Jesus für die Situation findet. Drei Jahre sind Zeit genug für einen Feigenbaum, um die Früchte hervorzubringen, die der Besitzer selbstverständlich von einem Baum erwartet, der den wenigen guten Boden aussaugt. Dieser Baum aber bringt nichts.
    Gegen den Automatismus des "Fruchtlos - abhacken" schildert Jesus die Mühe, die der Gärtner aufbringen will. Er will den Boden noch einmal auflockern und düngen. Er will alles machen, dass dieser Baum noch einmal Früchte bringt. Dafür schindet der Gärtner beim Besitzer des Gartens noch ein Jahr Zeit heraus. Etwas Zeit bleibt noch - um Frucht zu bringen.
  • Die Fragen, die Jesus gestellt werden, drängen und bedrängen. Jesus aber drängt es viel mehr, Menschen zu verändern und zu erneuern. Wir werden in drei Wochen Karfreitag feiern. Dann wird Zeit sein, über den Sinn von Schicksal nachzudenken. Jetzt aber drängt die Zeit: dass wir unseren Geist und unser Leben erneuern. Amen.