Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Fastensonntag Lesejahr B 2024 (Exodus)

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3. März 2024 - St. Peter, Sinzig

1. Heilige Regeln

  • Klare Regeln. Eindeutige Lösungen. Kein Drum-Herum-Reden. Es gibt eine große Sehnsucht nach klaren Regeln - zumindest für andere. NIcht nur in der Religion, auch in der Politik gibt es diese Hoffnung, die komplizierte Welt durch klare Regeln und Anweisungen einfacher zu bekommen. Heilig und unantastbar müssten diese Regeln sein - so, wie es angeblich früher immer war.
  • In diesem Spannungsfeld bewegt sich der Auftritt Jesu im Tempel von Jerusalem, von dem, auf seine besondere Weise, im heutigen Evangelium Johannes berichtet. Einerseits lässt Jesus keinen Zweifel daran, dass dieser Tempel heilig ist, das Haus Gottes: Er wirft alle hinaus, die ihn zur Markthalle ihrer Interessen gemacht haben. 
  • Gleichzeitig stellt sich Jesus in die Mitte des Tempels. Was hier aus Stein gebaut ist, wird niedergerissen werden. Doch drei Tage später wird dieser Tempel, Gottes Haus unter den Menschen wieder aufgerichtet sein. Der auferstandene Christus ist der neue Tempel. Das ist es ja auch, was wir an jedem Sonntag feiern. Daher geht alles, was den Tempel ausmacht, auf Christus zurück und läuft auf ihn hin. „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, alle Herrlichkeit und Ehre, jetzt und in Ewigkeit“. An keiner Stelle ist das „Amen“ der Gemeinde so wichtig wie hier!

2. Gesetz erfüllen

  • Der Tempel ist das Haus des Bundes, den Gott mit seinem Volk geschlossen hat. Täglich wurde hier laut rezitiert, was die Grundlage dieses Bundes ist. Wir haben es heute in der Lesung gehört. Gott spricht: Ich bin es, der dich aus der Sklaverei des Unrechts geführt hat und der dich nun verpflichtet auf die Zehn Sätze des Rechts! 10 Gebote, dass nichts auf Erden Gott ist und dass das Leben auf Erden Gott heilig ist und daher unter seinem Schutz steht.
  • Jesus Christus ist der neue Tempel. Er hat immer und immer wieder die Grundlage dieses Bundes bestätigt. Darauf sind wir getauft und auf keinen anderen. Der erneuerte Bund bestätigt den ersten Bund, das Neue Testament das Alte Testament: Du sollst Gott lieben aus ganzem Herzen und mit all deiner Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst. Kein Jota, nicht den kleinsten Buchstaben will Jesus am Gesetz des Mose aufheben. 
  • Zugleich aber ist Jesus gekommen, nicht aufzuheben, sondern zu erfüllen. Das bedeutet, dass Gesetze den lebendigen Menschen brauchen, der sie erfüllt. Sonst sind sie tot oder - schlimmer noch - sie töten, weil sie nur als Argument und Waffe gegen andere verstanden werden. An nichts wird das so deutlich wie am Ausbau des 6. Gebotes durch die kirchliche Tradition, die aus dem klaren Verbot des Ehebruchs ein Arsenal an Regeln meinte ableiten zu können, die nichts mit der Bibel, viel jedoch mit einem dem Zeitgeist früherer Epochen verfallenen Menschenbild zu tun haben. Mit nichts konnte man die Menschen so gut mit schlechtem Gewissen dem Gericht der Kirche unterwerfen.

3. Der Gott, der befreit

  • Dabei sind die Zehn Gebote heute so zentral, wie sie es für Jesus waren. Denn sie verweisen alle auf den lebendigen Gott, der sie zur Urkunde seines Bundes mit den Menschen macht. Sein Kennzeichen steht über den Geboten und Verboten dieser Urkunde: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“. 
    Dieser Gott und kein anderer darf fordern, ihm allein zu dienen und nicht vor anderen Göttern oder deren Bildnissen niederzufallen. Der Name dieses Gottes darf nicht missbraucht werden, nicht um Kriege zu begründen, nicht um Ideologien zu verschleiern, nicht um kirchliche Machtinteressen zu begründen, noch nicht einmal, damit Eltern mit der Furcht vor diesem Gott, der alles sieht, ihre Kinder disziplinieren wollen. Der Name des einen Gottes, der befreit, wird dadurch missbraucht. 
  • Die darauf folgenden der 10 Gebote und Verbote sind nicht von dem lebendigen Gott zu trennen.  Das Gebot den Sabbat zu ehren, soll die seit dem Sündenfall Adams drückende Arbeit am 7. Tag durchbrechen, das Gebot Vater und Mutter zu ehren, soll erinnert daran, dass auch jenseits der Arbeit, in der Schwäche des Alters, der Mensch zu ehren ist. Auch das klare Verbot von Mord und Diebstahl ist nicht unter den 10 Geboten, um das Vermögen der Reichen unantastbar zu machen, sondern um die zu schützen, deren Leben und Eigentum in einer Gesellschaft gefährdet ist, in der das Recht des Stärken herrscht. 
  • Im Tempel im Jerusalem wurden die 10 Gebote täglich feierlich vorgetragen. „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ Wenn Christus der für uns wieder aufgerichtete Tempel ist, dann braucht es für uns vielleicht das tägliche Gespräch mit ihm: Statt dem Begehren nach dem Besitz des Anderen - wovon letzten beiden der Zehn Gebote handeln - soll das Begehren des Christen sein, mehr ihm nachzufolgen, ihm nahe zu sein, in ihm, durch ihn und mit ihm das Lob des Vaters zu singen, der aus dem Sklavenhaus befreit. Amen.