Predigt zum 2. Fastensonntag Lesejahr B 2015 (Genesis)
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1. März 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Opfern
- Abraham ist bereit, auf den Befehl Gottes hin seinen eigenen Sohn zu opfern. Die Szene gilt vielen als Beleg, wie gewalttätig und primitiv das Gottesbild der Bibel sei. Wie kann Gott fordern, dass ein Vater seinen eigenen Sohn tötet?
- In der Tat. Wie kann Gott das fordern? Genau diese Frage wirft die Bibel auf. Und sie stößt uns damit vor den Kopf. Denn genau das tun Menschen gerne und oft: Sie opfern andere Menschen ihrem Gott. Dabei ist es sehr verschieden, wer oder was dieses Höchste ist, dem Menschen opfern.
- Zumeist sind es wohl ganz banal die eigenen Interessen, denen wir gerne andere Menschen opfern. Natürlich sind wir zivilisierter und greifen nicht nach dem Messer. Aber das Prinzip ist genau das: Als Menschen achten wir allzu oft den anderen nicht als Wesen eigener Würde und eigenen Rechts, sondern sehen ihn mit kanibalistischen Augen: Wie er mir, meinem Ich, von Nutzen sein kann.
2. Gehorsam
- Der eigentliche Skandal - seien wir ehrlich - ist daher ein anderer. Väter, die ihre Söhne opfern, gelten als Patrioten. Wer in der Lage ist andere zu opfern, gilt als Erfolgsmensch und schafft es in die obersten Etagen. Der Skandal um Abraham ist, dass er seinen Sohn für nichts und wieder nichts opfern möchte, außer für Gott.
- Gleichzeitig weiß Abraham, dass er mit diesem Opfer seine eigene "Zukunft" drangibt. Was Gott versprochen hatte, waren Nachkommen. Isaak ist sein einziger Sohn. Abraham steht da mit nichts als Gottes absurdem Versprechen. Und Abraham scheint bereit, das, was ihm Gottes Willen zu sein scheint, auszuführen.
- Was bleibt ist daher ein Mann, der ganz von sich absieht. Er lässt sich von Gott dazu verführen, alles dran zu geben. Diese Geschichte, die das Buch Genesis erzählt, wurde zu immer vor allem als große Parabel verstanden. Wir können die Meditation der Szene als Geistliche Übung sehen, wie Ignatius sie klassisch in den Exerzitien empfiehlt: Nicht als Handlungsanweisung, denn ethisch ist das hier erzählte sicher nicht, sondern als Meditation meiner letzten Bereitschaft, auf Gott zu vertrauen.
Und zugleich ist es eine Erzählung, die ein falsches Gottesbild entlarvt, weil am Ende Gott eben nicht will, dass Menschen einander opfern. Aber um das mit der letzten Faser meiner Existenz zu verstehen, muss ich mich von der Bibel in diese Meditation führen lassen.
3. Offenbarung
- Das Evangelium sieht Jesus auf dem Berg mit Mose und Elia sprechen. Ob sie dabei wohl auch über Abrahams Opfer sprechen? Auf jeden Fall ist das, was die drei Jünger, die Jesus begleiten, sehen, nichts das sie festhalten können. Es ist ein Ausblick, ein Vorausblick, der ihnen offenbart wird, damit sie verstehen was kommt. Was der Glanz dieses Augenblickes ist, werden sie erst verstehen, wenn sie vom Kreuz geflohen sind und ihren Meister verleugnet haben.
- Der Weg, den Jesus führt, führt ihn in die letzte Hingabe. Im Abschnitt vor der Verklärung hatte Jesus versucht seinen Jüngern klar zu machen: "Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten." Das Wort ließe sich übertragen: Wer andere für seine Interessen opfert, handelt gegen seine Interessen, wer für andere sein Leben drangibt, wird das Leben in Fülle finden.
- Das ist eine Zumutung. Aber es ist ein unermessliches Geschenk, dass Gott für uns genau diesen Weg gegangen ist. Er hat in Christus sein Leben dran gegeben.
Wir stehen noch am Beginn der Zeit, die auf die Karwoche und Ostern zu führt. Da dürfen wir einen Blick auf die Herrlichkeit dieses Weges tun. Er beginnt bei Abraham, der am äußersten Rande des Glaubens letztlich doch Gott vertraut. Es führt hin zu Jesus, dessen Leben nicht zu verstehen ist, ohne seine Beziehung zu Gott, dem er vertraut und den er seinen Vater nennt. Und es führt hin zu uns, die wir eingeladen sind, an diesem Vertrauen teilzuhaben, weil darin so viel mehr Herrlichkeit aufscheint, als in darin, andere zu Opfern meiner Interessen zu machen. Amen.