Predigt zum 1. Fastensonntag Lesejahr C 2004
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29.02.2004 - Gießen, Hochschulgottesdienst St. Bonifatius
1. Gerechtigkeit und Heil erlangen
- Nicht "zugrunde gehen", sondern "gerettet werden".
Zwei Mal ist in dem kurzen Abschnitt aus dem Römerbrief von "Rettung"
die Rede. Solange wir an der
Reling des Kreuzfahrtschiffes stehen, ist unser Bedarf an Rettung
überschaubar. Einen Rettungsring braucht es doch nur in dem seltenen
Fall, dass einer über
Bord geht oder dem noch selteneren Fall, dass das ganze Schiff
untergeht. Ist das die Situation?
- Paulus würde sagen: Ja. Zum einen steht das Leben, das wir führen, auf ziemlich wackligen Füßen. Leicht können wir "zugrunde gehen", wenn
wegfällt, was uns sonst so sicher macht, und wir mit Leiden konfrontiert werden.
- Und
vor allem steht unser Zusammenleben auf äußerst schwachen Beinen. Die
Geschichte und Gegenwart ist voll von Erfahrungen, wie schnell der
dünne Firnis der Zivilisation zerreißt, wie schnell aus Zusammenleben
Gegeneinanderleben, aus Freundschaft Feindschaft, aus Ordnung Chaos
wird.
- Zum anderen greift Paulus weiter aus, wenn er nicht will, dass wir "zugrunde"
gehen. Er meint die Rettung aus einer Existenz, die recht oder schlecht
nur ein paar Jahrzehnte dauert. Er verkündet ein Leben, das hier
beginnt und durch den physischen Tod nicht zerstört werden kann, weil
es ewiges
Leben ist.
- "Gerechtigkeit und Heil erlangen"
ist ein Ausdruck, den wir alltäglich nicht gebrauchen. Aber das Gespür
dafür, dass unserem Leben ein rechtes Verhältnis zu
Gott und zu einander Not täte, ist zu allen Zeiten vertraut. Und wer
hätte nicht eine Vorstellung davon, was Heil und Unheil, Verletzung und
Heilung
bedeutet?
2. An ihn glauben
- Herz und Mund sind an der Rettung beteiligt. "Wenn du mit deinem Mund bekennst: «Jesus ist der Herr» und in deinem Herzen glaubst: «Gott hat ihn von
den Toten auferweckt», so wirst du gerettet werden." Das mit dem Herzen leuchtet unmittelbar ein. Ein Glaube, der nicht das Herz erreicht und nicht von
Herzen kommt, kann nicht anders als oberflächlich sein. Gewohnheitsglaube ist fragil. Es braucht das Herz.
- Erstaunlicher
ist das Bekenntnis mit dem Mund. Paulus scheint für ebenso bedeutsam
wie den Glauben im Herzen das Bekenntnis des Mundes zu halten. Das
hat mit dem Inhalt dessen zu tun, was da bekannt werden soll: "Jesus ist der Herr".
Es ist ein Irrtum zu hoffen, die Frage, wer "Herr" über mein Leben sei,
könne privat gehalten werden. Herrschaft ist immer eine öffentliche
Sache. Nur diejenigen versuchen ihre Herrschaft über andere Menschen zu
"privatisieren",
die ihre Herrschaft verheimlichen wollen. Nicht nur in Diktaturen,
sondern auch in anderen Gesellschaftsformen - ja im engsten Freundes-
und Familienkreis
gibt es die "Schweigespirale", mit der "Herrscher" sich unangreifbar
machen. Niemand redet darüber, und so bleiben die Herren Herren und die
Knechte
Knechte.
- Ich kann im stillen Winkel meines Herzens daran
glauben, dass Jesus ein frommer und lieber Mensch ist. An Jesus glauben
bedeutet aber, ihn als Herrn über
mein Leben anzuerkennen. Dies ist zugleich ein Bekenntnis und ein
Schutz. Denn damit verweigere ich anderen "Herren" diesen Anspruch über
mein Leben.
Das Bekenntnis zu Jesus Christus, dem Herrn, macht Gott in unserem
Leben wirkmächtig, denn er verpflichtet mich zu einem Lebenskonzept,
das tiefer geht,
und verbindet uns in der Überzeugung, dass nicht Reichtum und Macht,
sondern Gottes Liebe den Tod überwindet.
3. Jeder, ohne Unterschied (Dieser Teil kann entfallen)
- Diese Botschaft lässt sich nicht exklusiv halten. Die
Gesetze des Alten Testamentes waren beschränkt auf die Menschen des
Volkes Israel. So sehr diese
Gesetze auch ins Herz geschrieben sind, sie richten einen Unterschied
auf zwischen Juden einerseits und andererseits den Menschen aus anderen
Völkern.
Paulus spricht im Römerbrief mit Hochachtung von der jüdischen
Tradition und versteht sich selbst als Teil derselben. Der Glaube an
Jesus Christus aber geht
weiter.
- Wir können uns Jesus Christus nicht als eigene
Leistung zugute halten und andere außen vor lassen. Denn keiner von uns
ist vom Himmel herabgestiegen und
hat uns die Nähe Gottes gebracht. Keiner von uns ist in den Abgrund des
Todes gestiegen und hat dadurch den Tod überwunden. Gott war es, der
durch die
Menschwerdung in Jesus Christus ein Faktum in die Welt gesetzt hat und
seinen Tod in der Auferstehung überwunden hat. Gott hat dies nicht
exklusiv für uns
getan, sondern für alle Menschen. Gott will, dass jeder gerettet wird.
- "Wer an ihn glaubt, wird nicht zugrunde gehen."
Wer an ihn glaubt, wird nicht mehr gefangen sein im Unterschied von
Völkern, Rassen, Geschlechtern,
Gesetzesordnungen. Wer an ihn glaubt, wird in Jesus Christus die Stimme
Gottes hören, seine neue Gerechtigkeit kennen lernen, Kraft bekommen,
nicht
unterzugehen in der Not. Das alles sind große Worte. Es ist aber auch
eine Verheißung, die ein Gesicht und einen Namen hat: "Jesus ist der Herr". Amen.