Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 1. Fastensonntag Lesejahr B 2000 (Genesis)

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12. März 2000 - Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt Slavgorod (Altai/Sibirien)

1. Der Bund

  • Es lohnt sich, darauf zu achten, welche Wörter in der Heiligen Schrift öfters vorkommen. Jedem, der heute aufmerksam die erste Lesung gehört hat (!), ist das sicher aufgefallen. Vier Mal in der Lesung aus dem Buch Genesis und dann jedes Mal im Antwortpsalm taucht ein Wort auf - "Bund". Es ist von dem Bund die Rede, den Gott mit den Menschen schließt, und von dem Zeichen, das Gott für diesen Bund an den Himmel setzt, dem Regenbogen.
  • Vorangegangen war die große Flut. Die Sünde der Menschen hat die Erde überschwemmt und alles vernichtet: Nicht nur das Leben der Menschen, sondern alles Leben auf der Erde. Die Flut hat die ganze Erde bedeckt. Wahrscheinlich bewahrt die Erzählung von der Sintflut die Erinnerung an Überschwemmungen, so katastrophal, wie es derzeit die Menschen im südlichen Afrika erleben müssen.. Aber in der Erzählung der Hl. Schrift ist klar: Es ist die Ungerechtigkeit der Menschen, die die Erde überflutet und das Leben zerstört. Daher ist es auch der eine Gerechte, Noach mit seiner Familie, zu dem Gott spricht und der auf Gott hört. Zu seiner Aufgabe wird es, die Arche zu bauen und das Leben zu retten. So wird die Sintflut zur Reinigungs-Flut, mit der die Ungerechten untergehen und die Erde gereinigt wird, damit Gott mit dem Gerechten einen neuen Anfang setzen kann, eben seinen Bund.
  • Dunkle Wolken hatten sich über die Erde ergossen und alles vernichtet. Gott aber schließt mit Noach und damit mit der ganzen Menschheit den Bund. Wenn sich wieder dunkle Wolken über der Erde zusammenballen, dann setzt Gott sein Hoffnungszeichen dagegen, das Bundeszeichen, den Regenbogen. In dieser Erzählung vom Bund Gottes mit Noach ist die ganze Hoffnung des Menschen vorabgebildet.

2. Neuer und Alter Bund

  • Noch einmal wird in dieser Hl. Messe vom Bund die Rede sein. Nachher, wenn das Hochgebet an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern erinnert, wird Jesus sagen: Nehmt und esst alle davon, nehmt und trinkt, denn das ist der Neue Bund in meinem Blut. Leider benutzen wir im Deutschen zwei verschiedene Wörter für ein und die selbe Sache. Im Russischen ist es genauso wie in der Sprache des Evangeliums ein Wort, saviet (Griechisch: diateke). Dies ist der Bund/das Testament, in dem die Eltern den Kindern das übergeben, was sie sich in einem langen Leben erarbeitet haben. Es ist ein Bund, der Menschen fest miteinander verbindet, über die Schwankungen unserer Beziehung hinaus.
  • Einen solchen Bund hat Gott mit seinem Volk Israel am Sinai geschlossen. Hier wurde zum ersten Mal der Bund unter dem Zeichen des Regenbogens mit einem Volk geschlossen. Gott bindet sich an das Schicksal eines Volkes und geht mit seinem Volk. Wenn sich dunkle Wolken zusammenballen - bleibt doch das Zeichen des Regenbogens. Wenn das Volk den langen, mühsamen Weg durch die Wüste zieht, unterwegs zum gelobten Land - bleibt doch das Zeichen des Wassers, das aus dem trockenen Felsen geschlagen wurde.
  • Wir Christen sprechen vom "Alten Bund" (starje saviet), wenn wir den Bund Gottes mit seinem Volk am Sinai meinen. Das Buch dieses Bundes ist das "Alte Testament" (starje saviet). Wie der Regenbogen aber die ganze Welt umspannt, so hat sich auch dieser Bund mit dem einen Volk geöffnet für alle Völker, da Gott Mensch wurde. Der Bund im Abendmahl, in Brot und Wein, in Fleisch und Blut, ist der "Neue Bund" (novje saviet).

3. Die Flut und der Bund

  • Es ist Gott, der diesen Bund den Menschen anbietet. Gott macht sich keine Illusionen über den Menschen. Er kennt die Sünde, er kennt die Wankelmütigkeit und das Murren, er hat am eigenen Leibe erfahren, was Menschen einander antun. Immer wieder bringen Menschen eine Sintflut, die Flut der Sünden über die Erde. In Westeuropa ist es häufig der Flut der Dinge, die die Menschen besitzen und verbrauchen, die das Leben ersticken. Die Sintflut kann aber auch die Flut des Stolzes sein, die Flut des Hochmuts, die Flut der Hartherzigkeit, die Flut der Lüge und der Gewalt. Diese Flut droht sich über die Welt zu ergießen. Und die Menschen sind in Gefahr taub zu sein für Gottes Wort und blind für Gottes Bund.
  • Dann sind es Zeichen, die uns erinnern können, dass die Flut nicht das einzige ist. Gott hat zugesagt, dass die Flut der Schuld nie wieder die ganze Erde vernichten soll, und hat über den dunklen Wolken das Zeichen des Regenbogens an den Horizont gemalt. Solche Zeichen der Hoffnung und des Bundes haben wir durch das Leben Jesu auch heute: Das Zeichen des Kreuzes in unserer Wohnung. Vor allem aber haben wir die Zeichen, in denen Gott seinen Bund jedesmal mit einem Menschen und mit seinem Volk eingeht, das Wasser der Taufe und das Brot der Eucharistie. (Der Brief des Hl. Petrus, den wir als Lesung gehört haben, vergleicht daher die Taufe mit der Sintflut und dem Bund Gottes mit Noach).
  • Mit diesem Bund überfällt uns Gott nicht wie die Steuerbehörde den Bürger - Gott bietet sich der Freiheit des Menschen dar. Daher wird dieser Bund nur wirksam, wenn auch wir auf Gott zugehen. Noach hat auf Gott gehört und die lebensrettende Arche gebaut. Das Volk Israel hat sich auf den mühsamen Weg durch die Wüste gemacht. Daran erinnern auch die Vierzig Tage, die Jesus in der Wüste sich auf seine Verkündigung vorbereitet. Die Vierzig Tage der Fastenzeit sind für uns dieser Weg. Für diejenigen unter Ihnen, die an Ostern getauft werden, ist das der Weg hin zum Wasser der Taufe. Aber auch wir, die wir getauft sind, gehen diesen Weg, jedes Mal, wenn wir die Kirche betreten: Wir gehen durch den Eingangsbereich der Kirche, bis wir uns mit dem Weihwasser bekreuzigen und uns so an unseren Eintritt in die Kirche bei unserer Taufe erinnern. Mit den Taufbewerbern halten wir die vierzig Tage der Fastenzeit, um in der Osternacht unsere Taufe zu erneuern: Gottes Bund mit uns Menschen. Amen.