Predigt zu Weihnachten am Abend 2022 (Matthäus)
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24. Dezember 2022 - Sinzig-Franken
1. Ein Wunder
- Da hat sich etwas ereignet. Da ist etwas geschehen. An Weihnachten ist damals im unscheinbaren Bethlehem Bewegung hineingekommen in eine in ihren Routinen festgefahrene Welt. Das genaue Datum kennen wir nicht – in den meisten Zeitaltern wurden nur von den Herrschern das Geburtsdatum der Nachwelt zu verkündet. Von der Geburt armer Leuten macht niemand viel Aufhebens.
- Aber weil sich in der unscheinbaren Geburt, als Maria einen Sohn zur Welt brachte, etwas Weltbewegendes ereignet hat, ist es richtig, dies an einem bestimmten Datum zu feiern. Der 25. Dezember des Westens ist dafür ebenso gut wie der 7. Januar im Osten der Christenheit (und kluge Ukrainern ist das Fest groß genug, um es zwei Mal zu feiern) .
Es war eine gute Entscheidung, dass die frühen Christen in ihren Gottesdiensten begonnen haben, Geschichten zu erzählen. Sie bringen die tiefe Wahrheit dieses Ereignisses ins Licht: Ein Kind geboren fern der Heimat, doch in der königlichen Stadt Betlehem. Im Stall, weil in der Herberge kein Platz für sie war. Den Armen und den Hirten offenbart, von den Weisen aus der Ferne verehrt. Die Seinen nahmen ihn nicht auf. Dennoch: "Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr!"
- Es war auch damals eine Zeit, in der viele Menschen mit dem bedrückenden Gefühl lebten, dass alles bleibt, wie es ist. Das Räderwerk dieser Welt läuft nach eigenen Gesetzen. Seuchen und Kriege gehören dazu, soweit Menschen zurückdenken können. Nichts, das man tun könnte. Dagegen setzen die Christen ihre Erfahrung: Es ist ein Wunder geschehen! Das Wunder der Geburt Gottes als Menschenkind.
2. Das Dogma vom Fortschritt
- Ein Wunder, das die Gesetzmäßigkeit der Welt durchbricht, ist in der Neuzeit vielen entbehrlich. Es wurde durch das Wunder des gesetzmäßigen Fortschritts ersetzt: Alles werde immer besser, effizienter, gerechter, friedlicher, fehlerfrei. Auch viele Christen haben sich vom Dogma der Aufklärung, es gebe einen gesetzmäßigen Fortschritt, verbieten lassen, den unzähligen Erfahrungsberichten nicht nur früherer Generation Vertrauen zu schenken. Wunder seien Ammenmärchen, Symbolerzählungen, nicht so wörtlich zu nehmen. Und sicher, viel Schindluder mit Wundererfahrungen hat das Dogma vom unmöglichen Wunder anscheinend nur bestätigt.
- Damit ist aber auch Weihnachten kein Wunder mehr. Was bleibt ist der Scherbenhaufen des angeblichen Fortschritts. Uns in Deutschland – und auch hier galt das nie für alle! – schien es immer besser zu gehen. Wachstum, Konsum und höchste Sensibilität im Umgang mit allen und jeden. Von Balkonien nach Bali, von der Margarine zur Diätbutter, von der Samstags-Badewanne zur täglichen Dusche, vom Käfer zum Audi, vom Sonntagsbraten zum täglichen Fleisch. Vom eingefrorenen Weihwasserbecken zur geheizten Kirche und zum modernen Pfarrheim. Und so weiter.
- Doch nachdem wir die Kehrseiten von Ausbeutung der Natur, der Rohstoffe und der Kolonien verdrängt haben, nachdem wir die Millionen Toten unserer europäischen Kriege vergessen haben, wachen wir allmählich auf. Die Generation der heute jungen Menschen hat keine Illusionen darüber, welche Welt wir ihnen hinterlassen. Menschen aus der Ukraine, aus Syrien und Somalia leben hier und konfrontieren uns mit der Wirklichkeit – Und über alle dem immer noch die alte Ideologie, dass es das Wunder nicht geben könne, das sich inmitten dessen ereignet.
3. Ein Kind geboren
- Das Wunder der Geburt Gottes aus einer Frau und ohne leiblichen Vater ist für mich glaubhaft, weil es Gottes Weise ist, unsere starren Dogmen und Gesetzmäßigkeiten zu durchbrechen.
- Es gibt Fortschritt: Krieg kann überwunden, Ausbeutung gestoppt werden. Aber dies geschieht nicht nach einem Gesetz des Fortschritts, wie uns die Ideologie der er ach so liberalen westlichen Welt hat glauben machen. Am Anfang steht vielmehr immer jemand, die oder der in die Speichen des Rades greift. Das Wunder, das Gottes Geist wirkt, und das Wunder, das von diesem Geist erfüllte Menschen wirken sind sich nicht unähnlich. Sie lassen sich nicht durch die beeindrucken, die erklären, wissenschaftlich betrachtet sei dies nicht möglich.
- Und bei all dem ist Weihnachten nicht nur das weltbewegende Wunder, sondern zugleich ein neugeborenes Kind. Nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott ist dieses Wunder geboren. Und Jahr für Jahr lassen sich Menschen davon berühren. Menschen fassen Vertrauen. Die Welt verändert sich. Das Wunder geschieht.