Predigt zu Weihnachten am Abend 2006 (Matthäus)
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24.12.2006 - Oberschwappach/Knetzgau
1. Stammbaum
- In dieser Nacht feiern wir die Überschrift über das Leben Jesu.
Wie ein guter Buchttitel andeutet, was das Buch enthält, so ist das Weihnachtsfest
der Titel für Jesus, den man den Christus nennt - das griechische Wort
bedeutet "der Gesalbte", hebräisch "der Messias". In
dieser Nacht feiern wir den Beginn seines Lebens unter uns auf Erden. Das
ist die geweihte Nacht.
- "Stammbaum Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams",
steht über dem Evangelium an Heilig Abend. Dieser Stammbaum, das Buch
seiner Herkunft, wird uns verkündet als Schlüssel zum Verstehen,
wer Jesus ist. Er ist der Sohn Davids, des Königs von Israel und der
Sohn Abrahams, des Vaters aller Völker. Die vielen Namen - drei mal vierzehn
- machen deutlich, dass Jesus verbunden ist mit diesen beiden Gestalten der
Bibel. Und wie die ganze Bibel so wird auch hier angedeutet: die Verbundenheit
Gottes mit dem Volk der Juden in König David und der Segen für alle
Völker der Welt in Abraham.
- Jesus ist verbunden mit seiner Herkunft, und doch beginnt etwas Neues. Denn
am Ende des Stammbaums steht "Josef, der Mann Marias; von ihr wurde Jesus
geboren". Gott baut mit seinem Plan für unser Heil auf der Geschichte
auf, in der Gott sein Volk berufen und geführt hat. Und doch steht am
Ende das Neue, das zum Anfang wird: Maria erwartet ein Kind "durch das
Wirken des Heiligen Geistes". Gottes Geist selbst bewirkt das Neue.
2. Alt und Neu
- Zwischen Alt und Neu steht jeder Mensch. Auch wer als Waise geboren wird,
trägt die Gene seiner Vorfahren in sich. Viele kennen die Erfahrung,
dass sie mit zunehmenden Alter den eigenen Vater oder die eigene Mutter in
sich selbst wieder finden. Durch genetische Codes, durch Sprache und Kultur
sind wir vom Alten geprägt. Und doch will der Mensch sich selbst entwerfen,
sich selbst finden und Neues in seinem Leben schaffen. Jeder Mensch.
- Zwischen Alt und neu stehen wir als Christen. Zunächst wie jeder Mensch
auch. Dann aber noch einmal ganz anders durch die Taufe. In der ersten Geburt,
der biologischen, sind wir geboren als Kinder unserer Eltern und Bürger
unseres Staates. In der zweiten Geburt, der Wiedergeburt durch die Taufe,
wurden wir angenommen als Kinder Gottes und Bürger im Reich Gottes. Wir
haben gleichsam zwei Stammbäume. Den einen muss jeder für sich aus
seiner Familienchronik zusammenstellen. Den anderen haben wir gemeinsam als
Schwestern und Brüder Jesu.
- Vor allem aber feiern wir in dieser Nacht das Neue. Wir feiern, dass Gott
aus dem Stammbaum einer Geschichte, die viele knorrige Äste und manchen
morschen Zweig aufweist, durch seinen Heiligen Geist etwas bewirkt, das viele
erhofft haben und sich doch so ganz anders erfüllt hat. Erhofft wurde
ein mächtiger König, der zu den Waffen ruft. Gott ist gekommen als
Kind im Stall, das das Ende am Kreuz schon ahnen lässt.
3. Weihnachten
- Das Matthäusevangelium stellt Joseph in den Mittelpunkt der Geschichte
von Geburt und Kindheit Jesu. Der Umstand, dass Maria durch den Heiligen Geist
empfangen hat, ja, auch die Geburt selbst werden fast nur am Rande, in einem
Nebensatz erzählt. Das mag vielen zu nüchtern sein. Aber vielleicht
ist es das bessere Evangelium für uns, damit Weihnachten nicht im Kitsch
versinkt, sondern wirklich zur Feier der Befreiung werden kann. Denn das Matthäusevangelium
lässt Weihnachten auf diese Weise viel mehr geborgen sein in der Unfassbarkeit
des Geheimnisses Gottes.
- Unfassbar ist all das auch für Joseph. Sicher, er war ein frommer Jude.
Sicher, er war ein gerechter Mann. Sicher, er hatte auch seinen Traum vom
Glück, war er doch fest verlobt und zur Heirat versprochen mit Maria.
So kann man erahnen, was in ihm vorging, als Maria schwanger war - und das
offensichtlich nicht von ihm. Joseph sieht seinen Lebenstraum platzen. Und
was das Evangelium sagt, dass er "gerecht" war, wird deutlich, als
er nicht auch noch durch einen öffentlichen Skandal Maria und ihre Eltern
mit hinabreißen will.
- Weihnachten ist ein Traum. Es ist der Traum, in dem dem Joseph von einem
Engel gesagt wird, er soll Maria zu sich nehmen und das Kind annehmen, das
sie in sich trägt. Weihnachten ist die Erfüllung eines Traumes,
in dem ein Mann, dessen eigener Traum vom Glück zu Ende schien, von Gott
her etwas Neues und unfassbar Größeres offenbart wird. Weihnachten
ist die Erfüllung des Traumes, den Gott für uns Menschen hat. So
manches, das wir uns selbst ausgemalt und erhofft haben, wird nicht erfüllt
werden. Aber Gott sendet seinen Engel zu uns, um uns zu sagen: Nehmt das Kind
aus dem Stall in Betlehem an. Es kommt aus der langen Tradition meines Volkes
Israel. Und doch beginnt etwas Neues. Nehmt diese Kind an und gebt ihm den
Namen Jesus: denn Gott wird in ihm uns alle befreien von der Last unserer
Geschichte und uns führen in das Licht seines Heiles. Amen.