Predigt zu Weihnachten am Tag 2022
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25.12.2022 - St. Peter, Sinzig
1. Licht und Leben
- "In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst." Und "Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt." – Das Johannesevangelium versucht, das Wunder der Weihnacht in der Metapher des Lichtes zu fassen. Das erinnert an das Alte Testament. Und wenn später Künstler versucht haben, das Bild vom Stall in Betlehem zu gestalten, ist da immer ein Licht, das von der Krippe ausgeht.
- Bei uns ist es schon einige Zeit ein Aufwand, das Licht zu sehen. Wir müssen erst all die elektrischen Lichter abschalten, um zu sehen, wie unbegreiflich schön das Licht einer Kerze ist. Die Bilder aus der Ukraine zwingen uns derzeit, daran zu denken, dass unsere Lichtverschwendung nicht normal ist. Längst hat die Diskussion darüber begonnen, was wir uns damit antun, wenn wir in den Städten die Nacht elektrisch zu beleuchten. Heute wissen wir, dass wir nicht nur unseren Biorhythmus damit stören, sondern in ökologische Systeme eingreifen, von denen das Leben auf diesem Planeten abhängt. Da bekommt das Zitat aus Johannes einen neuen Klang: "Das Leben ist das Licht der Menschen".
- Doch in der vergangenen Nacht, wurden überall die elektrischen Lichter heruntergefahren, damit wir das eine Licht begreifen können, das der Menschheit in dieser Nacht geschenkt wurde. Das Licht, das aus einem armen Stall die Welt überstrahlt. Das ist es, was wir heute feiern. Die Christen der Antike haben recht darin getan, dieses Fest in die Tage zu legen, in denen das Licht des Tages anwächst. Denn wir feiern die Hoffnung auf das Licht, das unter uns mächtig wird.
2. Licht des Ursprungs
- Es gibt das Licht, das wir sehen. Und es gibt das wir nicht sehen. Damit meine ich noch nicht einmal die physikalische Theorie, dass alle Materie mit Licht verbunden ist – Energie, die wir mit unseren Augen nicht sehen, die aber daran erinnert, dass Gott alles in allem ist. Nein, es gibt das Licht, das wir nicht sehen, weil es uns so selbstverständlich ist: Das Licht, durch das wir alles andere sehen.
- Es ist doch so: Ich denke, wenn ich durch den Tag laufe, nicht daran, dass es Licht braucht, all das zu sehen. An die Quelle des Lichtes denke ich zumeist nicht – und bin geblendet, wenn ich hineinschaue. Daher die Erfahrung: Das höchste Licht kann keiner von uns schauen. Würden wir Gott direkt sehen, wir würden mehr als nur das Augenlicht verlieren, davon ist die Bibel überzeugt (Num 4,20). Doch in seinem Licht können wir alles andere sehen.
- "Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt." Dieser Satz aus dem Evangelium hat daher einen doppelten Sinn. Weil Gott arm wird, können wir ihn schauen. Weil das Licht des Lichtes ein Mensch wird, können wir es schauen und uns von ihm erleuchten lassen. Wir können zur Krippe gehen, sie nicht nur erforschen und die Details bestaunen, die dort mit Fleiß gestaltet wurden. Wir können die Krippe anschauen und meditieren, ganz in die eigene Stille und Tiefe tauchen, um dieses Licht zu schauen. Um von diesem Licht erleuchtet zu werden.
3. Licht von der Krippe
- Doch es ist auch das andere. Das wahre Licht macht jeden, absolut jeden Menschen sichtbar im göttlichen Licht. Die Menschen im Licht Gottes zu sehen, ist vielleicht die wichtigste Aufgabe unseres ganzen Lebens.
Wir können alles im Licht unserer Interessen sehen. Ein schales, gieriges Licht. Ein Licht, das nur darauf schaut was der Andere nützt, wozu Menschen verwertbar sind, was ihre Kaufkraft ist. Das ist das künstliche, aufdringliche Licht. Ein Licht, das am liebsten alle Winkel beim Anderen ausleuchtet, um alles bestimmen, alles kontrollieren, alles mir dienstbar machen zu können. Es ist – mit der Bibel gesprochen – eben nicht das wahre Licht, sondern das falsche.
- "Glanz strahlt von der Krippe auf" heißt es in der Übersetzung des antiken Weihnachtshymnus von Ambrosius. Luther übersetzte: "Dein Krippen glänzt hell und klar". Das ist eben nicht nur das milde Licht der Kerze, das beschauliche Licht der Laterne, das wir anschauen. Es ist auch ein Licht, das von uns fordert, von nun an, alles und alle in diesem Licht zu sehen. Die Welt und die Dinge und vor allem die Menschen können wir neu und anders sehen, wenn wir sie in diesem Licht schauen: Dass Gott selbst Mensch geworden ist. Wir hätten es wissen können, denn wir sind bereits nach seinem Angesicht geschaffen. In diesem Angesicht werden wir auch dazu befreit, uns und jeden Menschen im Licht Gottes zu sehen. Es ist das Licht, das aufstrahlt von der Krippe und jeden Menschen erleuchtet.
- Deswegen ist das letzte Kriterium, an dem wir das wahre Licht erkennen die Freude. Wenn uns nicht nur vorübergehend Gefühle überschwemmen, sondern das Herz getragen wird von einer Freude – wie wir sie am ehesten kennen, wenn ein Kind freudig begrüßt wird in dieser Welt – dann ahnen wir, dass es das Licht von Weihnachten ist, das uns diese Freude schenkt: Gottes Gegenwart in der Welt.