Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Weihnachten am Tag 2012

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25.12.2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Das Seine

  • Um Weihnachten herum sind die Züge voll. Manche fliehen in die Ferne. Viele aber fahren 'nach Hause', wo immer das ist. Längst ist deswegen Weihnachten nicht nur ein Fest der Christen. Selbst manche Muslime feiern hierzulande Weihnachten in ihren Familien. Wer allein in der Fremde ist, mag an Weihnachten die Seinen besonders vermissen. Selbst die Weihnachtsflüchtlinge, die dieser Tage in ferne Länder fliegen, tragen wohl unterschwellig etwas von der Weihnachtssehnsucht mit sich, die so völlig säkularisiert scheint.
  • Und doch ist genau diese weihnachtliche Sehnsucht nach Heimat ein Kernstück des christlichen Glaubens. Wir finden das Stichwort nicht bei den Evangelien, die von der Geburt Jesu berichten, sondern in dem Stück, das wir heute aus dem Johannesevangelium gehört haben. In unserer Übersetzung ist es fast verschüttet. Es heißt dort vom lebendigen Wort, dem logos Gottes: "Er kam in sein Eigentum", wörtlich aber: "Er kam in das Seine". Eben dieser Ausdruck ist es, den das Griechische, die Sprache der Evangelien, verwendet, wenn es von Heimat spricht.
  • In diesem sprachlich dichten und steilen Anfang des Johannesevangeliums, dem Prolog, klingt der überraschende Gedanke an: Wenn Gott in die Welt kommt, geboren im Stall von Betlehem, dann kommt Gott in seine Heimat, den Ort, der zu ihm gehört. Für den Bibelkundigen sollte es eigentlich nicht überraschend sein, denn immer wieder ist dort von Gottes Sehnsucht und Liebe zur Welt der Menschen die Rede. Die Wende vom Alten Testament zum Neuen Testament ist so betrachtet: Dass Gott sich seine uralte Sehnsucht erfüllt, wenn er unter den Menschen sein Zelt aufschlägt. Die weihnachtliche Sehnsucht Gottes.

2. Ablehnung

  • Wird sich die weihnachtliche Sehnsucht erfüllen? Ist die Heimat so, wie sie in Erinnerung ist? Oder kann es gar sein, dass einer in seine Heimat zurückkehrt, und ihm dort die Türen verschlossen bleiben? Die Einladung war da: Komm, besuche uns an Weihnachten mal wieder! Aber wenn dann der Gast da ist, wird er kritisch beäugt. Er ist ganz anders, als ihn die Leute daheim sich gewünscht hatten. Er passt nicht mehr rein. Er wird mal freundlich, mal desinteressiert, mal aggressiv der Türe verwiesen.
  • "Er kam in das Seine", heißt es im Evangelium, "aber die Seinen nahmen ihn nicht auf". Das Lukasevangelium erzählt es plastisch: "weil in der Herberge kein Platz für ihn war". Die Menschen hatten voll Sehnsucht nach Gott gerufen. Aber als Gott gekommen ist, war kein Platz für ihn.
  • Und doch entscheidet sich Gott in seine Heimat unter den Menschen zu kommen, auch wenn nur ein Futtertrog bleibt, und nur ein paar arme Hirten ihn auf Erden begrüßen.

3. Die Seinen

  • Es sind diese Hirten, um derentwillen Gott sich in seinem Sohn aufgemacht hat. Im Johannesprolog heißt es dazu: "Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden". Die Hirten stehen für die Menschen, deren Welt nicht so festgelegt ist, dass der weihnachtliche Gast nicht mehr hineinpasst.
  • Gottes Menschwerdung schafft also neue Heimat. Nicht diejenigen, die immer schon als "die Seinen" galten, sind Gottes Heimatvolk, sondern die, die mit ihm neu anfangen Mensch zu werden. Das ist die Weise, wie Gott sein Licht in unsere Welt bringt. Er selbst wird Mensch, aber ganz anders, als die Menschen - auch das Volk Gottes - es sich zurecht gemacht haben. "Das Seine" Gottes, seine Heimat auf Erden, ist dort, wo Menschen sich seiner Liebe öffnen und einander annehmen, ohne auf Stand oder Herkunft zu achten. Diese werden zur Familie Gottes, "Kinder Gottes".
  • Wir feiern mit einander Weihnachten. So manche sind von weit her gekommen, um mit ihrer Familie diese Tage zu feiern. Ich hoffe, dass ihre Hoffnung und Sehnsucht sich an diesem Fest erfüllt hat. Mehr aber noch hoffe ich, dass wir alle mit einander uns aufmachen, uns von Gott verwandeln zu lassen: Seine Kinder werden. Amen.