Predigt zu Weihnachten am Tag 2009
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25.12.2009 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Persönlich und privat
- Persönlich und privat fallen vielfach in eins. Für das, wo es
um den Menschen persönlich, als unverwechselbar, einzigartige, beziehungsfähige
Person geht, bleibt vielfach nur der private Bereich. Nur unter Freunden,
in Beziehungen und in der Familie kann man - bestenfalls - persönlich
werden. Nur wo eine Beziehung aufgebaut wurde, im engsten privaten Bereich,
können die Fragen und Themen, die Sorgen und Freuden, die Zweifel und
Hoffnungen heraus gelassen werden, die ganz persönlich meine sind. Nur
im privaten Bereich werde ich persönlich.
- Oft gelingt nicht einmal das. Familien können unfähig sein, den
persönlichesten Seiten Raum zu geben, aus Angst, es könnte Streit
geben. Andere persönliche Beziehungen werden deswegen schwierig, weil
die Arbeit oder das Studium Flexibilität notwendig machen. So manche
mühsam aufgebaute Beziehung und mancher Freundeskreis, der so gerade
zur Heimat geworden war, wird durch einen erzwungenen Umzug wieder genommen.
Wenn ich nur im Privaten persönlich sein darf, dann wird das so heikel
wie die privaten Beziehungen eben sind.
- Das Fernsehen gibt vor, das Persönlichste zur öffentlichen Sache
zu machen. Manche scheinen sich dort in der Tat mit ihren intimsten Seiten
zu prostituieren. Die Zuschaltquoten geben ein trauriges Zeugnis. Hingegen
ist das Internet für viele ein Forum geworden, wo es tatsächlich
gelingt, mit den eigenen persönlichen Fragen aus den privaten vier Wänden
auszubrechen, und mit anderen sehr persönlich in einem öffentlichen
Raum zu kommunizieren. Auch da mag es hie und da Fehlentwicklungen geben.
Es bestätigt sich aber zumindest noch einmal, wie wichtig das Persönliche
und wie wenig ausreichend dafür das Private ist.
2. Das Wort hat unter uns gewohnt
- In den heutigen Lesungen stehen erstaunliche Sätze neben einander.
Der Hebräerbrief spricht hymnisch vom Sohn, den Gott "zum Erben des
Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat". Auf der
anderen Seite steht dort das geradezu zärtliche Wort des göttlichen
Vaters: "Mein Sohn bist du".
- Und auch das Johannesevangelium greift weit aus, in den Urgrund der Welt,
zum ersten Grund und Ursprung der Schöpfung, wo "das Wort bei Gott
war und Gott war und alles durch das Wort geworden ist". Und dann wird
dieses allgewaltige, ewige Wort, das Gott selber ist, Mensch. Es sucht Obdach
bei den Seinen. Es wirbt um Freundschaft. Es verleiht die "Macht Kinder
Gottes zu werden", also in eine ganz intime Beziehung zu Gott einzutreten.
- An Weihnachten wird das Persönlichste Gottes offenbar. Gott legt uns
sein Herz offen, um uns Anteil zu geben an seiner Liebe. Das ist die großartige
Botschaft des Weihnachtsfestes. Gott erscheint unter uns als Mensch, zerbrechlich,
um Liebe werbend, Liebe schenkend. Gott offenbart nicht irgend eine Information,
die uns mitzuteilen wäre durch einen Engel. Gott offenbart sich selbst.
Gott spricht zu uns "durch seinen Sohn", der im Geheimnis der göttlichen
Dreifaltigkeit eins ist mit dem Vater und dem Heiligen Geist. Ein Gott, eine
Liebe in drei Personen: So zeigt sich Gott persönlich, im Raum unserer
Welt, nicht im Privaten. Von den Engeln, die nur Boten sind, sagt daher der
Hebräerbrief: "Alle Engel Gottes sollen sich vor ihm niederwerfen."
3. Gottes Öffentlichkeit
- Deswegen ist die Kirche öffentlich. Wir feiern unsere Gottesdienste
wo immer es geht ohne uns zu verstecken. Wir bekennen öffentlich den
einen Gott und sind berufen, seine Botschaft zu den Menschen zu tragen. Die
Ordensleute und die Priester sind öffentliche Existenzen in der Kirche.
Es ist Teil ihrer Berufung, mit ihrem persönlichen Glaubensweg öffentlich
und damit auch angreifbar zu sein. Das aber ist auch die Berufung der Eheleute,
denn auch die Ehe ist öffentliches Zeugnis, dass Menschen auf die Liebe
Gottes ihr Leben bauen. Letztlich ist das Sakrament dieser Berufung, öffentlich
den Glauben zu bekennen, die Firmung, denn in ihr wird uns der Auftrag verliehen
und die Kraft des Heiligen Geistes dazu geschenkt.
- Aber auch das 'private' Gebet ist nicht so privat. Es darf auf jeden Fall
ganz persönlich sein. Erst wenn ich das Vertrauen gefunden habe, in meinem
Beten nicht irgendwas, sondern mich selbst vor Gott zu bringen, beginne ich
mit dem Gebet aus dem Glauben an Gott, der für mich Mensch geworden ist.
Gebet, das das Persönliche ausklammert, klammert Gott aus. Zugleich aber
ist jedes Gebet eines Christen nie 'privat'. Mit unserem Gebet bringen wir
immer ein Stück unserer Welt vor den Gott, den Schöpfer des Universums.
Das geschieht, wenn wir für andere Menschen und die Not unserer Zeit
beten. Es geschieht aber eben auch, wenn wir bei unseren ganz persönlichen
Fragen, Zweifeln, Nöten und Hoffnungen sind. Denn in jedem Gebet still
in der Kammer sind wir ein Teil des Leibes Christi, der Kirche. Wir sind getragen
durch das Gebet aller Christen sowie der Heiligen im Himmel, und tragen es
mit. Wenn wir in unserem Beten das öfters mitschwingen lassen, werden
wir vielleicht ganz neu erfahren, welche Freude das Gebet ist.
- Auch im Privaten dürfen wir natürlich persönlich werden.
Es ist ein Geschenk (und auch einiger Mühe wert), wenn wir in unseren
Familien, in Beziehungen oder Freundeskreisen die Erfahrung machen, dass wir
einander vertrauen können und sehr persönlich werden dürfen.
Eigentlich sollte das ein Kennzeichen christlicher Familien sein (und einer
christlichen Gemeinde). Aber es sollte halt nicht im Privaten bleiben müssen,
so wenig Weihnachten ein rein privates Familienfest sein kann. Denn heute
hat Gott sich der Welt offenbart. "Der Einzige, der Gott ist und am Herzen
des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht." Amen.