Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Fest Taufe des Herrn 2005 (Lesejahr A)

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09.01.2005 - St. Ignatius Frankfurt

1. Über die Wupper

  • Dass einer über die Wupper geht, ist die saloppe Ausdrucksweise des pietätvolleren "er ist von uns gegangen". Es gibt eine ganze Reihe von Erklärungen für den Ausdruck, etwa die Lage des Wuppertaler Friedhofs oder die Hinrichtungsstelle des Wuppertaler Gefängnisses in alten Zeiten auf der anderen Flussseite der Wupper. Auf jeden Fall meint der Ausdruck heute: sterben.
  • Ursprünglich ist der Jordan, nicht die Wupper die Grenze. "Über den Jordan gehen" ist denn auch der Ausdruck, der mehr enthält, als das schlichte Ableben. Der Jordan ist der Fluss in Palästina, der für die Hl. Schrift von großer symbolischer Bedeutung ist. Der Zug des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten in das gelobte Land kommt erst ans Ziel, wenn das Volk Israels den Jordan überschreitet. Das Land östlich des Jordan nennt die Bibel daher dann auch das Gebiet der Völker, der Heiden (Sir 24,26). Das Land, in das Israel hineinzieht, ist das gelobte Land.
  • Dass einer über den Jordan geht, meint daher anderes als das bloße Sterben. Es hat zugleich den Beigeschmack der Verheißung. Im Jordan getauft zu werden und dadurch über den Jordan zu gelangen führt Menschen aus der Zerstreutheit unter die Völker in das Volk, das Gott sich in seine Nähe ruft. Wir betreten das gelobte Land und haben Gemeinschaft mit Gott. Er selbst gibt uns im Durchgang durch das Wasser festen Boden unter den Füßen.

2. Taufe

  • Dass Jesus von Johannes getauft wird, hat mit Gerechtigkeit zu tun. Johannes wollte nicht zulassen, dass Jesus sich von ihm taufen lässt. Umgekehrt müsse es sein. Jesus aber erwidert ihm: "Lass es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen." Der Gedanke ist überraschend. Denn sonst meint die Bibel mit der geforderten Gerechtigkeit zumeist das gerechte Verhalten gegenüber den Armen, die geschuldete Barmherzigkeit also. Der geliebte Sohn des Vaters lässt sich durch den Menschen Johannes taufen. Darin sieht das Matthäusevangelium die Verwirklichung der Barmherzigkeit Gottes. In diese Gerechtigkeit stimmen wir ein, wenn ein an sich dessen unwürdiger Mensch, den anderen tauft. Durch die Taufe öffnet der Täufer den Weg in die Gemeinschaft mit Gott.
  • Gerechtigkeit ist ein starkes Wort. Das Matthäusevangelium macht damit deutlich, wie fest entschlossen Gott ist. Alle Völker, alle Menschen ohne Ausnahme sind eingeladen, im Wasser des Jordans die Taufe zu vollziehen. Am Ende des Evangeliums wird Matthäus das wieder aufgreifen, wenn der Auferstandene die Jünger zu allen Völkern aussendet, die Frohe Botschaft zu verkünden und Gottes Einladung zur Taufe zu den Menschen zu bringen. Es ist die Gott geschuldete Gerechtigkeit, dass die Jünger nicht in frommer Selbstbezogenheit auf sich selbst verbleiben, sondern immer wieder hinausgehen.
  • Die Taufe lässt Jesus, der Gesalbte Gottes, durch den Menschen Johannes vollziehen. Der Feldherr Napoleon wollte sich von niemand anderem als sich selbst die Kaiserkrone aufs Haupt setzen lassen. Der kleine Korse hat sich selbst zu Gott gemacht. Hier aber reiht sich der Sohn Gottes unter die Menschen ein, um mit ihnen den Weg zu gehen. Das öffentliche Wirken und damit das Evangelium beginnt damit, dass Gott in Jesus diesen Weg mit jedem einzelnen von uns geht.

3. Geist

  • Die Taufe entfaltet sich in der Firmung. Wenn jemand als Erwachsener getauft wird, findet die Firmung in der Regel direkt im selben Gottesdienst statt. In der orthodoxen Kirche und in der katholischen Kirche im Osten wird die Firmung sogar bei Kleinkindern mit der Taufe gespendet. Bei der Taufe Jesu am Jordan heißt es, dass unmittelbar, als Jesus nach seiner Taufe aus dem Wasser steigt, der Heilige Geist auf ihn herabkommt. Die Taufe, der Durchgang durch das Wasser des Jordan macht bereit, den Geist Gottes zu empfangen.
  • Gott öffnet den Himmel: "Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen." Wenn wir als Kinder getauft wurden, haben wir es vielleicht schon wieder vergessen: Gott hat uns hier her geführt. Gott hat uns in unserem Leben Raum gegeben, um in Gemeinschaft mit ihm zu leben. Der Himmel ist geöffnet und Gottes Geist herab gekommen.
  • Gott selbst bezeugt: "Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe." Während die Erfahrung des geöffneten Himmels noch etwas ganz Privates ist, schließt die Taufe Jesu am Jordan mit der öffentlichen Zusage Gottes ab. Gott nimmt den Getauften als sein geliebtes Kind und als Erben an. Wir sind mit Christus durch das Bad der Taufe gegangen. Mit ihm dürfen wir uns senden lassen, um zu bezeugen: Der Weg in das Leben führt durch das Bad der Umkehr hinauf in das neue Land. Amen.