Predigt zu Pfingsten 2005 (Johannes 20)
Zurück zur Übersicht von: Pfingstsonntag (A/B/C)
15. Mai 2005 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt/Main
1. Ostern und Pfingsten
-
Der letzte Satz mindert das Vergnügen am heutigen Evangelium. "Wem
ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert" Wer katholisch
sozialisiert ist, wird hier zum Ende des Osterberichtes aus dem Johannesevangelium
an die Beichte erinnert. Vollmacht klingt hier an, Sünden nicht nur zu vergeben,
sondern auch festzuschreiben und Vergebung zu verweigern. Assoziationen an den
Machtmissbrauch der Kirche drängen sich auf. Nicht weit ist es zur Heiligen
Inquisition. Verweigerung der Vergebung - das passt so ganz und gar nicht zu Pfingsten.
- Das
Johannesevangelium schaut Pfingsten und Ostern in einem. Noch am ersten Tag der
Woche, dem Abend des Ostertages ereignet sich das, was die Apostelgeschichte 50
Tage nach Ostern im Pfingstfest schildert. Das Johannesevangelium macht deutlich,
dass der Geist, der an Pfingsten auf die Jünger herabkommt, der Geist des
gekreuzigten und auferstandenen Herrn ist. Kein inhaltsleerer Geist, sondern der
Geist dessen, der in der Auferstehung sich als Gott des Lebens erwiesen hat.
- Am
Ostertag tritt Jesus in die Mitte seiner Jünger. Prägnant malt das Evangelium
das Bild: Die Jünger haben aus Angst vor Repressionen sich eingeschlossen,
Türen und Fenster verrammelt. Ohne Jesus haben sie nicht nur die Hoffnung
verloren, sondern zugleich jeden Kontakt zum Leben außerhalb ihrer ängstlichen
Gruppe. Das erste, was das Evangelium in dieser Situation deutlich macht, ist
dass Jesus sich nicht aussperren lässt. Hier wird nicht spekuliert, wie Jesus
durch verschlossene Türen kommt. Vielmehr wird die Erfahrung der Jünger
berichtet: Dort, wo wir alles dicht gemacht haben und jeden Kontakt unterbrochen,
dort ergreift Gott in Jesus die Initiative: Der Auferstandene wird erfahrbar in
unserer Mitte und vermittelt uns seinen Frieden: "Friede sei mit euch!"
2.
Tod und Leben
- Jesus war tot - und lebt. Nicht so wie ein
Lazarus oder ein Jüngling von Nain lebt Jesus. Er ist nicht aus dem Grab
erstanden, um noch ein paar gesellige Jahre mit seinen Jüngern zu verbringen.
Vielmehr ist Jesus auf dem Weg von dieser biologischen Existenz hin zur Herrlichkeit
des Vater. In dieser Bewegung stößt er auch seine Jünger an, er
sendet sie, so wie der Vater ihn gesandt hat.
- Jesus sendet die Jünger
nicht ohne sie dafür auszurüsten. Nachdem er aus den Jüngern Apostel,
Gesandte, gemacht hat, "hauchte er sie an und spricht zu ihnen: Empfangt
den Heiligen Geist!". Das Hauchen ist genau das Zeichen und Bild, das
die Bibel auch in der (zweiten) Schöpfungsgeschichte verwendet, ganz am Anfang,
im Buch Genesis: Gott hauchte dem "adam", dem Menschen, den
er aus Ackerboden geformt hatte, den Lebensatem ein (Genesis 2,7). Gottes
Atem ist es, der uns Leben macht. Würde Gott seinen Atem zurückziehen
- wir würden zerfallen zu Staub (Psalm 104,29). Kein Leben ohne Gottes
Atem.
- Das biologische Leben wurde am Kreuz zerstört. Biologisch ist Jesus
tot. Er zeigt ihnen seine Wundmale, um jeden Zweifel auszuräumen. Durch
diese Seite wurde die Lanze gestoßen und das Leben des Jesus von Nazareth
beendet. Das Leben? Das biologische Leben, ein Herz das schlägt, Blut,
das durch seine Adern fließt, alle neurophysiologischen Vorgänge,
das ist der Leib in dem Jesus gelebt hat. Andererseits: In diesem Leib hat
er gedacht und gefühlt, mit seinen Jüngern Mahl gehalten und gelebt.
3. Leben
schenken
- Der Mensch ist mehr als die Summe biologischer
Prozesse. In unserem Leib werden wir zu dem, in dem uns Gott begegnet. Aus dieser
Begegnung aber gewinnt das Leben eine neue Qualität. In dieser Begegnung
schenkt uns Gott seinen Atem, seinen Geist. Es ist der Geist, aus dem heraus wir
frei werden, so frei, dass uns eine Lanze durch die Seite gestoßen werden
kann - und doch das Leben nicht genommen. Dieses Leben ist unzerstörbar in
Gott.
- Am Pfingstfest feiern wir dieses Leben, das Gott schenkt. Jesus
haucht seine Jünger an als Zeichen des Lebensatems, den kein biologischer
Tod uns nehmen kann. Es ist ewiges Leben, das uns schon hier ergreift und das
wir schon hier erfahren können, wo wir Gottes Gegenwart erfahren und mit
einander seine Kirche sind. Dieses Leben kann uns niemand nehmen. Nur wir selbst
könnten es zurückweisen. Denn dieses Leben der Gemeinschaft mit Gott
kann nur zerstört werden durch die Sünde, in der wir uns aufs neue verhärten,
die Türen verrammeln gegen Gottes Gegenwart und uns in unserer Selbstbezogenheit
der Liebe verweigern.
- Doch auch hier spricht Jesus ein Wort der Befreiung.
"Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben". Wenn
wir uns von Jesu Geist erfassen lassen, erhalten wir die Vollmacht, die tödliche
Macht der Sünde zu brechen, indem wir wie Jesus uns dem zuwenden, der sich
versündigt hat. Das Johannesevangelium macht deutlich, dass es dabei nicht
um eine exklusive Vollmacht des kirchlichen Amtes geht, zumindest nicht nur darum.
Hier geht es um das wunderbare Geschenk, dass jedem Getauften gegeben ist. "Wem
ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben", es liegt an Euch, das
Leben des Glaubens weiter zu geben. Wenn Ihr Euch dem verweigert, wenn ihr die
Sünde stehen lasst, dann geht unendlich viel mehr verloren als biologische
Funktionen. Denn Gott hat uns das Leben anvertraut, das ewig ist, damit wir
es teilen. Wie Jesus vom Vater gesandt wurde, so sendet er uns: dies weiterzugeben.