Predigt zu Pfingsten 1999 (Johannes 20)
Zurück zur Übersicht von: Pfingstsonntag (A/B/C)
23. Mai 1999 - St. Barbara Krakau
1. Sprachen
- Jeder, der versucht hat im Schweiße seines Angesichtes eine neue Sprache zu lernen, wird die Erfahrung des Neides
kennen, wenn andere scheinbar ganz leicht und problemlos sich die Sprache aneignen, für die ich so pauken muss.
- Wie ergeht es einem dann, wenn man hört, dass an Pfingsten die Apostel von einem Augenblick zum nächsten, durch
Zungen von Feuer lernen, in den verschiedensten Sprachen zu sprechen - und verstanden werden? Bevor man das Bild
enträtselnd abschwächt, sollte es man auf sich wirken lassen. Hier wälzte der Geist Gottes Menschen so grund-um,
überwältigt nicht nur ihr Herz, sondern auch ihre Zunge, dass die, die noch kurz zuvor sich in einer Kammer
zurückgezogen und gegenüber den Menschen verschlossen haben, ihre Furcht vor den Menschen verlieren, ihre
Bangigkeit vor der Fremdsprache abwerfen, ihren Provinzialismus runterschlucken - und hinausgehen, um den Menschen
aller Völker in all ihren Sprachen das Evangelium zu verkünden.
- Für Pfingsten ist das nicht ein ausschmückendes Detail. Jetzt, 50 Tage nach Ostern, ist es das entscheidende Ereignis.
Jetzt und in diesem Ereignis erst erfüllt sich, was an Ostern mit der Auferstehung begonnen hat.
2. Geist
- Pfingsten gehört zu Ostern und ist die Erfüllung von Ostern. Johannes berichtet daher von der Geistmitteilung an die
Jünger bereits durch den Auferstandenen. "Jesus sagte zu seinen Jüngern: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater
gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den
Heiligen Geist! " Der Geist ist der des Auferstandenen, wie die Firmung die Salbung ist, die zur Neugeburt des Menschen
in der Taufe hinzugehört.
- Geist: Ein neuer Geist verbindet Menschen. Das ist kein vorüberhuschender, gruseliger Schlossgeist. Der Geist ist
das, was das Innerste ausmacht und was die Einheit schafft, sowohl das Innerste und die Einheit eines jeden
Menschen, wie das Innerste und die Einheit einer jeden Gemeinschaft.
- Geist Gottes: Das ist Gott selbst in seiner bleibenden Gegenwart. Sein Geist ist die Gemeinschaft Gottes, ist das
Innerste und das, was Einheit schafft des Vaters mit dem Sohn, und was daher auch das Innerste ist und Einheit
schafft zwischen Gott und uns.
- Deswegen ist es weder deplatziert noch zufällig, wenn im Evangelium direkt an die Mitteilung des Geistes den Jüngern
die Vollmacht verliehen wird, Sünden zu vergeben. "Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem
sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert." Jesus knüpft diese Vollmacht an den
Empfang des Geistes, denn die Gemeinschaft der Kirche wird durch die Sünde zerstört. Nur der Heilige Geist kann im
Innersten der Kirche die Einheit mit Christus wieder herstellen. Daher teilt Jesus mit dem Geist die Vollmacht mit,
Sünden zu vergeben. Im Sakrament der Buße (Beichte) geschieht daher in einem die Versöhnung mit Gott und die
Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft mit der Kirche.
3. Völker
- Die Vollmacht wird nicht irgendwem, sondern der Gemeinschaft der Kirche gegeben. Es gibt auch andere Formen der
Vergebung. Es gibt auch andere Möglichkeiten, sich wieder Gott zu öffnen und sich mit dem Nächsten zu versöhnen. All
dies geschieht auch im Heiligen Geist. Hier aber geht es um etwas viel Präziseres.
- Zwischen der Himmelfahrt in der Apostelgeschichte und dem heutigen Abschnitt steht die Nachwahl des Apostels
Matthias. Judas hatte den Herrn verraten und sich selbst aus der Gemeinschaft herausgeschleudert. Er hat damit zugleich
auch eine Lücke in das Fundament gerissen, das Jesus seiner Kirche gegeben hatte. Denn Jesus hatte die Zwölf berufen.
- Es braucht Zwölf, keinen mehr und keinen weniger, um das neue Volk Gottes zu begründen, denn zwölf ist die Heilige
Zahl der Stämme Israels, des Ersten Bundes und Volkes Gottes. Daher braucht es Zwölf, um das Volk neu zu begründen,
den Neuen Bund zu stiften. Was dieses Volk und diesen Bund ausmacht zeigt und erfüllt sich an Pfingsten: Es ist die
Berufung für alle Völker in die Gemeinschaft der Kirche und mit Gott. Diese Völker werden nicht eingeebnet und
nivelliert. Jeder hört die Apostel in seiner Sprache das Heil verkünden. Vielleicht hilft der Geist eben doch, Sprachen zu
lernen - wenn wir eben diesen Geist aus uns sprechen lassen. Amen.