Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Pfingstmontag Lesejahr C 2013

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20. Mai 2013 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Grammatik des Heiligen Geistes

  • "Alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Töchter und Söhne Gottes". Der Heilige Geist ist also nicht im Imperativ sondern im Indikativ. Die Grammatik des Imperativ würde sagen: Tue dies, tue das; die Grammatik des Indikativ aber sagt dir, wer und was du bist.
  • Imperativ: Das sind Forderungen, Gesetze, Regeln; das was ich tun muss und was mir von außen auferlegt wird. In solch einer Welt praktischer Vernunft ist das moralische Gesetz (bei Kant noch dekoriert durch das Sternenzelt) der einzige Zugang zu Gott. Der Heilige Geist aber ist Indikativ. Er sagt uns, dass wir Kinder Gottes sind. Er hilft uns zu sehen was ist.
  • Es ist eine der grundlegen Perspektiven der Bibel, dass sie nicht willkürlich Gebote aufstellt. Selbst die Aufzählung der zehn Gebote in der Bibel beginnt nicht mit einem Imperativ "Du sollst....", sondern mit dem Indikativ, der die Befreiung erinnert: "Ich bin ADONAI, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus."

2. Erfahrung des Heiligen Geistes

  • Der Heilige Geist ist also Erfahrungssache. Der ganze Glaube ist nur möglich, wenn es etwas mit meiner eigenen Erfahrung zu tun hat. Die Bibel, jedes Sprechen über den Glauben und jeder Gottesdienst hat dann die Aufgabe, mich mit meiner Erfahrung nicht allein zu lassen.
  • Jeder Mensch ist von Gott erschaffen. Jeder Mensch kann in sich diese Nähe zu Gott finden. Und jeder Mensch ist in diesem Sinn Kind Gottes. Wenn Paulus daher zu denen, die getauft wurden, sagt: "Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen und Töchtern macht", dann meint das nicht, dass sie vor der Taufe gar keinen Lebensgeist von Gott gehabt hätten oder dass ein Ungetaufter nicht auch Kind Gottes wäre.
  • Vielmehr "bezeugt der Geist". Der Heilige Geist, dessen Fest wir in der Kirche feiern, bezeugt die innerste Wahrheit des Menschen. Wir feiern gewissermaßen das Fest dessen, was wir von unserem göttlichen Ursprung her sind. Durch die Bibel, durch die Glaubenslehre der Kirche und durch das Fest des Gottesdienstes wird das "bezeugt"; die Erfahrung des Einzelnen erhält durch die Erfahrung der Gemeinschaft eine Grammatik und Sprache. Wir sind mit unserer Erfahrungen der höheren Wirklichkeit nicht dem Supermarkt spiritueller Beliebigkeiten ausgeliefert, sondern können und dürfen uns in einen Erfahrungsstrom einfügen, der bis in die ältesten Schichten der Bibel zurück reicht.

3. Leben des Heiligen Geistes

  • Das heutige Evangelium wird vor diesem Hintergrund verständlich. Jesus sagt dort: "Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird." Gott hat nicht das geringste Interesse daran, Menschen von oben herab zu beurteilen, ob sie einem moralischen Gesetz genügen oder nicht. Gott will die Welt vielmehr zu dem Ziel führen, zu dem sie geschaffen ist und will das zum Leben erwecken, was in uns liegt.
  • Insofern geht es nicht um beliebigen Geist. Nicht alles was uns durch das Hirn oder Herz geistert, ist Gottes Heiliger Geist. Vielmehr ist das Kennzeichen des Heiligen Geistes: Er befreit. Er hat das Volk Israel "aus Ägypten geführt, aus dem Sklavenhaus". Er befreit von der "Finsternis", in der wir meinen uns verstecken zu müssen, weil wir abhängig sind von der Meinung der Menschen. Er befreit von der Furcht vor den Göttern, Mächten und Gewalten, mögen sie im alten Gewand der Dämonen daherkommen oder im immer wieder aktuellen Gewand von Geld, Macht, Gewalt und Erniedrigung.
  • "Ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Töchtern und Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater!" Diese Zugehörigkeit zu Gott wird bei ihrer Taufe über Dana Olivia heute öffentlich verkündet und gefeiert. Wir sprechen es aus: Du bist Kind Gottes! Zusammen mit Christus bist Du Erbe der Herrlichkeit des Gottes, der dich erschaffen hat. Nicht nach den Maßstäben von Armut oder Reichtum, Macht oder Ohnmacht, langem oder kurzem Leben, Gesundheit oder Krankheit, sondern einzig nach dem Maßstab der Liebe mit der Gott dich liebt bist du Gottes geliebtes Kind! Amen.