Predigt zu Ostern am Tage 2004
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11. April 2004 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt
1. Der schnelle Lauf
- Dies Evangelium wurde niedergeschrieben von einem alten Mann im
Rückblick auf ein langes Leben. So sieht die Tradition den Apostel
Johannes als
Evangelisten. Er blickt zurück auf die prägende Erfahrung seiner Jugend,
die sein ganzes Leben bestimmt hat - und mehr! Er blickt zurück auf die
Jahre mit
Jesus. Damals war er der jüngste im Kreis der Apostel. Sich selbst nennt
er im Evangelium, vielleicht ein wenig stolz, "den Jünger, den Jesus
liebte".
- Er hat die Kreuzigung - als einziger der Männer - aus der Nähe
miterlebt. Das letzte Wort Jesu an seine Freunde richtete sich an ihn.
Mit Blick auf die Mutter
Maria sagt Jesus zu dem Jünger, den er liebte: "Siehe, deine Mutter!"
Und das Evangelium vermerkt "Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger
zu sich."
In dieser Symbolik findet sich die Kirche der Gottesmutter anvertraut
und spürt die Liebe, mit der Jesus geliebt hat.
- Johannes ist der schnellere Läufer. Sein Herz drängt ihn. Er hat
am Kreuz Maria zu sich genommen, aber Jesus verloren. Und nun erreicht
ihn die Botschaft,
dass man selbst den Leichnam Jesu weggenommen habe - ja, dass man nicht
einmal wisse, "wohin man ihn gelegt hat". Ausgeliefert seinem Schmerz
läuft
Johannes dem Petrus voraus ans Grab.
2. Die letzte Freiheit
- Ein letztes Zögern. Johannes wirft einen Blick in das leere Grab.
Dann aber lässt er Simon Petrus, dem Felsen der Kirche, den Vortritt.
Man ahnt, welche
Kraft Johannes das kostet. Erst dann geht er selbst hinein. Im Rückblick
notiert das Evangelium denkbar knapp: "Er sah und glaubte".
Hinter dieser so
knappen Formulierung verbirgt sich eine Explosion im Herzen des
Johannes.
- Angst und Zweifel zerfallen vor dem Glauben. Er könnte es nicht
mit Worten benennen. Er ist noch lange nicht so weit, darüber zu
sprechen. Er wird auch
noch manche Krise erleben. Hier aber, in diesem Augenblick, im
Angesichts des leeren Grabes und der Leinenbinden: "Er sah und
glaubte". Keine
Glaubenslehre, sondern die Erfahrung, dass die überwältigende Macht des
Todes, die Angst, die Ungewissheit, das bohrende Fragen und die
Hilflosigkeit mit
einem Schlag der innersten Erkenntnis weichen: All das ist nicht
mehr von Gewicht. All dass kann auch dich nicht mehr binden. Denn auch
ihn, meinen
Herrn, hat der Tod nicht festhalten können!
- In seinem Herzen war Johannes mit Jesus gestorben. In diesem
Augenblick erlebt er die Auferstehung. Er erlebt, dass er nicht zu
Unrecht auf den Namen Jesu
vertraute, den Namen, der übersetzt bedeutet "Gott rettet". Er hat den
Tod der Angst und des Zweifels erlitten, um nun zu erleben, dass im
Innersten wahr ist,
was der Apostel Petrus in seiner Predigt sagt - die wir als 1. Lesung
aus der Apostelgeschichte gehört haben. In knappster Form fasst Petrus
zusammen, was
Gott in Jesus getan hat: "Er zog umher, tat Gutes und heilte alle,
die in der Gewalt des Teufels waren". Es gibt keine Gewalt mehr, in
der Menschen gefangen
sind, wenn die Gewalt des Todes überwunden ist. Nach der Auferstehung
gibt es nur mehr Freiheit - und Liebe.
3. Die größte Liebe
- Die Liebe ist das zweite Geschenk der Auferstehung. Nach der
Freiheit von allem, was uns in Angst die Kehle abschnüren könnte, ist es
die Liebe, die
Johannes so einzigartig in der Begegnung mit Jesus gespürt und erfahren
hat, dass es zum Zentrum seines Lebens wurde. Kein abstraktes Prinzip
der Liebe,
sondern die fleischgewordene Liebe Gottes in diesem einen, Jesus von
Nazareth.
- Die sorgfältig gelegten Leinenbinden sind für mich Symbol der
Liebe des Auferstandenen. Ich denke nicht, dass das die einseitige Sicht
eines unordentlichen
Pfarrers ist, der dankbar sieht, wenn andere aufräumen. Vielmehr scheint
mir wirklich: Die Sorgfalt, mit der der Auferstandene das Grab
hinterlassen hat, zeigt
seine Liebe zu denen, die ihn dort suchen würden. Es zeigt, dass hier
kein zielloser Grabraub stattgefunden hat, sondern einer gegangen ist,
seinen Freunden
einen Platz zu bereiten im Leben.
- "Sie wussten noch nicht aus der Schrift, dass er von den Toten
auferstehen musste." Oft genug wird Johannes das Geheimnis dieser
Tage durchdacht und die
Heiligen Schriften durchforscht haben. Nichts aber, was er später
verstanden und bestätigt gefunden hat, konnte an diesen einen Augenblick
heranreichen. Das
will uns der Evangelist am Ende eines langen und bewegten Lebens
überliefern. Tiefer als alles Verstehen geht die Erfahrung der Freiheit
von allen Mächten
des Todes, der Angst und der Einsamkeit, weiter als alle Theorie geht
nur das eine: Die Liebe, die uns erschienen ist in Christus Jesus, dem
Auferstandenen.
Amen.