Predigt zu Ostern am Tage 2001
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15. April 2001 - St. Michael Göttingen
1. Zeugen
- Aus dem Fernsehen sind wir an die Berichterstattung über
umstürzende Ereignisse gewohnt. Sie folgt einer bekannten
Choreographie. Es wird live vom Ort des Geschehens berichtet
und Redakteure, die sich schnell im Archiv des Senders
kundig gemacht haben, versehen die Nachrichten mit mehr oder weniger
klugen Kommentaren. Bei der Auferstehung
Jesu hätte sich das Fernsehen schwer getan. Bilder sind kaum zu haben.
Ja, das Umstürzende ist überhaupt schwer zu
erkennen. Was ist eigentlich passiert? Nichts jedenfalls, das es in die
Schlagzeilen schaffen würde.
- Und dennoch sind da Menschen, die von sich sagen: Ich habe da
etwas erfahren und erlebt. Da sind Menschen, die sagen
Was hier geschieht verändert die Welt. Kein Ereignis, das ein
paar Tage die Titelseiten beherrscht, dann noch ab und an
im Nachrichtenblock erwähnt wird, um schließlich in Vergessenheit zu
geraten. War da was?
- Das Evangelium bei Johannes macht deutlich, wie Ostern ein ganz
komplexes Geschehen ist. Die drei Personen, die er
schildert, machen das deutlich: Maria von Magdala, Johannes und Petrus.
Da ist die Entdeckung des geöffneten Grabes durch Maria Magdalena.
Sie geht hin und berichtet es den Jüngern.
Die zwei, Johannes und Petrus, stehen für verschiedene Aspekte der
Kirche.
"Der andere Jünger", "der, den Jesus liebte" ist der,
von dem als erstes gesagt wird, "er glaubte". Er läuft
schneller, ist
jünger, dynamischer.
Dennoch lässt er dem behäbigeren Petrus den Vorrang, weil er
weiß, dass nur in der Gemeinschaft der ganzen Kirche
sein lebendiger Glaube trägt.
In der Beziehung zwischen der dynamischen Bewegung des Johannes, der
behäbigen Institution des Petrus und der
persönlichen Erfahrung der Maria findet Ostern statt.
2. Angeeignetes
- Umstürzende Ereignisse, die uns das Fernsehen berichtet, kommen
oft unvermittelt. Mühsam wird uns erklärt, warum
und was da geschehen ist. Sondersendungen beleuchten den Hintergrund.
Ostern aber beginnt schon viel früher. Die
Ostererfahrung setzt voraus, dass die Jünger mit Jesus gezogen sind. Sie
sind schon ein ganzes Stück Weg mit ihm
gegangen. Zumal für die von uns, die nach ihrer Geburt getauft wurden,
ist auf die Weise Jesus schon lange ein Stück der
eigenen Lebensgeschichte. Maria, Petrus, Johannes, sie alle haben ihre
Geschichte mit Jesus. Es ist eine Geschichte voll
Erwartung, Hoffnung, Träumen und Scheitern.
- Das macht den Unterschied zum Fernsehereignis aus. Der Kommentar
muss durch mein eigenes Leben erfolgen. Ostern
lässt sich nicht abstrakt schildern und erleben. Jeder und jede von
Ihnen hat ihr Ostern, weil wir alle unsere individuelle
Geschichte mit Jesus haben. Manche vielleicht explizit. Bei Manchen mag
der Glaube mehr eine kaum wahrgenommene
Hintergrundmusik sein.
- Was immer aber im Vordergrund meines Lebens stand und steht, es
gehört in diese Beziehung hinein. Nur dann kann ich
anfangen zu verstehen, was Ostern ist. Kein Feature im
Fernsehen kann mir das erklären. Auch kein Theologe.
3. Eigenes
- Deutlich wird mir das in Maria von Magdala. Sie sieht und
berichtet, aber
zunächst läuft sie wie durch eine Nebelwand. Sie entdeckt das leere
Grab und ist dabei, als Johannes und Petrus kommen. Aber wie
benommen merkt
sie nicht, was ihr geschieht. Bis zu dem Augenblick, in dem Jesus
das eine
Wort spricht: Ihren Namen, "Maria".
In meinem Namen ist das zusammengefasst, was ich bin. In ihrer
Antwort ist
alles zusammengefasst, was Jesus für sie ist: "Rabbuni, Meister".
- Die zwei Worte sind an Intimität kaum zu überbieten. Wenn man
sich Zeit nimmt, sie zu meditieren spürt man immer mehr und mehr,
wie
viel Nähe in ihnen steckt: "Maria" - "Rabbuni".
Jesus
aber macht sofort deutlich, dass es nicht um diese Intimität geht.
Gerade
das macht den Unterschied zu einem flüchtigen Ereignis aus. So wenig
Ostern ein Medienereignis ist, so wenig lässt sich Jesus in der
Intimität
festhalten: "Halte mich nicht fest", sagt Jesus. Was hier
Erfahrung
ist, muss erst Glaube werden. Gott, der Vater ist es, in dem
Auferstandene
lebt.
- "Maria von Magdala ging zu den Jüngern und verkündete ihnen:
Ich habe den Herrn gesehen." Dies macht Ostern für alle drei
aus.
Maria gibt keinen klugen Kommentar zum Geschehen. Sie berichtet auch
nicht
einfach vom Ort des Geschehens. Sie verkündet. Ob wir mehr dem
Johannes
zuneigen oder auf Petrus setzen, beider Glaube wird auf Maria nicht
verzichten
können. Wo es nicht um ferne Medienereignisse geht, sondern um den
lebendigen
Gott, kann nicht berichtet oder kommentiert werden. Es wird
verkündet,
was Er gesagt hat. Bei denen die künden, bei denen die hören, bei
uns, die wir miteinander Kirche sind, wird Ostern Gegenwart. Amen.