Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zu Ostern Lesejahr C - In der Nacht 2016

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26. März 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Biblische Zeugen

  • In dieser Nacht hat Gott das Leben neu geschaffen. Als erster ist Christus uns in diese Wirklichkeit voran gegangen. In dieser Nacht wurde der bestätigt, den der Tod nicht überwältigen konnte.
  • Deswegen passt es, dass wir als Lesung von der Erschaffung der Welt gehört haben. Denn es ist diese Schöpfung, die mit Christus in ein neues Stadium eintritt. Es passt, wenn wir vom Durchzug des Volkes Israel durch das Rote Meer gehört haben, denn wer Anteil hat an dem neuen Leben, erfährt die Freiheit, wie Israel damals durch die Verbindung mit Gott aus der Sklaverei des Pharaos befreit wurde. Es passt, dass wir aus den Büchern der Propheten und der Weisheit im Alten Testament gehört haben, denn dort scheint etwas von dem auf, was wir in dieser Nacht feiern und was Paulus im Römerbrief "frei von der Sünde" und Anteil an der Auferstehung nennt: "dass wir mit ihm leben werden." - All die Lesungen der heutigen Nacht zeugen davon, dass sich erfüllt, worauf Gottes Geschichte mit seinem Volk und seiner ganzen Schöpfung hinweist.
  • Aber wie passt in diese Nacht diese schreckenerregende Geschichte von Abraham, der auf Gottes Geheiß seinen einzigen Sohn blutig opfern soll? Ist das nicht tiefste Nacht ohne Morgenröte?

2. Menschenopfer

  • Vielleicht ist uns Abraham nicht so fern. Der Vater, der auf Gottes Geheiß das Messer gegen sein Kind erhebt scheint uns - zu Recht - abscheulich. Doch sind es vielleicht nur andere Ziele, für die wir bereit sind, Menschenleben zu opfern. Menschen schicken Soldaten in Kriege. Menschen nehmen Umweltverschmutzungen in Kauf. Wir wissen, dass die Gewinnung von billigem Rohstoff für unsere Handys und Smartphones mit Kinderarbeit verbunden ist, Strukturen von Gewalt und Korruption begünstigt, ganze Völker um ihre Zukunft beraubt. - Genau wie im Großen ist es auch im Alltäglichen und Kleinen, wo wir andere für uns zahlen lassen.
  • Daher jetzt noch einmal auf Abraham geschaut. Abraham opfert nicht Fremde seinen Interessen. Im Gegenteil. Er will seinen Einziggeborenen, sein um alles geliebtes Kind hingeben, weil er fest überzeugt ist, dass Gott es will. Es ist nicht Gier nach Profit oder billigem Wohlstand. Im Gegenteil ist Abraham bereit, mit Isaak sich selbst hinzugeben. - Auch das können wir heute nicht mehr unschuldig lesen. Ganz sicher nicht. Der Verdacht des Fanatismus liegt nahe, der so oft dazu führt, dass Menschen zu Gewalt greifen, oft genug im Namen Gottes. Das Wertvolle der tiefsten Schichten des Menschen pervertiert so leicht in die schrecklichen Abgründe. Daher ist es so tragisch, dass unter den europäischen Terroristen die im Namen Gottes morden so auffällig viele sind, die zuvor ihr Leben verpfuscht hatten - oft kriminell, oft mit Drogen. Doch als sie die Sehnsucht nach etwas entdecken, das ihrem Leben Sinn verleiht, gehen sie den letztlich billigen Weg des Fundamentalismus und der Gewalt.
  • So ist es oft genug in der Geschichte des christlichen Glaubens, so ist es gegenwärtig so oft bei denen, die Vorgeben als Muslime zu handeln. Die Selbstmordattentate in Europa sind ja nur ein kleiner Widerhall des furchtbaren Mordens in Syrien, dem Irak und vielen anderen Ländern, in denen der Terror von Muslimen gegen Muslime und gegen religiöse Minderheiten kein Ende zu finden scheint.

3. Auferstehung

  • Die Lesung von Abraham, der bereit ist seinen einzigen Sohn zu opfern, ist eine Lesung der Osternacht, denn sie erzählt von der Verwandlung der Hingabe. Sie weist damit hin auf die große Verwandlung der Auferstehung. Gott nimmt den Gehorsam des Abraham an, aber er verwandelt ihn. Gott nimmt unsere Hingabe, unsere Sehnsucht, das Wertvollste in uns an - und verwandelt sie. Gott verwandelt sie, wenn sein Engel uns wie dem Abraham in den Arm fällt. Gott braucht das Opfer nicht. Es soll ein Fest der Hingabe und der Liebe sein. So feiern wir es auch in dieser Nacht: Gott selbst gibt sich zum Brot des Lebens und zum Kelch der Freude.
  • An Ostern feiern wir den Beginn der neuen Schöpfung, den Sonntag, den ersten Tag der neuen Schöpfung. Er ist zugleich der achte Tag der alten Welt, denn an diesem Tag verbindet sich das Alte mit dem Neuen. Die Menschenkinder werden getauft, damit offenbar wird, dass sie Gotteskinder sind. Was wir heute sind, birgt das in sich, was durch die Taufe neu werden kann. Die biblische Erzählung von Abraham ist die Erinnerung, dass von Anfang an der Glaube darin bestand, Gott zu vertrauen. Die Bibel - wir haben daraus Beispiele in den Lesungen gehört - erzählt die Geschichte dieser Verwandlung. Wer Sinn und Wert sucht, muss diese Welt und die Menschen nicht mit Bomben vernichten, sondern das Gute in ihr entdecken; die Bausteine von Gottes Reich der Gerechtigkeit und des Friedens liegen bereit.
  • Gott baut seine neue Schöpfung nicht an uns vorbei. Vielmehr verwandelt er das Wertvolle des Menschen und erhebt es zu seiner Rechten als Beginn der neuen Schöpfung. Die Liebe, mit der Jesus radikal gelebt hat, ist jedem möglich, der sich mit ihm verbindet. Der Weg, auf den Jesus vom Tod zum Leben gerufen wurde, ist der Weg, den auch wir gehen können: Hier, jetzt, als österliche Menschen. Dort, dann, wenn Gott vollendet, was er in dir und mir begonnen hat. Amen.