Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt Ostern Lesejahr B - In der Nacht 2003

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19./20. April 2003 - Blitzingen/Oberwallis

1. Seht, ich mache alles neu

  • "Seht, ich mache alles neu" (Offb 21,5). Dass alles neu geschaffen wird, ist die Verheißung, die Gott über diese Erde gesprochen hat. Es ist eine Verheißung, die den weiten Bogen spannt, wie die Lesungen dieser Nacht: Es beginnt bei der ersten Schöpfung, dem Werk der sechs Tage, als Gott eine gute Ordnung geschaffen hat, dazu bestimmt, uns Menschen Raum zu geben zum Leben. Es findet sein Ziel in der Neuen Schöpfung der Auferstehung. So wie die erste Schöpfung die Welt heraushebt aus den wüsten und wirren Urfluten, so wird die Neue Schöpfung aus dem Wasser gehoben, das wir in dieser Nacht geweiht haben, dem Wasser der Taufe und der Wiedergeburt in Christus Jesus.
  • Kommen wir nach der Ostermette auf die Straße und nach Hause - sieht dann alles anders aus? Wer da vorschnell ja sagt, wird alles so finden, wie er es zurückgelassen hat. Und vor allem, er wird des zufrieden sein. So sehr die Auferstehung in der Kirche gefeiert wird, so sehr die Wandlung Höhepunkt der Messe ist - daheim soll alles beim alten bleiben, nichts sich wandeln und nichts neu werden.
  • Wer aber einen Spalt offen lässt, wer auch nur einen Funken der Hoffnung überspringen lässt vom Feuer der Osternacht, der sehe sich vor. So sicher kann man sich nicht sein, dass alles beim Alten bleibt!

2. Ohnmächtiger Allherrscher

  • Ich, wenn ich allmächtiger Gott wäre, ich hätte schon längst etwas geändert, und zwar auf meine Weise. Am Karfreitag bin ich nach dem Gottesdienst am Hang hoch gestiegen, bis das Walliser Tal fünfhundert Meter weit unter mir lag. Unten sah die Eisenbahn klein aus wie die, mit der ich als kleiner Junge gespielt habe. So macht man das auch als Allmächtiger: man dreht am Schaltpult und dann muss der Zug vorwärts fahren oder rückwärts oder stehen bleiben. Ich wäre Allmächtiger und würde für Ordnung sorgen, da unten auf der Welt.
  • Nur, wäre dadurch irgend etwas neu geworden? Es wäre wieder nur das alte Spiel: Wer die Macht hat, hat auch das Sagen! So war es immer schon, so wird es immer sein. Immer schon? Wir sollten nicht vorschnell mit dem Firnis der Ewigkeit verkleiden, was wir daraus gemacht haben. Im Anfang ist die Welt anders. Wir haben es in der ersten Lesung gehört. Es fängt nicht damit an, dass einer herrscht und beherrscht. Es fängt damit an, dass Gott diese wunderbare Welt ins Dasein ruft. Durch sein Wort wird Neues, das nicht die Landschaft seiner Spielzeugeisenbahn ist, sondern echtes Leben, wirkliche, herrliche Welt.
  • Es ist derselbe Gott, der im Anfang diese Welt geschaffen hat und der sie in Christus erneuert. Es ist der selbe ohnmächtige Gott. Den die Schöpfung der Welt ist ebenso sehr ein Akt der Allmacht wie der Ohnmacht. Die Allmacht, die wir im Credo von Gott bekennen, ist immer schon eine Macht, die sich in Liebe zurück nimmt und Raum gibt. Nirgends ist dies so deutlich wie am Karfreitag, als Gott selbst das größte Leiden an sich geschehen lässt. Aus diesem Raum, den Gott lässt, aus dieser ohnmächtigen Liebe Gottes wird die Neue Schöpfung, wird Ostern.

3. Verleiht die Kraft Gutes zu tun

  • Die Jünger haben sich all die Jahre mit Jesus darauf gefreut, welche Macht ihnen der Christus geben würde. Noch manche Stelle im Evangelium lässt die machtlüsternde Phantasie der Jünger ahnen. In 2000 Jahren der Kirche haben wir diese Erinnerung allzu gut gepflegt! Gott aber hat seinem Christus die Macht über alles Fleisch gegeben - zu keinem anderen Ziel, als um ewiges Leben (Joh 17,2) und Gutes zu schenken (2 Kor 9,8).
  • Wie ein Junkie an nichts anderes denkt, als wie er an Stoff kommt, wie mancher an nichts anderes denkt, als wie er sein Geld vermehren kann, wie viele in der Mühle sitzen, die Karriere heißt und bis in die Träume das Denken diktiert, so treibt die alte Phantasie von Macht und Herrschaft ihre Unwesen. Seht, ich schaffe alles neu!, dieser Ausruf Gottes bezieht sich auf das Durchbrechen dieser alten Phantasie. So wie die erste Schöpfung erschaffen, so erneuert Gott die Welt in der Neuen Schöpfung. Alles wird neu, wo wir aus der Mühle des angeblich Notwendigen befreit werden.
  • Wer sich daher von der Kraft des Ostern anrühren lässt, mag aus der Tür treten und sehen, dass alles neu ist. Mancher muss 80 Jahre alt werden, um zu entdecken, dass der riesige Stein, an dem er sich immer abgemüht hat, eigentlich ganz gut da liegt - und kann sich drauf setzen, die Abendsonne zu genießen. Mancher mag entdecken, dass er dies und das nicht braucht und machen, schaffen, leisten muss. Mancher kann entdecken, dass er diesen Konflikt nicht bis zum bitteren Ende ausfechten muss, weil es eigentlich um nichts geht als um die eigene Eitelkeit. Siehe, da ist so manches neu, wenn wir es durch das Bad der Taufe ziehen, wenn es durch das Licht der Osternacht erleuchtet wird, wenn es in Christus aufersteht von den alten Allmachtsphantasien zur liebenden Ohnmacht, die die Herrschaft des Todes überwunden hat. Amen.