Predigt zum Mittwoch der Osteroktav 2010
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7. April 2010 - Vierzehnheiligen
Predigt zur Feier der letzten Gelübde in der Gemeinschaft der Jesuiten
1. Empfangen
- Ostern ist das Fest des Empfangens. An diesem Fest sind die Jünger vor allem Empfangende.
Das bedeutet nicht, dass sie statisch verharren. Das zeigt das Johannesevangelium an Maria von
Magdala. Während sie unter dem Kreuz mit den anderen nur stehend gedacht ist, wird während
sie am Grabe steht ihre Begegnung mit dem Auferstandenen begleitet von der Bewegung, mit
der sie sich vom Grab weg- und Jesus zweifach zuwendet. Aber gerade diese Bewegung ist eine
geschenkte. Sie wird ausgelöst durch die Engel und die Anrede des Auferstandenen. "Maria!".
So ist Ostern das Fest des Empfangens.
- Dem entspricht der Karfreitag als der Tag des Loslassens. Dass Maria den Leichnam Jesu trotz
ihrer Fragen nicht findet, deutet das an. Noch jetzt muss sie den, den sie kannte, ganz loslassen.
Das ist das Wesen des irdischen Todes. So sehr wir in unserem Leben und unserem Glauben
aktiv waren, so sehr wir versucht haben mögen, Herr unserer selbst zu sein, so sehr wir
versucht haben, Einfluss zu haben und Einfluss zu nehmen. Das Sterben wird uns all das aus
der Hand nehmen. Im Sterben werden wir mit leeren Händen dastehen, vor uns nichts als die
erhoffte Liebe Gottes.
- Deswegen lassen die Evangelien und lässt Paulus keinen Zweifel daran, dass wir sterben
müssen, um aufzuerstehen. Wenn schon, dann ist die Alternative nur die, diesen Weg des
Sterbens zu gehen, noch bevor unser biologisches System uns dazu zwingt. Es ist das geistliche
Sterben. Aber auch dieses ist nicht zu machen, wir können es nur an uns geschehen lassen. Es
geschieht dort, wo wir den Weg gehen, den Jesus voraus gegangen ist, der sich in Widerspruch
zu dieser Welt und ihren Anforderungen gestellt hat. So hat er den Tod erlitten. Die Synoptiker
stellen das deutlicher - und realistischer - in den Vordergrund als Johannes: "Mein Gott, mein
Gott, warum hast du mich verlassen?" (Mt 27,46, Mk 15,34); "Vater, in deine Hände lege ich
meinen Geist" (Lk 23,46). In diesem Augenblick kann der Mensch nichts mehr tun und nichts
mehr geben, nur noch loslassen und neu empfangen.
2. Geben
- Wenn wir aus dieser österlichen Haltung des Empfangens herausfallen, dann verlieren wir die
Lebendigkeit unseres Glaubens und unseres Apostolates. Das lässt sich leicht mit viel Aktivität
kaschieren. (Ich fühle mich kompetent, das zu beurteilen.) Diese Aktivität ist aber nicht das
Leben, das Gott schenkt. Gott mag sich auch das noch mal zunutze machen können. Aber es ist
nicht das österliche Leben. Dieses können wir nicht mit Aktivität machen.
- Und auch nicht mit Geld. "Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich
dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, geh umher!" Petrus und Johannes kommen zum
Tempel, um dort zu beten. Sie verfügen nicht über Instrumentarien, dem Gelähmten caritative
Hilfe anzubieten oder einen aufbauenden Exerzitienkurs in barrierefreien Häusern. Was sie
haben ist nur das, was sie empfangen haben, nachdem ihnen alles genommen war.
- Dieses Ereignis an der Schönen Pforte drückt aus, dass wir nicht in der Haltung der Empfangenden verharren sollen. Entscheidend aber ist, dass wir nicht das den Menschen anglücken,
was wir uns selbst zur Rettung der Welt ausgedacht haben, sondern nur das weiter geben, was
wir selbst empfangen haben. Deswegen leben wir österlich immer nur als Empfangende, die
nicht in eigenem Namen, sondern in Namen und Gesellschaft Jesu handeln können.
3. Gelübde
- In der Nr. 27 des 6. Dekretes schreibt die 34. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu: "In
den Jahren nach den Letzten Gelübden spürt der geweihte Jesuit all den Druck und die
Vielschichtigkeit des priesterlichen Dienstes in der Gesellschaft Jesu: wahrscheinlich wird er
mit einer Arbeit beschäftigt sein, die ihn ständig und bis zur Erschöpfung fordert." Das ist
realistisch. Aber es ist auch gefährlich. Wenn das allein das Leitbild unserer Berufung ist (was
es in der GK nicht ist!), dann wird daraus Aktivismus.
- Deswegen ist es wichtig, dass es im Zusammenhang der Gelübde steht. Insbesondere die
Gelübde der Armut und des Gehorsams zielen auf ein das Leben umfassendes "Experiment"
des Loslassens.
- Wir machen unsere Sendung nicht selbst, sondern wir empfangen sie. Jeden Tag und in
jeder Arbeit kann das prägen. Jesuiten rühmen sich gerne ihrer Qualität als Einzelkämpfer, der seine Destination irgendwann empfangen hat, aber jetzt tut und macht, was er
für richtig hält. (1) Damit haben wir aber nicht nur jede Verantwortung für einander
aufgegeben, für das Tun und Lassen des Mitbruders, für das, was er aufbaut oder
einreißt, was er für andere tut oder anderen antut. Dieses Miteinander in der Sendung
war ein wesentliches Element der Konstitution der Gesellschaft Jesu, wie sie Ignatius
vor Augen hatte. (2) Dem dient dann auch die Sendung durch den Oberen, die eben
nicht in einem einmaligen Destinationsbrief aus der Hand gegeben ist, sondern die
Geisteshaltung erfordert, in jeder Entscheidung nach dem zu suchen, was mir in meiner
Sendung gegeben ist, und in der Gewissensrechenschaft das regelmäßig zu überprüfen.
- Dass dies sowohl angstfreie Obere erfordert wie ein angstfreies Miteinander in der
Kommunität, scheint mir eine der wichtigen Erkenntnisse aus dem Rückblick zu sein,
wie und warum bei uns in solchem Ausmaß Missbrauch von priesterlicher und pädagogischer Macht - vor allem gegenüber Kindern - "übersehen" und geduldet werden
konnte.
- Hier sehe ich auch das Geschenk des Armutgelübdes. Es soll uns täglich spürbar und
erfahrbar machen, dass wir als Jesuiten nicht selbst "haben", sondern nur weitergeben
können, was wir empfangen. So sehr es sinnvoll ist, nicht mehr für jede Straßenbahnfahrt den abgezählten Betrag beim Pater Minister abzuholen, so sehr geht etwas
Zentrales verloren, wenn wir einen monatlichen Vorschuss als etwas Eigenes betrachten, über das wir jetzt frei verfügen oder unser Zimmer als Privatwohnung einrichten.
Auch hier ist die - wenn nötig: kritische - Gefährtenschaft ebenso wichtig wie angstfreie
Obere, die den Mut haben, ihre Mitbrüder anzusprechen, wenn sie sehen, dass der Geist
der Armut verloren geht. Hier geht es um nicht weniger, als um den Kern unserer
Berufung als Gefährten Jesu.
- Das Englische spricht nicht davon, die Gelübde abzulegen, sondern sie zu empfangen.
Eigentlich ist das der treffendere Ausdruck. In ihm wird deutlicher, dass die Gelübde nur die
besondere Weise ist, in der wir in unserer Berufung das empfangen, was jedem Christen in je
besonderer Weise geschenkt wird: Dass Gott uns das neue Leben schenkt, wo uns das alte
genommen ist - das neue österliche leben, das wir nur empfangen können. Amen.