Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Was zählt

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1. August 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Windhauch

  • Ich mag das Wort "Windhauch" aus der ersten Lesung. Das Wort beschreibt so schön Dinge, die sich wichtiger geben, als sie sind. Diese Dinge verstellen gern den Blick für das, was uns im Leben wirklich wertvoll ist. Wo viele Leute sich blenden und beeindrucken lassen, sagt Kohelet, der Prediger aus dem Alten Testament der Bibel, ganz einfach "Windhauch".
  • Luther hatte dasselbe Wort in der Bibel mit "Eitelkeit" übersetzt. Das hat zwar einen gewissen moralischen Unterton; es ist aber auch gut beobachtet. Denn die Dinge, die sich wichtiger machen als sie sind, haben häufig mit Eitelkeit zu tun, dieser billigen Nabelschau, die es immer nur ängstlich mit sich selbst zu tun hat.
  • Bei all dem geht es nicht darum, ob etwas gut ist oder schlecht. - "Sein Besitz ist ohne Grenzen und überdies kann sein Auge vom Reichtum nicht genug bekommen." - Es geht wirklich ausschließlich darum, ob sich etwas wichtiger macht als es ist. J. und C. haben sich diese Lesung ausgesucht, nicht weil sie etwas gegen Reichtum hätten, sondern weil sie ganz klar für sich gefunden haben, dass es etwas gibt, das wichtiger ist als Reichtum und dergleichen. Die beiden haben gefunden, dass ihnen Gott ein großes Geschenk gemacht hat, als sie einander begegnet sind. Sie sind einander wichtig. "Zwei sind besser als einer allein", denn "wenn sie hinfallen, richtet einer den anderen auf". Die beiden wollen, dass das nicht durch etwas anderes verstellt wird, das nur so tut als sei es wichtig.

2. Brasilien

  • Gestern war das Fest des heiligen Ignatius von Loyola. Seine Erfahrung mit seinem Lebensweg wirft ein interessantes Licht auf die Erfahrung von J. und C. in Brasilien. Auch Ignatius wollte auswandern. Von Barcelona aus machte er sich auf den Weg nach Jerusalem. Er hatte fest in sich die Berufung gespürt, dass dies der Weg ist, auf den Gott ihn führt. In Jerusalem wollte er leben und arbeiten. Aber dann ging es ihm wie J.: Er bekam kein Arbeitsvisum. Dass seine Pläne in Jerusalem gescheitert sind, war letzten Endes dann die Voraussetzung dafür, dass er zu dem wurde, was er geworden ist, ein Mensch, der das Leben von vielen anderen berührt und verändert hat.
  • Zwischen Ignatius und uns liegen über 500 Jahre. Aber letztlich haben J. und C. eine ganz ähnliche Erfahrung gemacht. Es ist und war zu keinem Zeitpunkt falsch, nach Brasilien zu gehen. Weder für J., die das Land kennen und lieben gelernt hat, noch für C., der J. kennen und lieben gelernt hat und ihr deswegen nach Brasilien gefolgt ist.
    Es ist wichtig, dass wir im Leben den Mut haben, Träumen nachzugehen und Pläne zu verfolgen. Die Erfahrung des Heiligen Ignatius ist, dass eigene Träume und Pläne zu haben gerade nicht im Gegensatz steht zum Glauben an Gott. Wichtig ist es allein, immer weiter nach dem wirklich Wichtigen Ausschau zu halten und nicht das Vorläufige für das Wichtigste zu nehmen.
  • Es wäre falsch, sich von den Bedenkenträger entmutigen zu lassen. Es kommt halt im Leben manchmal anders als geplant. Und auch das gehört dazu. Und das macht es nicht falsch, es zuvor versucht zu haben. Erfolg bemisst sich im Blickwinkel Gottes anders. Keiner kann wissen, wie es weiter gegangen wäre, wenn sich in Brasilien andere Möglichkeiten aufgetan hätten. Wenn aber der gemeinsame Weg nach Lateinamerika die Erfahrung bedeutet, dass man sich die innere Freiheit bewahren kann, auch wenn die äußeren Umstände widrig sind, dann waren die brasilianischen Monate sehr erfolgreich. Sie führen näher zu dem, was wirklich zählt.

3. Gemeinsam

  • Hier, in diesem Augenblick und an diesem Ort, kommt etwas zum Ausdruck, das wichtiger ist. Das Buch Kohelet spricht wunderbar pragmatisch darüber: "Wenn zwei zusammen schlafen, wärmt einer den andern; einer allein - wie soll er warm werden?". Gerade aber in diesem Buch der Bibel blitzt hinter aller Nüchternheit auf, dass all dies "unter der Sonne" von Gottes Gegenwart geschieht.
  • Nie käme der Bibel in den Sinn zu sagen, Liebe sei nichts anderes als dieses oder jenes. Vielmehr ist Liebe für gläubige Menschen immer mehr als alles, was ich konkret benennen und erfahren kann. Die vielen Texte und Geschichten der Bibel, die Riten und Liturgien der Kirche sind eine Art Schutzraum um das Geheimnis der Liebe, in der das Geheimnis Gottes und das Geheimnis, das ein jeder Mensch für uns ist, zusammen kommen. Im Glauben bedeutet Geheimnis nicht etwas Heimliches, Verborgenes, das keiner wissen könnte. Vielmehr bezeichnen wir mit Geheimnis, mit mysterion und sacramentum, die Erfahrung, dass die Wirklichkeit immer noch einmal mehr ist, heilig und unverfügbar ist, dass ich mit dem Leben nie definitiv zu einem Ende komme, ja, dass selbst im jenseits des Todes eine Fülle auf uns wartet, die jede Vorstellung übersteigt. Dieser 'Überschuss' gegenüber aller Berechnung und Planung unterscheidet das wirklich Wichtige von dem, was letztlich nur zweitrangig ist, auch wenn es sich wichtig macht.
  • J. und C. machen sich auf, gemeinsam das Wichtige im Leben zu entdecken, das was zählt. Es ist keineswegs ausgemacht, auf welche Kontinente sie diese Reise führen wird. Es wird manches Scheitern hoher Pläne dabei sein. Mancher Sturm wird durch das gemeinsame Haus fegen. Aber all das kann sie näher zu dem führen, was sie von der Tiefe ihres Herzens wollen und wozu sie heute beide ihr Ja sagen wollen. Amen.