Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Hochzeit - Gottes Reich beginnt hier

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24. September 2011 - Wallfahrtskapelle St. Marien, Dieburg

1. Fürchte dich nicht

  • "Fürchte dich nicht, du kleine Herde! " Es steht zu vermuten, dass Jesus bei diesem Trostzuspruch nicht zwei junge Leute vor Augen hatte, die die Blicke von 400 Paar Augen in ihrem Rücken spüren und einen fehlerfrei zu sprechenden Trauspruch vor sich haben. Aber das macht nichts, denn wir dürfen, wir sollen sogar das, was im Evangelium steht, auf heutige Lebenssituationen anwenden, wenn auch nicht willkürlich, sondern in dem Bemühen zu erfassen, was das Anliegen Jesu war und ist.
  • Das "Fürchte dich nicht, du kleine Herde! " bezieht sich also nicht auf die Zweizahl des Paares, die damit angespornt würden, diese Herde baldmöglichst zu vergrößern. Obwohl auch das Theresa und Jürgen nicht völlig fern liegen dürfte. Dennoch scheint mir der Sinn dieses Evangeliums für die beiden ein anderer zu sein. Denn nicht ob wir zwei, drei oder mehr sind, macht das "klein sein" der Herde, von der Jesus spricht, aus. Vielmehr ist sie in Gefahr, vor Sorgen klein zu sein: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Nun, diese Sorgen haben sich zu unser aller Glück viele Verwandte und Freunde gemacht, damit wir heute ausgiebig feiern können. Um welche Sorgen also geht es?
  • Eltern pflegen sorgenvoll zu sein, wenn ihre Kinder selbstständig werden, auch wenn die beiden Elternpaare Familien hier schon Erfahrung haben, dass das nur bedingt hilft.
    Ich habe noch eindrücklich den Vater der Braut im Ohr, der anlässlich der eigenen Silberhochzeit auf das Heiratsalter seiner Frau und sich zurückblickte und verkündete, seinen Töchtern würde er nicht erlauben, so jung zu heiraten. Denn in der Tat ist den jungen Eltern von damals die Erziehung missraten, wenn die Tochter damals schon dabei saß, die kurz darauf zeigte, dass sie nicht bereit ist sich an die Vorgaben zu halten.
    Pech des irdischen Vaters ist, dass das Evangelium ermutigt, seine Ratschläge in den Wind zu schlagen. Jesus sagt: "Um all das geht es den Heiden in der Welt. Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das braucht. Euch jedoch muss es um sein Reich gehen; dann wird euch das andere dazugegeben." Mit "Heiden" sind offensichtlich Menschen gemeint (und das sind nicht immer nur 'die anderen'), die um den Vater im Himmel nicht wissen und daher versucht sind, sich von den Sorgenfalten des irdischen Vaters beeindrucken zu lassen.

2. Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen

  • Der himmlische Vater ist der Gott, den die ganze Bibel bezeugt. Genauer gesagt finden wir in der Bibel diese Erfahrung des Volkes Israel bezeugt: Gott, der tiefster Ursprung von Himmel und Erde, wendet sich Menschen zu und geht mit ihnen einen Bund ein, um die Menschen auf den Weg des Lebens zu führen.
    Das Brautpaar hat als erste Lesung ein Stück aus dem Buch des Propheten Hosea gewählt. Er ist es, der für diesen Bund Gottes mit seinem Volk das Bild der Ehe geprägt hat. Sogar seine eigene Ehe hat Hosea symbolisch verstanden, um Gottes Werben um Israel im Bild des Werbens um eine Braut darzustellen. Die Ehe ist bei Hosea also nicht einfach ein Sprachbild, sondern ein gelebtes Bild für die größere Wirklichkeit: Gott liebt sein Volk und will in seiner Mitte leben, so wie Mann und Frau zusammen leben.
  • Das gibt Hosea die Gelegenheit, noch ein anderes Bild anzuschließen. Damals hatte der Bräutigam (oder seine Familie) einen Brautpreis zu entrichten. Ein für uns merkwürdiger Gedanke. Hosea aber kommt es auf den Gedanken an, dass dieser Brautpreis es der jungen Familie ermöglichen soll, ein eigenes Leben zu führen. Entsprechend lässt Hosea Gott zu seinem Volk sprechen: "Ich traue dich mir an auf ewig; ich trau dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen". Denn nur, wenn die Menschen Gerechtigkeit und Liebe von Gott annehmen, wird erfahrbar, dass dieser Bund Leben schenkt. Das Gesetz des Mose ist für Israel daher das schönste Geschenk Gottes.
  • In Jesus geht Gott aber einen Schritt weiter. Im Evangelium sagt er zu Theresa und Jürgen: "Euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben." Denn die Erfahrung zeigt: Nur das Vertrauen, das uns geschenkt wird, macht es uns Menschen möglich, selbst Vertrauen zu schenken. Nur auf der Basis von Vertrauen, das die Angst nimmt, wachsen Gerechtigkeit und Liebe. Im Bild gesprochen: Gott selbst hat den Brautpreis bereits entrichtet. Gott gibt sein Eheversprechen in Tod und Auferstehung seines Sohnes. Im Vertrauen darauf, dass der Tod überwunden ist und das vollendete Reich Gottes auf uns wartet - Gott hat schon beschlossen, es uns zu geben! - beginnt dieses Reich schon hier auf Erden. Menschen vertrauen Gott und wachsen so in die Haltung hinein, die Jesus schildert: "Fragt nicht, was ihr essen und was ihr trinken sollt, und ängstigt euch nicht! - Euch muss es um sein Reich gehen; dann wird euch das andere dazugegeben."
    Ohne dieses Vertrauen, würden die Einwände der sorgenvollen Väter und Freunde recht haben. Eure Ehe wäre leichtsinnig, wo doch noch gar nicht klar ist, wo, wie und wovon Ihr leben werdet. Es ist ein Geschenk Eures Glaubens, dass Ihr auf Euren himmlischen Vater vertraut, dass er Euch zur rechten Zeit die Kraft und die Hilfe geben wird, die Ihr braucht.

3. Verheißung von Gottes Reiches

  • Die Ehe und Familie, die Theresa und Jürgen heute beginnen, ist noch nicht das Reich Gottes und ist es doch schon. Denn hier beginnt es. Wo Menschen heute auf das kommende Reich vertrauen, beginnt die Dynamik Gottes, die sich im Himmel vollendet. Hosea schildert "jenen Tag" als den Bund Gottes mit allen Lebewesen, mit Vögeln, Fischen und Landtieren; es ist die Verheißung, dass Krieg und Gewalt ein Ende haben werden. Das ist 'Zukunftsmusik'. Wo aber Gott den vertrauenden Glauben schenkt, dort beginnt diese Zukunft.
    ("Wo Gott ist, da ist Zukunft" heißt daher das Motto des Besuches von Papst Benedikt in Deutschland. Und, nebenbei bemerkt, ist hier auch der Sinn des christlichen Zölibates: Es gehört als gelebte Form untrennbar zur christlichen Ehe. Die Ehe verweist darauf, dass Gottes Reich in der Zeit schon begonnen hat; der Zölibat verkündet durch die Lebensform, dass die Vollendung noch aussteht)
  • Die Dynamik Gottes ist bei Hosea beschrieben. Mit dem für uns merkwürdigen Ausdruck "erhören" ist liebevolle Zuwendung gemeint. Vom Himmel herab, schreibt Hosea, kommt diese Liebe, wie das Wasser des Regens auf die Erde. Das ist das Wasser der Taufe, in der sich Gott Theresa und Jürgen zugewandt und sie als seine geliebten Kinder angenommen hat.
    Dann heißt es: "Die Erde erhört das Korn, den Wein und das Öl ". Diese drei Früchte der Erde stehen für das Hochzeitsmahl und das Fest. Das Öl erinnert uns daran, dass Ihr im Sakrament der Firmung mit heiligem Öl gesalbt wurdet, um Gottes Geist zu empfangen und daraus zu leben. Korn und Wein verweisen uns auf die Gegenwart Gottes im Sakrament des Altares. Gott wendet sich uns in Brot und Wein liebevoll zu. Sie sind seine Gegenwart für sein Volk. Denn darauf zielt die ganze Dynamik, die Hosea schildert: das Volk Gottes, die Gemeinschaft der Kirche, die das Fest von Gottes Gegenwart in Leib und Blut Christi feiert.
  • Wir dürfen beeindruckt sein: Himmel und Erde geraten heute in Bewegung. Das hat so gar nichts zu tun mit dem nüchternen Ehevertrag beim Standesamt. Theresa und Jürgen haben uns eingeladen, das Fest von Gottes Gegenwart zu feiern. Es ist noch nicht das vollendete Himmelreich.
    Aber das Reich, das Gott beschlossen hat, Euch zu geben, wird in dem Sakrament Eurer Ehe für Euch und für uns erfahrbar. Lasst Euch nicht kirre machen durch das, was da kommen mag, in guten und schlechten Tagen. Davon lassen sich nur die verwirren, die vergessen haben, dass da ein Vater im Himmel ist, in dessen Händen Ihr geborgen und in dessen Himmelreich Ihr fest eingeschrieben seid. Amen.