Predigt zu Gründonnerstag 2010
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1. April 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Sklaverei
- Der Passah-Abend ist der Anfang vom Untergang der Sklaverei. Die Ägyptische Gesellschaft
beruhte darauf, dass Menschen unfrei gehalten wurden. Der Pharao brauchte willige Sklaven
für seine Paläste und Pyramiden. Gott aber macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Er ruft
sein Volk heraus aus der Sklaverei.
- Die schamlose Sklaverei ist in vielen Ländern zum Glück abgeschafft. Das heißt aber leider
nicht, dass die Menschen frei sind. Selbst dort, wo auch die verschämt-verdeckte Sklaverei
selten geworden ist, verkommen viele zu Sklaven der Erwartungen an Leistung, Ansehen oder
Wohlstand. Die echten Sklaven wissen wenigesten noch, dass sie Sklaven sind. Die
Terminkalender-Sklaven bilden sich sogar selbst ein, sie seien frei. Und wieder anderen wird
von denen da Oben gesagt, sie seien frei; aber um ihre Familie zu ernähren, brauchen sie
mehrere Jobs und bekommen nur Zeitverträge, bestenfalls.
- Das Evangelium entlarvt jedoch nicht nur jede Sklaverei als Sünde, sondern zudem jede Sünde
als Sklaverei: Sie raubt mir die Freiheit, die ich haben könnte, wenn ich ganz aus der Liebe des
Vaters leben könnte. Da ist es tragisch, wenn Sünde und Lieblosigkeit aus dem Streben nach
Freiheit begangen wird - und doch nur noch tiefer in die Sklaverei führt.
2. Befreiung
- Das Passah wird am Vorabend der Befreiung begangen. Es folgt der Durchzug durch das Rote
Meer, der lange Weg durch die Wüste und der Bundesschluss am Horeb, wenn Gott dem Mose
die Gebote offenbaren wird, durch die das Volk Gottes in Gerechtigkeit leben kann. Dies folgt
erst nach der Passah-Feier.
- Dennoch ist diese Befreiung in der Feier bereits gegenwärtig. Mitten im Land der Sklaverei
finden die Kinder Gottes in ihren Familien zum Mahl zusammen. Auch die Nachbarn sind
ausdrücklich mit einbezogen. Hier schon beginnt das Volk frei zu werden, weil es Gott zu
diesem Mahl zusammen ruft.
- Deswegen steht auch das Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern unter dem Zeichen des Passah.
Sie konnten es nur unter Vorsichtsmaßnahmen und in einem Haus von Freunden feiern, weil
die Bedrohung in der Stadt in diesen Tagen bereits groß geworden ist. Die Jünger wissen nicht,
was der nächste Tag bringen wird. Erst später werden sie begreifen, wie dieses Mahl mit der
Befreiung zusammen hängen wird, die in Kreuz und Auferstehung geschieht. Dann werden sie
verstehen, dass das Wort Jesu "Tut dies zu meinem Gedächtnis!" bedeutet, dass dieses eine
Abendmahl zum Kern ihrer Gemeinschaft werden wird. Sie werden am Tag der Auferstehung,
am Ostertag zusammen kommen, um dieses Mahl zu feiern. Am Vortag von Karfreitag hat
Jesus darin dem Kommenden vorgegriffen. In den Abendmahls-Gottesdiensten, die folgen,
wird dieser Vorgriff zur Erinnerung.
3. Gegenwart
- Die Erinnerung zu seinem Gedächtnis lässt den Vorgriff Gegenwart werden. Das galt schon für
das Passah-Mahl. Das Passah in Ägypten wurde zum Vorbild der Passah-Feiern am Tempel in
Jerusalem, in den Synagogen und in den Häusern des Volkes Israel. In der Gedächtnis-Feier
wirkt Gott die Befreiung für die Menschen jetzt, die sich damals im Passah ankündigte. Im
Gedächtnis an den Abendmahlssaal feiern die Christen ebenso, dass Gott das gegenwärtig
werden lässt, was damals geschehen ist: Die Überwindung des Todes durch seinen Sohn, der
wie ein Passah-Lamm sein Leben hingibt. (Das Johannesevangelium macht diesen Zusammenhang deutlich, indem es gleichsam alle drei Ereignisse in einem schaut: Das Passah, das
Kreuz und die Verherrlichung, die bereits in der liebenden Hingabe am Tag des Passah
geschieht, bevor sie sich in der Auferstehung ereignet.)
- Wenn dies der Zusammenhang von Passah-Mahl und Befreiung, von Abendmahl und Verherrlichung durch Jesu Tod und Auferstehung ist, dann hat das eine große Bedeutung für das, was
wir heute feiern. Denn die Feier weist über sich hinaus. Die Befreiung beginnt hier, wo Gott
sein Volk zusammenruft und am Altar ihm Nahrung ist. Zugleich aber ereignet sich die
Befreiung dort, wo wir aus dem Ritus des Gottesdienstes hinausgehen und uns die Befreiung im
Alltag schenken lassen.
- Wie dies geschieht zeigt die Fußwaschung. "Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die
Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen." Gott, der Allmächtige
selbst, gegenwärtig in Jesus Christus, übernimmt den Sklavendienst, seinen Jüngern die Füße
zu waschen. Die wahre Befreiung aus der Sklaverei besteht nun nicht mehr nur im Aufstand
gegen die Sklaventreiber des Pharao. Die wahre Befreiung beginnt dort, wo wir beginnen zu
begreifen, dass Gott wirklich und tatsächlich uns dient wie ein Sklave. Er tut dies nicht aus
Zwang, sondern aus Liebe. Gott will, dass dieses Beispiel Schule macht. "Ich habe euch ein
Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe." Sklaven der
Liebe zu werden, bedeutet nun Gottes Weg zu gehen, "göttlich" zu werden und diese Welt mit
ihrer Sklaverei durch den Dienst der Liebe zu verwandeln. Amen.