Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Hochfest Fronleichnam, Lesejahr A 1999 (Lesejahr A)

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10. Juni 2004 - St. Cyriakus Habitzheim

1. Schenken

  • John Irving erzählt von der Freundschaft zweier Jungs. Owen der eine, John der andere. Owen ist ein wundersamer kleiner Kerl. Nur Baseball kann er nicht spielen. Als er dennoch von der Schulmannschaft eingesetzt wird passiert das Dramatische. Mit aller Kraft haut er den Schläger gegen den kleinen Ball. Der aber fliegt mitten ins Publikum und erschlägt Johns Mutter. So schnell kann man zum Mörder der Mutter seines besten Freundes werden.
  • Was tun? Wie kann die Schuld beglichen werden? Nichts kann die Mutter wieder lebendig machen. Owen sucht etwas, um dem Freund zu zeigen, dass er die Schuld spürt und er schenkt ihm etwas, das äußerlich nur ein abgegriffenes, ausgestopftes Gürteltier ist. Für Owen aber ist es das Geheimnisvollste und Wertvollste, was er besitzt. Und John weiß das und nimmt das Geschenk an. Owen hat ihm das Wertvollste genommen, was John hatte - seine Mutter - und ihm das Wertvollste gegeben, was er besaß, eben jenes ausgestopfte Gürteltier. Seinerseits aber schenkt er nun etwas, um zu zeigen, dass er das Geschenk annimmt: seine Karten mit Autogrammen berühmter Baseball-Spieler, das Wertvollste, was John selbst besitzt.
  • Die Geschichte erzählt von Schuld und Vergebung. Wir würden vielleicht sagen, es war nur ein Unfall, ein unglücklicher Zufall. Kleine Jungs wissen besser, dass eine Freundschaft tief verletzt ist, wenn der eine die Mutter des anderen erschlägt. Durch das Herausgeben seines ausgestopften Gürteltiers hat Owen nicht einfach ein Geschenk gemacht, ein schmerzvolles Opfer gebracht. Er hat - in einem unscheinbaren Zeichen - gegeben was er konnte, sich gleichsam in die Hand seines Freundes gegeben. Und dieser hat das Opfer angenommen - und erwidert.

2. Gott gibt nicht etwas, sondern sich selbst

  • Ich verstehe durch diese Geschichte besser, was zwischen Gott und den Menschen passiert, gerade dort wo es in der Geschichte ganz anders ist. Die Schuld von uns Menschen ist ein ganzes Gewirr von Verstrickung, Tat, Untat und Unterlassen. Die Freundschaft mit Gott ist dadurch zutiefst gestört. Was können wir in dieser Situation tun? Was helfen die größten Opfer mehr als ein Zeichen zu sein, mit der Hoffnung, dass Gott es annimmt? Wir können immer nur einen Teil geben, das was wir besitzen, worüber wir tatsächlich verfügen. Eingebunden in Verantwortung, wie wir sind, ist das aber nicht viel.
  • Da geschieht aber etwas anderes, ganz unglaubliches. Gott selbst wechselt die Seiten, wird einer von uns und kann als einer von uns handeln. Und als einer von uns schenkt Jesus, der Christus, Gott, dem Vater und Schöpfer der Welt, nicht irgendetwas, sondern sich selbst. Man muss sich einmal klar machen, wie wenig wir selbst eigentlich besitzen, über wie wenig wir verfügen können, wie wenig wir schenken können. Und an das Wenige, das wir freigeben könnten für Gott klammern wir uns noch ängstlich fest.
  • Gott aber ist wirklich frei. Er besitzt nicht "irgend etwas" und davon besonders viel. Gott besitzt sich selbst - und kann sich daher selbst schenken. Das kann nur Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, als einer von uns tun: sich selbst schenken. Er schenkt sich uns in der Menschwerdung und er schenkt sich Gott in der Hingabe am Kreuz.

3. Der Bund

  • Damit ist der erste Schritt getan, um die Freundschaft zwischen den Menschen und Gott zu erneuern. Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, schenkt, opfert Gott nicht ein Gürteltier - für Owen war es das Wertvollste! -, sondern sich selbst. Wie in der Geschichte braucht diese Hingabe aber eine Antwort. Und wiederum schenkt Gott nicht irgendetwas, sondern sich selbst: seine Gnade, seinen Geist, das ist immer: sich selbst.
  • Die beiden Jungs haben Zeichen gefunden, um diese Hingabe aneinander in der Freundschaft auszudrücken, den Bund zu erneuern. Im Sakrament des Altares feiern wir genau das: das Zeichen der Hingabe, in dem der Bund tatsächlich erneuert wird. Das Brot aber ist nicht ein Gürteltier, es ist nicht eine Sammlung von Baseballkarten, es ist Gott selbst, der allein sich selbst schenken kann, weil er über sich selbst verfügt - Dies ist mein Fleisch! Dies ist mein Blut! Dies ist der neue und ewige Bund.
  • Dieser Bund, diese Gemeinschaft mit Gott, ist die größte denkbare Erneuerung von Freundschaft. Deswegen sagt die Schrift: Gott ist die Liebe. Denn um die Freundschaft aus der Tiefe der Schuld zu heben, schenkt Gott sich selbst. Im Brot gibt er sich in unsere Hand. Da können wir nur eins tun: Gott anbeten, ihm danken und ihn loben. Amen.