Predigt zum Fest der hl. Familie (Lesejahr A) 2010
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26.12.2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. König Herodes
- Herodes treibt die Menschen in die Flucht. Vor diesem König und seiner Brutalität flieht Josef
mit Maria und dem Kind nach Ägypten. Erst als der König definitiv tot ist, können sie eine
Rückkehr wagen. So hat sich Herodes in unserem Gedächtnis eingegraben: als der kindermordende, christusverfolgende böse König.
- Vielleicht aber hat sich Herodes selbst nicht so gesehen. Er fühlt sich als König seines Volkes
und versucht so, einer ganzen Nation zugleich Vater und Mutter zu sein: Fürsorglich wie eine
Mutter, wo es möglich ist; streng wie ein Vater, wo es nötig ist. Die Strenge des Vaters sieht er
vor allem dort gefordert, wo sich Untertanen der Fürsorge der Mutter entziehen wollen oder die
Autorität des Vaters nicht achten. Um der gerechten Ordnung willen, so meint Herodes, müsse
er dann hart durchgreifen.
- Mag das Bild auch bei dem historischen Herodes nicht zu belegen
sein, etwas von dieser
Ideologie steckt in jedem Herrscher - bis heute. Wem Verantwortung
übertragen ist, so lautet
die Begründung, dürfe nicht kneifen, wenn es kritisch wird. Der Staat
habe wachsam für die
Sicherheit und fürsorglich für das Wohl der Landeskinder zu sorgen. Das
Volk ist des zufrieden, zumindest im Großen und Ganzen, solange man
nicht auf einmal selbst zum Staatsfeind erklärt wird und nach Ägypten
fliehen muss.
2. Vater und Mutter
Das Christus-Kind flieht vor dem übermächtigen König, dem väterlichen König wie dem mütterlichen.
- Herodes hat wohl kein schlechtes Gewissen. Er will für sein Volk
nur das Beste. Die Staatsmacht will die Menschen umsorgen, für sie da
sein. Sie trägt die ganze Last. Sie opfert sich auf
für die Landeskinder. Vollends erst im modernen Sozialstaat kommt die
ganze mütterliche
Macht zum Durchbruch. Nicht für sich selbst will diese Mutter da sein,
sondern voll Fürsorge
für die Kinder. Dafür will sie nichts anderes als ein wenig Anerkennung
und Liebe (und
natürlich Bereitschaft, das Ganze mit Steuern zu bezahlen). Eine große
fürsorgende Mutter,
deren einziger Lebenszweck darin besteht, für ihr Kind da zu sein. -
Deswegen wird die Mutter
zur Furie, wenn das Kind selbstständig zu werden versucht. Die Botschaft
Jesu bedroht die
Zuständigkeit der Mutter: Wenn er in der Bergpredigt sagt: "Macht euch keine Sorgen und fragt
nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen?" (Mt 6,31),
dann kann die Mutter damit leben, solange sie die Sorgende ist. Jesus aber verkündet: Euer
himmlischer Vater wird für euch sorgen. Herodes ahnt schon: Damit bedroht Jesus die 'Große
Mutter' und entzieht die Landeskinder ihrer Herrschaft!
- Gegen dieses trügerische Vertrauen in den "himmlischen Vater" greift der irdische Vater ein.
Jetzt ist der strenge Herodes gefragt. Jesus wird die Grundfesten des Staates erschüttern, wenn
er ehrbare Leute dazu bringt, "alles zu verlassen" und ihm nachzufolgen. Jesus sucht ja
geradeaus die Konfrontation: "Ihr sollt niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer
ist euer Vater, der im Himmel." (Mt 23,9). Wer soll dann den Staat zusammenhalten? Das
Fundament ist in Gefahr, wenn die Autorität der Väter angekratzt wird. Das Beten Jesu ist
staatsbedrohlich: "Vater unser im Himmel....".
- "Kind, wie konntest du uns das antun?", haben schon die Eltern Jesu vorwurfsvoll gefragt als
sich der Junge, kaum 12 Jahre alt, von seiner Familie, den Eltern und Verwandten abgesetzt
hat, um "im Haus seines Vaters", im Tempel, zu sein. Herodes
belässt es nicht beim vorwurfsvollen Ton. Seiner Fürsorge und Strenge
kann man sich nur durch Flucht entziehen.
3. Taufe und der Vater im Himmel
- Heute feiern wir eine Taufe. Das erinnert uns daran: Wir alle sind
in der Taufe hineingenommen in die neue Familie, das Volk Gottes. Kein
Herrscher auf Erden, nicht in der Familie, nicht
im Staat steht für uns vor dem, den wir vertrauensvoll 'Vater' nennen.
Keiner fürsorglichen
Mütterlichkeit auf Erden steht es mehr zu, uns von sich abhängig zu
machen. "Um all das geht
es den Heiden", die keinen Gott im Himmel kennen. Gott wird für uns sorgen, wenn wir uns
aus der Bemutterung befreien, unsere eigenen Kräfte entdecken und sie für Gottes Reich und
Gottes Gerechtigkeit einsetzen.
- Das mag für die Eltern von Raphael, der heute getauft wird, hart klingen. Kaum ist ihr Kind
geboren wird schon verkündet, dass nicht mehr Mutter und Vater auf Erden das Wichtigste
sind. Einen anderen soll Raphael seinen Vater nennen, nicht seinen Erzeuger.
- Aber gerade darin besteht die Frohe Botschaft, das Evangelium, nicht nur für Raphael, sondern
auch für seine Eltern. Alle Mütter und Väter sind in der Versuchung, zu kleinen Herodesen zu
werden - wie Herodes, der Angst um seinen Einfluss hat. Die heilige Familie aber ist genau die
Familie, in der es nicht so zugeht. So sehr der kleine Raphael noch lange die Hilfe und
Erziehung seiner Eltern braucht, seinem Vater und seiner Mutter sagt das heutige Fest, dass sie
mit Freude diesen Dienst an ihrem Kind annehmen können, aber sich nicht daran klammern
dürfen. Je mehr die Eltern ihrem Kind helfen, Christ zu werden, desto mehr müssen und dürfen
sie lernen, im Vertrauen auf Gott ihr Kind frei zu geben. Dieses Vertrauen verbindet uns alle:
als Schwestern und Brüder in der Heiligen Familie des Volkes Gottes. Amen.