Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Sonntag Christkönig im Lesejahr B 2018 (Johannes)

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25. November 2018 - St. Remigius, KHG Bonn

1. Unterscheidung

  • An Jesus Christus scheiden sich die Geister. Das ist ein Phänomen, das in allen Evangelien beschrieben wird. Die Konfrontation Jesu mit Pilatus gehört da ebenfalls dazu. Dort wo Jesus auftritt, wird unterscheidbar, was von gutem Geist ist und was von schädlichem Geist ist, was das Leben in Glaube, Hoffnung und Liebe fördert und was es hindert.
  • Damit sind wir im Zentrum des christlichen Glaubens. Die Geister scheiden sich nicht an den Buchstaben eines Gesetzes, nicht an der Erfüllung einer Vorschrift, nicht an der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, auch nicht an Heiligen, Päpsten oder sonstigem, Sondern an dem fleischgewordenen Wort Gottes, an Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Das bedeutet Christ-König.
  • Sein Königtum ist nicht von dieser Welt. Deswegen funktioniert diese Herrschaft auch anders, als die Herrschaft der Herrscher dieser Welt. Das Königtum im Reich Gottes bindet sich an die Liebe, die sich für andere verschenkt. Für das Johannesevangelium ist deswegen klar, dass dort, wo Jesus am Kreuz erhöht wird, die Gottesherrschaft auf dieser Erde verkündet wird. Die Dornenkrone ist die einzig wahre Krone. Die anderen drei Evangelien machen dasselbe dadurch deutlich, dass sie daran erinnern, dass Jesus bis ganz zuletzt die Jünger daran gehindert hat, zu sagen, dass er der Messias ist. Erst unter dem Kreuz ist dieses Bekenntnis wahr.
    Diese Wahrheit hat eine wehrende und eine befreiende Seite.

2. Der Gewalt wehren

  • Die Wahrheit über Gottes Gegenwart in Jesus Christus wehrt sich gegen jede Verabsolutierung menschlicher Macht. Ja, es braucht Macht, um in dieser Welt etwas zu gestalten. Aber diese Macht hat immer eine innere Tendenz, denjenigen, dem sie verliehen ist, zu vergöttlichen. Macht fasziniert den, der sie innehat, und den, alle die sich an ihr ergötzen.
  • In der römischen Antike galten deswegen die Christen als Atheisten, weil sie die Göttlichkeit der römischen Gesetze und des römischen Kaisers nicht anerkennen wollten. Überraschend ist, dass vor wenigen Tagen der ehemalige Kurienkardinal Müller1 genau dieselbe Argumentation gebraucht hat. Er hat gesagt, wer die Lehre von der Sündhaftigkeit der Homosexualität auch nur diskutiert, betreibe damit den Einbruch des Atheismus in die Kirche. Er hatte also damit eine Position "der klaren Expertise der Glaubenskongregation" in einer ethischen Frage (die klar noch nicht einmal zu dem gehört, was in der Katholischen Kirche zum Dogma gehört!) mit der Gegenwart Gottes in der Welt identifiziert. Wer sie leugne, leugne praktisch Gott selbst!
    Diese Identifizierung mit Gott geschieht zwar oft, wird aber selten so entwaffnend klar ausgedrückt. Meistens verstecken sich religiöse Autoritäten und sagen nicht klar: 'Wer meine Meinung und meine Autorität in Frage stellt, der stellt Gott in Frage!'. Tatsächlich aber ist diese Verwechslung unvermeidbar immer eine Gefahr, sobald Gott in dieser Welt gegenwärtig erfahrbar sein soll. Weil Gott gegenwärtig ist, gibt es diese Gefahr der Verwechslung.
    Deswegen muss sich jede Autorität immer wieder an der Barmherzigkeit Gottes messen lassen. An Jesus Christus unterscheiden sich die Geister, und diese Unterscheidung der Geister ist für das Leben der Kirche unverzichtbar. Nur so kann sie sich dagegen wehren, dass der Name Gottes für Autoritätsansprüche von Menschen missbraucht wird.
  • Die Wahrheit über eine religiöse Institution oder eine religiöse Autorität ist, dass sie nicht Gott ist. Das klingt vielleicht selbstverständlich, ist es aber nicht. Religiöse Autoritäten und Institutionen sind - nach meiner Meinung - unverzichtbar und wichtig. Sie helfen uns, als Einzelne und als Gemeinschaften zu einem Leben in der Gegenwart Gottes zu finden.
    Gerade deswegen sind aber das Erste und Zweite Gebot so zentral: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen. Christus ist König im Reich Gottes, er, der Gekreuzigte, allein. Wer daher Unrecht, das von religiösen Autoritäten oder Institutionen ausgeht, benennt und anklagt, ist nie der Blasphemie schuldig, sondern hilft vielmehr, dass die Wahrheit des Evangeliums freimacht. Christus ist König, er, der Gekreuzigte, allein.

3. Zum Lob befreien

  • Neben dieser wehrenden hat die Botschaft von Christkönig aber auch eine befreiende Seite. Sie macht den Raum frei dafür Gott zu loben. Jeder, der einmal erfahren hat, wie befreiend ein Loblied zur Ehre Gottes sein kann, weil es die Seele nach oben hin öffnet, der wird verstehen wovon ich spreche. Das Bekenntnis, dass Christus allein König ist, befreit dazu, dass wir als Kirche Gott loben dürfen.
  • Eigentlich ist das das Privileg der Engel. Ihr Wesen ist es, dass die Erfahrung der Güte Gottes in ihnen zur Musik wird und sie im "Heilig, Heilig, Heilig" Gott loben. Im Gottesdienst bricht durch die heilige Liturgie die menschliche Fragwürdigkeit auf, und wir stimmen ein in den Lobgesang der Engel des Himmels. Dadurch, dass wir bekennen, dass Christus allein der König ist, werden wir befreit dazu, Gott mit unserem sterblichen Leib und in einer durch die Sünde fragwürdigen Gemeinschaft zu loben: Gott du allein bist heilig und bist der Quell aller Heiligkeit.
  • Indem jeder von uns sich selbst immer wieder im Gebet und in der Meditation, im Gespräch und in der Begegnung vor die Wahrheit des Mensch gewordenen Gottes stellt, erfahren wir, dass sich auch in uns und unter uns an Jesus Christus die Geister scheiden.
    Das ist eine großartige Befreiung, dort wo es hilft, auch in uns die Versuchung zu erkennen und zurückzuweisen. Wir können erfahren, dass wir wertvolle, von Gott geliebte Menschen sind. Wir müssen nicht andere Menschen für uns instrumentalisieren. Wir müssen niemand für unser Ego missbrauchen, um groß zu sein. Weil Christus allein König ist, können wir mit ihm Kinder Gottes sein. Das ist mehr als wir auch offen können. Das ist es, was Gott uns schenkt. Amen


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Anmerkung 1:
Aus dem Interview mit Kardinal Müller über die Missbrauchskrise (21. November 2018):
"If this priest (Ansgar Wucherpfennig) calls the blessing of homosexual relationships the result of a further development of doctrine, for which he continues to work, it is nothing but the presence of atheism in Christianity. He does not theoretically deny the existence of God, but, rather, he denies Him as the source of morality by presenting that which is before God a sin as a blessing."