Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum Sonntag Christkönig im Lesejahr B 2000 (Johannes)

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26. November 2000 - khg Göttingen, Universitätskirche St. Nikolai

1. Der geschundene König

  • "Ich bin ein König", aber: "Mein Königtum ist nicht von dieser Welt". Was soll das also? Wird hier verkündet, dass Jesus mit dieser Welt nichts zu tun hat? Da sollte man sich erinnern, dass im Johannesevangelium mit Welt nicht einfach ein Ort gemeint ist, sondern ein Zustand. An anderer Stelle betet Jesus für die Kirche ausdrücklich nicht, dass die Christen aus der Welt herausgenommen werden, sondern, dass sie in der Welt vor dem Bösen bewahrt werden (Joh 17,15). Oder, an der selben Stelle, sagt er von seinen Jüngern, dass sie nicht "von" (gr.: ek) der Welt sind. Es geht also nicht darum, dass das Königtum Christi nichts mit der Welt zu tun hat, sondern darum, dass es anderen Ursprungs ist.
  • Jesus wird angeklagt, "König" zu sein. Die Schuldtafel über seinem Kreuz lautet auf "König der Juden". Verständlich, dass die, die ihn angeklagt haben, gegen diese Tafel protestieren. Sie hätten lieber als Schuldspruch, dass Jesus von sich behauptet hätte, er sei ein König. Aber der Text bleibt. Was Pilatus geschrieben hat, das hat er geschrieben. Jesus stirbt, weil er ein König ist. Wenn man das 18. Kapitel bei Johannes, aus dem das heutige Evangelium genommen ist, aufmerksam liest, wird man feststellen, dass sich alles um diesen Titel dreht: Jesus ist König. Die Soldaten, die sich mit der Dornenkrone und dem Purpurmantel einen Spaß machen wollten, haben Jesus vor aller Augen zum König gekrönt.
  • Kein König der für die Klatschspalten der Regenbogenpresse taugt. Kein Herrscher, der wie der japanische Kaiser abgehoben in seinem Palast herrscht. Kein orientalischer Großkönig mit prunkvoller Machtentfaltung. Ein König mit geschundenem Antlitz, mitten unter den Menschen. Mitten in der Welt, ja mitten im Bösen, zwischen zwei Verbrecher gehängt. Mitten in der Welt. Aber das ganz andere dieser Gegenwart des Königs macht nur überdeutlich: Dieses Königtum ist nicht von dieser Welt.

2. Der gute König

  • Vielleicht ist der Titel König heute nichts, was unmittelbar vom Hocker reißt. Aber einer, der den Anspruch erhebt, nicht wieder nur ein Teil von dieser Welt zu sein, aber gerade deswegen in dieser Welt eine radikal neue Perspektive zu eröffnen: Dieses Bild kann Kraft für mich gewinnen, wenn ich merke, wie wenig kraftvoll das ist, was doch nur wieder Reproduktion des Gehabten ist, doch nur Teil von der Welt, die ich zur Genüge kenne.
  • Es ist gar nicht so leicht ein alternatives Bild zu dem des Königs zu finden. Vielleicht ist aber das Bild sogar einfacher verwendbar in einer Zeit, in der die irdischen Könige kaum noch Bedeutung haben. Bezeichnender Weise wurde das Fest, das wir heute feiern, erst 1925 eingeführt. Da spielt etwas von der Sehnsucht nach der guten alten Zeit mit rein, die natürlich nie so gut war, aber als Projektionsfläche für Utopien besser ist, als man meint, weil eine Verwechslung mit der Gegenwart ausgeschlossen ist. Es geht nicht um die Staatsform der Monarchie, es geht um die Gestalt des Königs.

  • Stellen wir uns also einmal einen guten König aus der guten alten Zeit vor. Bilder aus Romanen und Filmen haben wir ja vielleicht im Kopf. König Arthur ist so einer, zugleich bewunderungswürdig groß, zugleich menschlich und nahe. Der gute König in diesen Romanen ist einer, der mit seiner ganzen Person einsteht für das, was er macht. Er ist nicht eine fremde, anonyme Macht, sondern einer, der persönlich die Ritter sammelt und ruft, die mit ihm ziehen, in Zeiten des Friedens wie in Zeiten des Krieges. Er bettet sich nicht auf Kissen, während seine Ritter im Morast liegen, sondern teilt in allem ihr Schicksal, im Guten wie im Schlechten. Deswegen sind seine Ritter auch nicht bezahlte Söldner oder erpresste Landsknechte, sondern freie Ritter, die einen langen Weg gezogen sind, um diesem König zu dienen. Sie haben seinen Ruf gehört und folgen ihm. [Ein Nachhall aus dieser archaischen Zeit ist der alte Don Vito Corleone. Seine Güte und die Treue, die ihn mit seiner famiglia verbindet, spiegelt das alte Ideal wider. Es ist kein Wunder dass diese Gestalt den Zuschauer fast wider Willen in ihren Bann zieht. Die ganze Trilologie "Der Pate" ist doch nichts anderes als die Trauer darum, dass die ursprünglich gute Königsgestalt verloren gegangen ist in einem Meer von Gewalt und Verrat.]

3. Der Ruf des Königs

  • Ja, zugegeben, König Arthur ist eine Sagengestalt [und Don Vito Corleone gehört zur Mafia]. Man müsste in eine fremde Welt einsteigen, um darin leben zu können. Keiner von uns wird Ritter an Arthurs Tafel [und hoffentlich keiner Mafiosi]. Aber es gibt einen König, es gibt einen Paten, der nicht in einer anderen Welt einlädt und ruft, sich ihm anzuschließen, sondern in unserer. Es gibt einen König, der sich in völliger Ohnmacht zeigt - am Kreuz - um jede Verwechslung mit all den anderen Königen auszuschließen, und doch einer ist, der wie ein König uns ruft, uns mit unserem Leben ihm anzuschließen. Nicht von dieser Welt, doch in dieser Welt. Christkönig feiern heißt diesen Ruf des Königs anzunehmen.
  • Dann helfen uns die Bilder aus den alten Sagen wieder. Der König ruft uns in seinen Dienst, statt uns sich zu unterwerfen. Diesem König zu dienen muss unsere freie Entscheidung sein, und mancher muss weite Länder durchqueren, um zu diesem König zu kommen. Wie ein König ist es aber auch Christi freie Entscheidung, uns in seinen Dienst zu nehmen. In der Liturgie der Taufe wird gefragt: "Was begehrst Du?".
    Die Nachfolge Christi ist kein Automatismus, kein Rechtsvorgang wie die Immatrikulation im Studentensekretariat. Wir treten dem König sehenden Auges gegenüber, wir haben uns von seiner Lebensweise, seiner Gerechtigkeit, seiner Heiligkeit überzeugen lassen und bitten ihn, dass er uns aufnimmt. Ohne diese Bitte gibt es kein Leben in Christus. Hineinmogeln gibt es nicht, nur Bitte und Antwort, nur Annahme, Aufnahme und Nachfolge.
  • Wie der gute König seine Ritter lässt Christus uns nicht alleine ziehen, sondern zieht mit uns. Er teilt mit uns die Mühen des Weges. Aber auch das Umgekehrte gilt: Wer mit Christus leben will, muss sich auf das Leben einlassen, das dieser König führt, auf die Mühen und Plagen, über die das Evangelium keinen Zweifel lässt. Wir können nicht erwarten, für uns Lob und Anerkennung einzuheimsen, wenn unser König mit einer Dornenkrone verspottet wird. Aber wenn wir uns auf den Lebenssinn dieses Königs einlassen, wenn wir ihn darum bitten, mit ihm ziehen zu dürfen, dann eröffnet sich die radikal verwandelnde Kraft, aus der dieser König lebt. Wer das erfährt, wird es nicht mit Ritterromantik verwechseln, sondern Lebensfreude entdecken.

Literatur: Köster, Peter: Zur Freiheit befähigen. Kleiner Kommentar zu den Großen Exerzitien des hl. Ignatius. Leipzig (St. Benno) 1999, S. 86-98.