Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 9. Sonntag im Lesejahr C 2016 (Lukas)

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29. Mai 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg,

1. Nahe sein

  • Was ich wirklich kennen lernen möchte, schaue ich mir aus der Nähe an. Was ich wirklich liebe, dem möchte ich nahe sein. Wenn ein Mensch mich fasziniert, interessiere ich mich auch für ihn. Wer einen Menschen liebt, will mit ihr oder ihm zusammen sein.
  • Absichtlich auf Distanz bleiben nur die Desinteressierten, die Zyniker und die Langweiler. Häufig sind das die selben. Es gibt diese Menschen, die sorgsam darauf achten, dass ihnen nichts zu nahe kommt - und halten deswegen nach allen Seiten Distanz.
  • Das absolute Gegenteil davon ist die Kommunion. Hier kommen Mensch und Gott, ja Gott und Mensch sich einander nahe. Hier, in der Einfachheit und dem Gebrochensein des Brotes, lässt Gott uns ganz nahe heran an sein Herz, seine Barmherzigkeit. Hier, wo ich den Leib Christi berühren, ja, empfangen darf, spüre ich etwas von der großen Liebe des Gottes, der mir in allem Dienen und in allem mich lieben will. En todo amar y servir.

2. Beeindrucken

  • Jesus ist offensichtlich zu beeindrucken. Dem römischen Offizier in Kafarnaum ist das gelungen. Die Bibel notiert "Jesus war erstaunt über ihn". Der Mann ist offensichtlich ein fähiger Beamter und was seinen Beruf anbelangt nüchtern und effektiv. Und doch kann Jesus über diesen Vertreter der fremden Besatzungsmacht sagen:" Nicht einmal in Israel habe ich einen solchen Glauben gefunden." Dieser Mann hat ein großes Vertrauen in die Gegenwart Gottes hier und jetzt. Jesus ist offensichtlich beeindruckt.
  • Gemessen daran fällt auf: Der Mann hält Distanz. Ihn selber bekommen wir in dem Bericht des Lukas-Evangeliums gar nicht zu Gesicht. Er lässt seine Bitte an Jesus durch befreundete "jüdische Älteste" vorbringen. Und als Jesus sich aufmacht, zu ihm gehen will, um den Diener zu heilen, da "schickte der Hauptmann Freunde und ließ ihm sagen: Herr, bemüh dich nicht!"
  • Der Hauptmann von Kafarnaum ist nicht kühl distanziert. Im Gegenteil. Er sorgt sich um seinen Diener, "der todkrank war und den er sehr schätzte". Unter den Juden hat er Freunde, die ihm bescheinigen "er liebt unser Volk". Und auch, als er zu Jesus schickt mit der Bitte, er möge sich nicht bemühen, sendet er nicht irgendwen, sondern ausdrücklich "Freunde". - Das alles wird so betont, dass man spürt: Hier hält einer Distanz, nicht weil er zynisch und kalt ist, sondern aus einer großen Hochachtung und Zuneigung heraus. Der Hauptmann von Kafarnaum hat beinahe etwas hanseatisches (nur das Hanseaten Kaufleute sind und keine Hauptleute).

3. Liebe erfahren

  • Diesem Hauptmann von Kafarnaum verdanken wir ein Gebet, das an zentraler Stelle im Ablauf der Heiligen Messe steht, an der persönlichsten, intimsten, für viele emotionalsten Stelle. Dort wo Gott mich ganz persönlich berührt, in der Kommunion des Segens, in der ich berührt werde um das Segenszeichen des Kreuzes auf die Stirn zu empfangen, oder in der Kommunion des Sakramentes, in dem Christus sich berühren lässt und sich in meine Hände gibt, mir zu Nahrung für das ewige Leben.
  • Der Hauptmann sagte: "Ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst. Deshalb habe ich mich auch nicht für würdig gehalten, selbst zu dir zu kommen. Sprich nur ein Wort, dann muss mein Diener gesund werden." Daraus wurde das Gebet, das wir gemeinsam vor der Kommunion sprechen: "Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund." - Die Erinnerung an den Ursprung dieser Formulierungen macht klar, dass ich mit dem Gebet ja nicht die Kommunion zurückweise, im Gegenteil. Ich gehe nicht auf Distanz, im Gegenteil. Es ist ein Gebet der dankbaren Liebe. Es ist ein Gebet der staunenden Ehrfurcht. Ich spreche es zusammen mit allen. Ob der Papst oder dieser Mitchrist dort, von dem ich spüre, dass ihr oder sein Glaube den meinen bei weitem übertrifft: "Herr, ich bin nicht würdig..."
  • Nicht weil ich würdig bin, kommt Christus in der Kommunion zu mir, sondern weil er mich liebt. Segen, sage ich nicht nur Kindern gern, ist 'Küsschen vom lieben Gott', ein liebendes Zeichen vom Himmel. Als Mensch möchte ich Gott erfahren, seine Wunder spüren: So wie ich mir sich das genau anschaue, was mein Interesse geweckt hat, wie ich dem nahe sein möchte, den ich liebe. - Der Hauptmann von Kafarnaum aber erinnert mich daran, dass die echte und wahre Liebe den anderen nicht herrschaftlich in Besitz nimmt, sondern sich in Hingabe ganz anvertraut. Vor der Begegnung in der Heiligen Kommunion spüre ich, dass nun etwas außerordentliches, heiliges, ganz persönliches geschieht. Ich spüre, dass ich geliebt bin, nicht wegen irgendwelcher Leistungen. Ich darf weder den Segen noch das Sakrament aus dem Grund empfangen, weil ich besonders "würdig" wäre, weil ich gerade erfolgreich gebeichtet oder sonst eine Anstrengung unternommen hätte. Vielmehr ist es nur ein Grund: Der allmächtige Gott will durch die Gegenwart seines Sohnes in diesem heiligen Zeichen in der Begegnung mit mir eintreten in diese Welt, die er liebt. "Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund." Amen.