Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 9. Sonntag im Lesejahr A 2011 (Matthäus)

Zurück zur Übersicht von: 9. Sonntag Lesejahr A

6. März 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Um einander wissen

  • Es ist gut, etwas über den anderen zu wissen. Freundschaft und Liebe beginnen dort, wo ich dieses Wissen in mich aufnehme, und es mich selbst prägt und verändert. Ich kann zu einem anderen werden, wenn du mir wichtig wirst, und ich dich kenne. Das Wissen um den anderen bleibt dann nicht äußerlich; es wird ein inneres Wissen und Mit-Einander-Vertrautsein.
  • Diese Beziehung ist keine Einbahnstraße, so wie mich eine Romanfigur vielleicht auch prägen und verändern kann. Wirkliche Beziehung ist ein wechselseitiges Geben und Nehmen. Vertrauen schafft Vertrauen. Wo der eine dem anderen einen Blick in das Herz erlaubt, dort schafft er die Möglichkeit, geliebt zu werden.
  • Das ist immer ein Risiko. Manche haben zu oft eine Enttäuschung erlebt, als dass ihnen das noch einmal möglich scheint. Dann braucht es den langen Atem der Freundschaft.

2. Beziehung von Herzen

  • Beziehungen sind immer ein Abenteuer. Es ist nicht so, dass man einmal die Beziehung aufgenommen hat und dann davon lebt, als würde man Strom aus einer Steckdose ohne Wackelkontakt ziehen. Vielmehr wachsen und verändern sich Beziehungen mit dem lebendigen Menschen, mit dem was wir tun und was wir erleben und erleiden. Zum Glück sind wir Menschen nicht als eindimensionale Maschinen konstruiert, sondern mit einer Seele erschaffen. Diese Seele ist für Christen nichts, das unberührt und unberührbar wäre; die Bibel spricht daher lieber vom Herz (oder der Niere), also einem lebendigen, pulsierenden Organ.
  • Wie tief die Freundschaft oder Liebe geht, werden wir wahrscheinlich immer erst merken, wenn die Zeiten stürmisch werden. Wenn ein Wolkenbruch kommt und die Wassermassen heranfluten, wenn die Stürme toben und an dem Haus der Freundschaft rütteln, dann erst bewährt sich die Liebe.
  • Das mag in Krisen führen. Trotzdem ist der Sturm besser, als sein Leben im Windschatten zu fristen und in stets geschützten Winkeln zu vergraben. Denn Liebe braucht, wie meine Seele, Wachstum. Solange wir Menschen sind, sind wir unterwegs. Ein wenig gilt das auch anders herum: So lange wir unterwegs sind, sind wir Mensch. Die Erfüllung in Ruhe ist erst die Verheißung für das Jenseits.

3. Glaube, der trägt

  • So verstehe ich den Abschluss der Bergpredigt, den wir heute gehört haben. Der erste Teil besteht in der Warnung Jesu "Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen." Der zweite Teil bringt jenes Bild vom Haus auf Sand oder Haus auf Felsgrund, dem ein Mensch gleicht, je nachdem, ob er die Worte der Bergpredigt "hört und danach handelt" oder nicht.
  • Immer geht es im Glauben um vertrauensvolle Beziehung. Das "Herr! Herr!" kann eine rein äußerliche Anerkennung Gottes sein. Es ist aber noch kein Glaube, der trägt.
    Dazu braucht es eine lebendige Beziehung. Nicht das äußere, sondern nur das innere Wissen um Gott prägt mein Leben und gibt ihm Stand. Gerade deswegen ist es eine so großartige, frohe Botschaft, dass Gott Mensch geworden ist, und wir ihn in der Gestalt eines Menschen erkennen können. Gerade deswegen ist es ein so wunderbares Sakrament, dass wir im Heiligen Zeichen, Christus in uns aufnehmen können als Speise für das Leben der Seele.
  • Jesus kennen bedeutet, im eigenen Denken, Sprechen und Handeln sich von ihm prägen zu lassen. Der 1. Johannesbrief sagt deswegen, dass nur der Gott erkennt, der die Liebe tut (1Joh 2,4). Das bedeutet doch, dass ich den anderen nicht irgendwie toleriere, sondern dass ich ihn in dem was er will und mit dem Herzen ersehnt als wertvoll erkenne "und danach handle". Und auch dies ist wechselseitig. Daher beginnt der Glaube auch nicht mit unserer Vorleistung, sondern indem Gott in seiner Schöpfung und durch seinen Heiligen Geist tut, was unser Herz im Grunde ersehnt und was uns wertvoll ist. Amen.