Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 8. Sonntag im Lesejahr A 2017 (Matthäus)

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26. Februar 2017 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

Das Drehbuch lässt man dem Film Lion: Der lange Weg nach Hause durchgehen. Denn erstens basiert es tatsächlich auf der Autobiographie eines Australiers, der als 5-Jähriger quer durch Indien verloren ging, nach Australien adoptiert wurde und 25 Jahre später durch die Erinnerungssplitter seiner Kindheit sein Heimatdorf und seine leibliche Mutter wieder fand. Und zweitens muss man dem Rührstück zugute halten, dass er sich für die Entwicklung seines Charakters sehr viel Zeit nimmt und es sorgfältig entwickelt. Und nicht zuletzt empfehlen sich die Schauspieler nachhaltig für den nächsten Oscar.

1.Mutter und Vater

  • Es ist uns Menschen nicht egal, woher wir kommen und wohin wir gehören. Menschen, die in einem anderen Land geboren wurden und hierher, in ein fremdes Land, adoptiert wurden, merken das oft besonders. Auch wenn sie voll Dankbarkeit gegenüber denen sind, die sie aufgenommen haben und die sie Vater und Mutter nennen, so bleibt es doch oft eine lebenslange Frage, woher sie gekommen sind und wer ursprünglich ihr Vater und ihre Mutter waren. Gerade in biographisch Krisenzeiten kann dieses Thema alles bestimmen. Vielleicht geht auch manches zu Bruch, weil Menschen mit dieser Frage nicht zurecht kommen: Woher komme ich, wohin gehöre ich, wer ist mein Vater, wer meine Mutter.
  • In den heutigen Bibeltexten kommen Vater und Mutter vor. Genauerhin: Es wird von Gott als Mutter und Vater gesprochen. "Kann denn eine Mutter ihren leiblichen Sohn vergessen?", fragt Jesaja. Natürlich nicht! Und noch viel weniger wird Gott dich je vergessen, denn du, Israel, bist Gottes Sohn!
  • Im Evangelium wird Jesus, der Gott seinen Vater nennt, aus der Bergpredigt zitiert. Er sagt seinen Jüngern: Um all das geht es Menschen aus den vielen Völkern, den Heiden, die nicht die Erfahrung gemacht haben und nicht darum wissen, dass Gott ihr himmlischer Vater ist. Um all das? Jesus meint, es macht einen Unterschied, wenn ich um meinen himmlischen Vater weiß und ihm vertraue, ihn glaube. Denn wenn selbst schon das sehnsuchtsvolle Suchen eines Menschen nach seinen wahren Wurzeln ihn so verändern kann, wie viel mehr dann jedes Finden.

2. Nicht dem Mammon dienen

  • Was macht es für mich einen Unterschied, worauf ich vertraue, letztlich vertraue? Jesus meint, dass wir uns etwas vormachen, wenn wir denken, die Frage könnte einfach unentschieden bleiben. "Niemand kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben, oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon." Das ist zugespitzt formuliert, aber sicher so gemeint.
  • Dabei ist das Wort "Mammon", ein Fremdwort aus dem griechischen Original der Bibel, vom Wortsinn erst mal ganz neutral. Es bedeutet so viel wie Vermögen, also das, was ich sinnvoller Weise ansammeln kann, um für Notzeiten gewappnet zu sein. Für manche Familie ist es schon ein großes Problem, wenn ein oder zwei Monate das Gehalt ausbleibt. Rücklagen wären da gut. Das soll ein "Herr" sein, dem zu dienen mich in Gegensatz zu Gott bringt?
  • Mir scheint, an dieser Stelle würde Jesus sagen: Gerade dann. Die Bemerkung: "Jeder Tag hat genug eigene Plage", ist sicher nicht auf die Plage der Optimierung eines Börsenportfolios gemünzt! Hier wird keine Verhaltens-Ethik für Reiche vorgetragen, sondern Evangelium, Frohe Botschaft. Jesus will einen Weg aufzeigen, wie es möglich ist, sich nicht Versklaven zu lassen, sondern frei zu sein. Freie Menschen gehören niemand anderem als Gott allein: "Euch aber muss es zuerst um sein König-Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben."

3. Gott zuerst

  • Wo Gott aus dem Leben verschwindet, tritt automatisch etwas anderes an erste Stelle. Das sei auch und besonders uns Christen in Westeuropa gesagt.
    Vor zwei Wochen waren wir mit den Erstkommunionkindern zu Gast in einer Kirche. Der dortige Pfarrer hat uns herum geführt. Den Kindern wird es nicht besonders aufgefallen sein. Aber der Glaube an Gott kam in der Führung nicht vor; dort wo etwas in der Kirche auch Gott verweist, wurde es übergangen oder umgedeutet. Besonders eklatant war das bei einem Kirchenfenster: Darin Jesus, der nach oben auf Vögel zeigt und an dessen Seite eine weiße Lilie steht. Vor ihm (im Glasbild: darunter) eine Gruppe Menschen. Eindeutig Bergpredigt. Doch der Kollege erklärt den Kindern: Das Fenster zeige Jesus, er hat Brot genommen und es verteilt - und wenn wir mit einander teilen, reicht es für alle. Vom Evangelium des Vertrauens und von der Bergpredigt kein Wort.
  • Es ist uneingeschränkt richtig, mit einander das Brot zu teilen. Aber wenn wir das an die Stelle Gottes setzen, wenn Gott nur noch als Form übrig bleibt, in der wir uns versichern, dass wir Nächstenliebe üben sollen? Dann haben wir letztlich Werke von Menschen an die Stelle Gottes gesetzt. Dann ist die Sozialversicherung auch nur eine Form des Mammon. Aber das Königreich der Himmel ist eben dies: Gottes Reich, nicht unserer Reich. Und die Gerechtigkeit ist zuerst Gottes Gerechtigkeit und nicht unsere. Und das "...dann wird euch alles andere dazugegeben." meint eben wirklich Gott, den Gebenden, und nicht Menschen.
  • Ich gebe zu: Es klingt wie ein verrücktes Wagnis. Aber es ist nicht verrückt. Es kann auf die Erfahrung verweisen, dass sich das Leben verändert, wenn es gelingt zu vertrauen. Es ist nicht verrückt, sondern die Einladung, sich auf die spannende Suche zu machen nach dem Gott, der mir wie ein gütiger Vater und eine liebende Mutter sein will. Wenn ich diesen Gott in den Himmeln finde, dann entfremdet mich das nicht meinem Leben auf Erden, nicht den Eltern und nicht der Mühe um das tägliche Brot. Aber es stellt diese vergänglichen Dinge nicht mehr an erste Stelle, sondern schaut aus nach dem je größeren Gott. Er ist ein einziger. Amen.