Predigt zu Mariä Empfängnis
Zurück zur Übersicht von: 8. Dezember: Mariae Empfängnis
29. Mai 2007 - Malteser Lourdes Krankenwallfahrt
Zum Thema der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter
Maria.
Die Predigt wurde gehalten
im Mai 2007 in Lourdes/Südfrankreich bei einer Wallfahrt mit Kranken
und Behinderten und hat das Fest der Unbefleckten Empfägnis zum Thema,
da die "Schöne Dame", die das Mädchen Bernadette 1858
in einer Vision und Audition gesehen und gehört hatte, sich unter diesem
Namen zu erkennen gegeben hat. Vier Jahre zuvor war das Dogma verkündet
worden: "Zu Ehren der Heiligen und Ungeteilten Dreifaltigkeit, zu Schmuck
und Zierde der jungfräulichen Gottesmutter, zur Erhöhung des katholischen
Glaubens und zur Mehrung der christlichen Religion, in der Autorität unseres
Herrn Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus und der Unseren
erklären, verkünden und definieren Wir: Die Lehre, dass die seligste Jungfrau
Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch ein einzigartiges Gnadenprivileg
des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Jesu Christi, des
Erretters des Menschengeschlechtes, von jedem Schaden der Erbsünde unversehrt
bewahrt wurde, ist von Gott geoffenbart und darum von allen Gläubigen fest
und beständig zu glauben." (Pius IX., Apostolisches Schreiben 'Ineffabilis
Deus', verkündet am 8. Dezember 1854)
|
1. Namen
- Namen sind informativ. Frau Bauer, Herr Fischer oder Frau Kauffmann tragen
Namen, von denen man sofort versteht, was sie besagen. Heute sind es nur Namen,
die helfen, jemanden anzusprechen und einer Familie zuzuordnen. Aber ursprünglich
haben die Namen natürlich etwas ausgesagt über den Beruf des Namensträgers:
Bauer, Fischer, Kaufmann. Ihr Name offenbart den Beruf.
- So hat auch Gott dem Mose einen Namen geoffenbart, der mehr und anderes
ist, als bloß ein Name, wie Menschen einen Namen brauchen, damit man
sie anreden kann. Der Eine Gott aber wird nicht eingereiht unter andere. Sein
Name offenbart, wer Gott für uns ist: der "Ich bin da". Der
Name macht Gott ansprechbar; er ist aber zugleich Offenbarung und Verheißung,
er offenbart die Gegenwart Gottes und verheißt seine Treue. In diesem
Namen begegnet das Volk Gottes zu allen Zeiten seinem Gott.
- "Maria" hingegen ist ein Eigenname, wie jeder von uns einen hat.
Als das Mädchen Bernadette die "Schöne Dame" nach ihrem Namen fragt,
hätte man vielleicht erwartet, dass diese sagt "Ich heiße Maria".
Hat sie aber nicht. Nicht ihr Eigenname ist wichtig für die Begegnung,
sondern, als wer sie sich offenbart. Sie hätte also sagen können:
"Ich bin die jungfräuliche Gottesmutter". So verehrt sie die Christenheit
zu allen Zeiten. Aber auch das hat sie nicht gesagt. Denn zu dieser Zeit an
diesem Ort, im Pyrenäenstädtchen Lourdes im Jahr 1858, ist es ein
anderer Name, den Maria im aquitanischen Bauerndialekt mitteilt: "Què
soy l'immaculada Councepciou" - "Ich bin die Unbefleckte Empfängnis".
Dieser Name ist die eigentliche Botschaft von Lourdes, der Schlüssel
zum Verständnis, warum Gott an diesem Ort zu dieser
Zeit dieses Mädchen Bernadette die Schau der Schönen Dame
hat machen lassen und hat ein Wasser finden lassen, das heilt und Menschen
aus vielen Ländern hierher führt.
2. Ursprungssünde
- Warum dieser Name? Warum gerade damals, in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts?
Die kleine Bernadette hatte genug Mühe, sich den Namen zu merken, den
ihr die Dame genannt hat. Niemand wird sagen, dass es uns viel anders gehe.
Mir scheint, verstehen können wir den Namen nur, wenn wir verstehen,
was er uns - und den Menschen vor 150 Jahren - zu sagen hat. Denn erst damals
hat die Kirche die alte Überlieferung von der Unbefleckten Empfängnis
als Lehre der Kirche formuliert: Dass Gott die Frau, durch die Gott Mensch
werden wollte, vom Anfang ihres Lebens an bewahrt hat vor dem Makel der Erbsünde.
Auf dass Gott Mensch würde, war Maria unbefleckt von der Erbsünde.
Alles klar?
- Versuchen wir es mal so: In alter Zeit waren zwei Gruppen Malteser-Pilgerzüge.
Um ihre Kranken vor dem Regen zu schützen, hatten sie rote Plastikschutzmäntel
gekauft. Das macht man so: Wenn man es braucht, kauft man es redlich. Nun
kam aber eines Tages einer aus der einen Gruppe auf die Idee: Viel praktischer,
als welche mühsam zu kaufen, sei es, diese einfach bei einer anderen
Gruppe einzusammeln. Niemand davor wäre auf die Idee gekommen. Jetzt
war die Idee geboren. Die Sünde war in der Welt. Und jeder Nachgeborene
war in der Versuchung, diesen Weg zu gehen. Das ist die Erbsünde. Sie
wird nicht irgendwie biologisch vererbt, sondern, einmal in der Welt, belastet
sie die Späteren, bringt sie auf dumme Gedanken und jeder muss sich entscheiden,
ob er der Versuchung nachgibt. Im Lateinischen heißt diese Sünde
daher Ursprungs-Sünde (peccatum originalis), denn die eine Sünde
ist Ursprung der Nachahmung.
- Die biblische Lehre von der Ursprungs-Sünde weiß, dass es Kraft
braucht, sich nicht verführen zu lassen von dem scheinbar leichteren
Weg der Sünde. Auf Kosten der Liebe wird der leichtere Weg gewählt
- obwohl wir eigentlich wissen, wie viel Schaden dadurch angerichtet wird.
Dennoch schaffen wir es vielfach nicht, die Liebe und Rücksichtnahme
zu leben, die wir eigentlich wollen und uns wünschen. Wir schaffen es
nicht - außer wenn wir uns selbst beschenken lassen von der Liebe. Nur
wenn wir erfahren, dass wir selbst geliebt und angenommen sind, nur wenn uns
offenbar wird, dass Gottes Liebe uns immer tragen wird, beginnen wir frei
zu sein von der Versuchung, uns Ansehen und Vorteil zu verschaffen auf Kosten
der anderen, wie es uns allgegenwärtig die Ursprungs-Sünde vorlebt.
3. Unbefleckt
- Zurück in das Jahr 1858. Das Zeitalter war noch jung, in der die Menschen
dachten, alles sei machbar. Die Revolution hatte die Vernunft von der Magd
des Menschen zu ihrer Göttin gemacht. Man hatte Eisenbahnen gebaut, die
dampfend vom Fortschritt künden. Die Medizin schickte sich an, den Menschen
restlos zu erklären. In dieser Zeit lebte Bernadette: Unbefleckt von
den großen Segnungen der Vernunft, wie sie in den Pariser Salons gepflegt
wurde. Abgeschnitten von dem Fortschrittsnetz der Eisenbahn in einem unbedeutendem
Pyrenäennest. Und von der Medizin, der damals schon alles machbar erschien,
hatte die kränkelnde Bernadette in der Wohnhöhle der Soubirous nichts
mitbekommen. Hier und diesem Mädchen offenbarte sich die Schöne
Dame als die "Unbefleckte Empfängnis".
- Das neue Zeitalter verkündete, alles machen zu können, alles heilen
zu können. Noch wusste man nicht, dass man auch zur Massenvernichtung
der Weltkriege fähig geworden war. In dieser Zeit des fortschrittsgläubigen
Machbarkeitswahns wird die alte Lehre der Bibel aktuell: Das letztlich
Entscheidende kann der Mensch nicht machen. Die Menschheit ist zu sehr
gefangen in ihren Mechanismen von Macht, Habgier und Gewalt, als dass sie
fähig wäre, die Botschaft der Liebe zu empfangen - Gott zu empfangen.
Aus eigener Kraft können wir dies nicht.
- Die Unbefleckte Empfängnis offenbart uns einen Namen Gottes: Gott,
der "Ich-bin-da" wird nicht nur Mensch, gegenwärtig unter uns.
Im Bild gesprochen: Er landet nicht nur auf Erden, er selbst baut auch die
Landebahn. Es ist Gottes Gnade, die wirksam wird in seinem Volk Israel, damit
es fähig wird, die Menschwerdung zu begreifen. Es ist Gottes Gnade, die
das Mädchen aus Israel, Maria, davor bewahrt, im Kreislauf aus Sünde
und Nachahmung verfangen zu sein. Maria wird von Gottes Liebe durchtränkt,
um das eine entscheidende "Ja" sagen zu können, durch das Gott angenommen
wird von seiner Schöpfung. Dieses "Ja" können wir Menschen durch
noch so viel Wissenschaft und Technik und Fortschritt nicht schaffen. Wir
können es nur empfangen. Jeden von uns hat Gott hineingetauft in seine
Gnade, damit wir "Ja" sagen können zu seiner Liebe. Darauf verweist das
Wasser, das aus dem Schlamm der Grotte hervorsprudelt: das Wasser, das heilt
von dem Wahn alles selbst machen zu können und zu müssen. Das Wasser,
das öffnet für Gottes Liebe. Das Wasser der Taufe. Die Unbefleckte
Empfängnis ist das Vorbild dieser Taufe, denn in ihr werden wir neu geboren.
Gottes Landebahn ist gebaut. Es spricht alles dafür, seiner Liebe grünes
Licht zu geben. Amen.