Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 7. Sonntag im Lesejahr A 2017 (1. Korintherbrief)

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19. Februar 2017 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Der Tempel Gottes

  • Korinth vor zweitausend Jahren. Die Christen feiern Gottesdienst. Einer steht auf und liest einen Brief vor. Er stammt von Paulus, der einst die Gemeinde gegründet hatte. So hören alle, wenn der Brief gelesen wird, die Stimme dieses Apostels, von der er selbst immer meinte, sie sei nicht sonderlich eindrucksvoll. Aber was Paulus zu sagen hat, ist wie immer wuchtig. Hören wir es uns an.
  • "Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid?" Das also ist etwas, das ihr wissen solltet! Was ein Tempel ist, war jedem in Korinth klar. Die gibt es in großer Zahl. In Tempeln standen Götterbilder. Man opferte den Göttern vor ihren Bildern und hoffte dafür etwas zu erhalten. Tempel sind etwas, in dem die Gottheit wohnt. Ganz so wie im Apple-Store am Jungfernstieg. Der ist bewusst wie ein Tempel gestaltet: hoch und verschwenderisch im Platz, mit Altären, auf denen das Heilige präsent ist. Wenn man an der Kasse diskret das nötige Opfer bringt, wird man der Gottheit teilhaftig. Alle anderen, denen das Geld dafür fehlt, können den Akt nur von außen betrachten und profitieren bestenfalls vom freien W-Lan.
    Tempel sind die Wohnung des Gottes. Und wenn Paulus das Wort 'Tempel' gebraucht, dann ist völlig klar: Hier geht es nicht um käufliche Götter oder heidnische Gottheiten, sondern um den einen, wahren, allmächtigen Gott, der doch in den Himmeln wohnt und nicht in einem Haus aus Steinen, von Menschen gemacht. Selbst im Tempel in Jerusalem, der zu der Zeit noch steht und fraglos Haus Gottes ist - selbst dort ist im Allerheiligsten keine Statue, sondern nur Leere und die Urkunde des Bunde, die zehn Gebote.
  • Nun also noch einmal Paulus: "Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid?" Mit "ihr" ist die ganze Gemeinde angesprochen, miteinander die Getauften, die hier zusammen sind. Ihr seid das Haus, der Raum, der Ort, an dem Gott wohnt. Wenn Menschen Gott begegnen wollen - sie kommen zu euch, in eure Versammlung. Einen anderen Tempel des wahren Gottes gibt es in dieser Stadt nicht. Habt ihr das vergessen? Wisst ihr das nicht? Ihr, niemand anderes, seid "Gottes Tempel"!

2. Die Wohnung des Heiligen Geistes

  • Offenbar konnte man das vergessen. Es gab Leute, die waren der Ansicht, der Pastor, der die Gemeinde gegründet hat, sei das wichtigste. Andere meinten, nein, der zweite, der sie ausgebaut hat, so viele neue Initiativen gesetzt hat, dem man so gerne zugehört hat, er sei es, der diese Gemeinde in Wirklichkeit gebaut hat. Und in all dem sollte immer ein wenig mitklingen, wie wichtig sich diejenigen in der Gemeinde nehmen, die so reden.
  • Paulus meint: Genau dadurch zerstört man, was aufgebaut wurde. Wer "Paulus, Apollos, Kephas" für wichtiger nimmt, der zerstört die Kirche. "Niemand soll sich eines Menschen rühmen!" Meint ihr wirklich, irgendeine Kirche oder Gemeinde könnte anders lebendig sein, als das Gott in ihr wohnt? "Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft: Alles gehört euch; ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott." Ihr seid nicht Randfiguren, Zuhörer, Zaungäste. Ihr seid der Tempel Gottes! "Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft: Alles gehört euch!" Und nicht irgendeinem Apostel, Bischof, Pastor oder sonst einer, so verdienstvoll sie sein mögen, gehört ihr; vielmehr: "Ihr gehört Christus und Christus gehört Gott."
  • An der Stelle schüttelt es nicht erst uns heute, sondern schon die Menschen damals. Denn so nah haben sich die Menschen Gott nicht vorgestellt. Die einen hatten ihre Götterbilder und machten ihre Geschäfte. Die anderen wussten: Gott ist nur einer, und er wohnt im Himmel. Ihr aber: "Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?"
    "Der Geist Gottes", der Heilige Geist, das macht den Unterschied. Das ist nicht irgendeine exklusive Kraft, die nur ein paar Halleluja-Begeisterte Charismaten und der Pfarrer Kraft seines Amtes hat, sondern, davon ist Paulus überzeugt, dieser Geist wohnt in Euch, so real, wie Gott in seinem Tempel wohnt. Der Heilige Geist in Euch macht Euch fähig, ganz im Sinn der Bergpredigt, aus der wir heute wieder das Evangelium genommen haben, so sehr auf Gott glaubend zu vertrauen, dass ihr über euch selbst hinaus wachsen könnt, lieben, wo keiner mehr Liebe für realistisch hält. Die andere Wange hinhalten und selbst die Feinde lieben, das kann nur, wer von Gottes Geist getragen ist. Dessen dürft ihr euch rühmen!

3. Den Tempel bewahren und weiter bauen

  • Paulus hatte seinen Brief geschrieben, weil damals Gefahr für die Gemeinde drohte. Die Kirche geht kaputt, sie wird zerstört, wenn in der Gemeinde Gruppen entstehen, die sich auf diesen oder jenen Apostel berufen, und dabei am Ende die Einheit zerstören. Es gibt doch nur einen Christus. Alle andere bauen mit an dem Tempel. Aber der Tempel seid ihr, miteinander.
  • Wenn ich die Gruppen in unserer Gemeinde sehe, ist so eine Konkurrenz wie damals in Korinth, nicht unser Problem. Aber vielleicht ist es doch wichtig, Paulus zuzuhören. Denn vielleicht kommt sich doch mancher "weise" vor, wenn er hier her kommt, weil er findet, dass hier etwas geboten wird, was er so anderen Ortes nicht geboten bekommt. Vielleicht sind da Eltern, die ihre Kinder hier zum Erstkommunion-Unterricht abgeben, damit 'die da von der Kirche' ihnen etwas vermitteln, was daheim sonst nicht mehr vorkommt. Vielleicht sind da Kirchgänger, die sich die Gemeinde und sogar Konfession danach aussuchen, was ihnen am ehesten etwas 'bringt'. Vielleicht sind da Gäste, die zwar getauft sind, aber doch nicht mehr sein wollen, als Gäste. Das ist alles nachvollziehbar. Aber es folgt letztlich einer "Weisheit in dieser Welt", die auf Dauer den Tempel Gottes zerstört: denn der seid Ihr selbst, ihr seid Gottes Tempel. Ihr geht nicht zu einer Serviceanstalt, wo man etwas abholen kann.
  • Paulus wirbt darum: Riskiert es, nach den Maßstäben dieser Welt als töricht zu gelten - euch zum Affen zu machen und anders zu leben. Öffnet eure Wohnung und lasst euren Küchentisch zum Ort des Heiligen Geistes werden. Geht auf andere zu, denen ihr nie begegnen würdet, wenn ihr nicht Teil der Gemeinde Gottes wäret. Lebt als ein Tempel, in dem ihr Gott erlaubt spürbar und erlebbar zu sein. Überlasst das nicht den angeblichen Profis, die Theologie studiert haben. Vielmehr: Ihr selbst seid Gottes Tempel und der Geist Gottes wohnt in euch. Amen.