Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2009 (Apostelgeschichte)

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24. Mai 2009 - Hochschulgottesdienst St. Antonius Frankfurt

1. Zwölf

  • Eine kleine Gruppe denkt absolut katholisch. "Katholisch" bedeutet fast das Gegenteil von dem, was im Deutschen üblicherweise darunter verstanden wird, als Bezeichnung von einer Konfession unter anderen. Das Wort meint aber im Gegenteil, dass immer das Ganze betroffen ist und universal gedacht wird. Die kleine Gruppe Jesusjünger nach Ostern denkt absolut katholisch.
  • Das ist die Bedeutung der Nachwahl des 12. Apostels. Denn nur Zwölf stellen das Ganze dar. Zwölf Stämme zählt Israel von seinem Ursprung her. Diese Ganzheit ist nach dem Tod des Königs Salomo fast 1.000 Jahre vor Christus verloren gegangen. Dennoch bezieht sich Jesus auf eben diese Ganzheit, wenn er die Zwölf beruft, um deutlich zu machen, dass das Königsreich Gottes kein Partikularismus ist.
  • Deswegen ist ganz klar: Es muss die Zwölf geben, die aus eigener Erfahrung bestätigen können, dass Jesus, dessen Jünger sie waren, Christus ist, der Auferstandene. Dafür sind sie Zeugen und zwar katholisch: für alle. Zwölf meint zunächst ganz Israel. Aber dort, wo sich nach Pfingsten erfüllt, dass Israel berufen ist, ein Segen für alle Völker zu sein, da verweist die Zwölf auf alle Völker.

2. Katholisch

  • Katholisch sein ist keine Frage des Gesangbuches. Katholisch im eigentlichen Sinn ist nicht schon, wer in der richtigen Kirche getauft ist. Es gibt sicher Protestanten und Orthodoxe, die katholischer sind als mancher Katholik. Ob ich, als Christ, katholisch bin, misst sich daran, ob dieses "katholisch" mein Fühlen, Denken und Handeln prägt.
  • Katholisch sein bedeutet, die Einheit der Welt in Gott zu erkennen. Für Gott ist mein Dorf nicht wichtiger oder unwichtiger als das Nachbardorf. Dennoch darf ich in meinem Dorf zu Hause sein. Aber ich werde nicht so tun, als sei es der Mittelpunkt der Welt. Katholisch sein bedeutet, die Welt als Ganze mit den liebenden Augen Gottes zu sehen, dem das Detail und jeder einzelnen wertvoll ist.
  • Für Christen ist die Einheit aller Menschen in Jesus Christus sichtbar geworden. In ihm ist Gott selbst Mensch geworden. Aber gerade deswegen ist es nicht die von Menschen gemachte, totalitäre Einheit. Christus ist ohnmächtig am Kreuz gestorben. Wir erkennen daher die Würde eines jeden Menschen vor allem in denen, die, wie er, verurteilt werden, arm sind und schwach.

3. Sichtbar

  • Dass Jesus die Zwölf beruft, macht das Ziel Gottes sichtbar. Die Zwölf sind eine Institution. Sie sollen das Ganze des Volkes Israel sichtbar machen und repräsentieren. Wenn die Berufung Israels, Volk Gottes zu sein, sich dann in der Kirche auch für die vielen Völker öffnet, dann werden die Zwölf und werden die Apostel zum sichtbaren, institutionellen Zeichen der Einheit von Gottes Volk.
  • Deswegen sind Protestantismus und orthodoxe Kirchen für mich keine Alternative. Die orthodoxen Kirchen sind als nationale Kirchen verfasst, und die sichtbare Einheit geht in dem Maße verloren, wie sie sich - wie etwa in Russland - auf diese nationale Seite beschränken. Auch der Protestantismus hat sich nach der Loslösung von Rom an politische Partikularitäten gehängt. Die Fürsten wurden zu Oberhäuptern der sichtbaren Kirche. Hinzu kommt, dass das gemeinsame Bekenntnis zersplittert wurde. Deswegen hat es durchaus einen Grund, wenn die das Konzil und die Theologie dort nicht von Kirchen, sondern von "kirchlichen Gemeinschaften" spricht, wo das Merkmal eines gemeinsamen Bekenntnisses und der sichtbaren Einheit mit einem Bischof als Nachfolger der Apostel fehlt.
  • Die Jünger wählen einen nach, damit die Zwölf wieder vollständig sind. Damit haben sie das Fundament für die eine, heilige katholische und apostolische Kirche erneuert, wie es aus der Sendung Jesu erforderlich ist. Gerade aber wenn wir als Katholische Kirche katholisch sein wollen, dürfen wir dabei nicht vergessen, dass zu dieser Kirche alle Getauften gehören und viele Nicht-Katholiken in ihrem Denken und Tun katholischer sind, als viele Katholiken, deren Denken nur um den eigenen Kirchturm kreist. Von Jesus sind wir zu allen Völkern gesandt. Das beginnt beim Nachbarn, ob katholisch, evangelisch oder ungetauft. Das öffnet uns aber auch für alle Menschen, wie fern sie uns auch scheinen mögen. Es sind Gottes geliebte Kinder. Amen.