Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 1997 (Johannes)

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11. Mai 1997 - Kolleg Sankt Georgen, Frankfurt/Main

1. Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten

  • Wenn wir die Dramaturgie des Kirchenjahres mitfeiern und ernst nehmen, dann ist der heutige Sonntag ein überaus spannungsvoller Augenblick. Hinter uns liegt das Fest der Aufnahme Jesu in den Himmel, das Himmelfahrts-Fest. Nach der Erfahrung des Karfreitags ist für die Jünger die Welt nicht zusammengebrochen. Die Verheißung Gottes hat sich erfüllt. Der Gekreuzigte ist aus dem Tod auferweckt und ist den Jüngern erschienen. Über viele Tage und Begegnungen hindurch hatte die Jüngerschar das wunderbare Erlebnis der nahezu physischen Gegenwart des Auferstandenen. Am Himmelfahrtstag aber wird der Auferstandene aus ihrer Mitte genommen.
  • Die Jünger bleiben recht ratlos zurück. Sie sind Jünger Jesu und wollen es sein. Aber mutig sind sie nicht. Sie glauben an die Bedeutung dessen, was sie gesehen und gehört haben. Aber ihnen fehlt so recht das Bewusstsein einer Sendung. Sie haben erfahren, dass die Welt nicht allein ist. Aber wie sie sich zu Ihrer konkreten Umwelt verhalten sollen, das wissen sie nicht.
  • Die Jünger zwischen Himmelfahrt und Pfingsten ähneln erstaunlich uns Christen von heute. Christus ist nicht mehr greifbar und vom Geist ist (noch?) nichts zu spüren.
    Diese Situation beleuchtet die Liturgie der Kirche mit einem Evangelium aus den Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium. Dieses Licht wird uns vielleicht noch heller strahlen, wenn wir es zuvor mit dem Dunkel heidnischer Mythen kontrastieren.

2. Darth Vader

  • Der wohl bekannteste Mythos der Gegenwart wurde vor zwanzig Jahren erstmals von den Kinoleinwänden der Welt verkündet und feiert in diesen Wochen weltweit ein grandioses Comeback.
    Wie fast alle mythischen Erzählungen der Gegenwart, so spielt auch dieser in einer fernen, phantastischen Zukunft. Der Mythos ist ein Sciences Fiction-Märchen.
    George Lukas erzählt in der Trilologie vom Krieg der Sterne ("Star Wars") den Mythos des jungen Helden Luke Skywalker, von Lukas, der auf den Himmeln geht. Die Zeiten sind düster, denn die Mächtigen knechten das Universum. Die Freiheit hat es schwer in dieser Zeit.
  • Die Geschichte erzählt uns von dem jungen Helden, der zum Ritter ausgebildet werden muss, um das Universum gegen das böse Imperium zu verteidigen. Die Personifizierung der "dunklen Seite der Macht" ist der schreckliche "Darth Vader". Nicht ohne Hintersinn wird er von seinen Untergebenen als Lord angeredet: für sie ist er der Herr. Der Böse ist immer dunkel, immer schwarz gekleidet. Hinter einer schwarzen Maske hört man sein asthmatisches Keuchen. Dieser Herr nimmt den Atem, er spendet ihn nicht.
  • Nicht ohne Hintersinn ist der Name des Bösen gewählt: Darth Vader ist leicht als Dark Father, als Dunkler Vater zu hören. Und in der Tat: Luke Skywalker, der Held, wird lernen müssen, dass der Böse niemand anderes ist als sein leiblicher Vater.
    So erklärt der zutiefst heidnische Mythos die Kraft des Bösen in der Welt: Es ist der Vater-Gott, der der Dunklen Seite der Macht verfallen ist. Wollt ihr frei sein, so lautet die Botschaft, dann reißt dem Vater die Maske vom Gesicht. Helden sind es, die den Kampf gegen das Böse führen. "Star Wars", "Krieg der Sterne" heißt das Rüstungsprogramm, mit dem das Reich des Bösen besiegt werden soll.

3. In die Welt gesandt

  • Gegen diesen heidnischen Mythos steht die Botschaft des Evangeliums.
    Gott ist Vater (und Mutter), in der Tat. Aber Gott ist nicht nur Herkunft, sondern auch Ziel. Gott ist nicht Bedrohung, sondern Leben. Er nimmt nicht den Atem, sondern spendet ihn.
    In dem Teil der Abschiedsreden, der heute gelesen wird, betet Christus zum Vater. Vom Vater ist er gekommen. Vom Vater hat er uns verkündet, uns Gottes Namen geoffenbart, uns Gottes Wort der Wahrheit gegeben.
  • Vor allem aber ist für Christus klar, dass nicht Gott die Quelle des Bösen ist, sondern die Ferne von Gott. Daher lässt sich auch nur von Gott her, vom Leben aus Gott und von dieser Botschaft her sich unterscheiden: was gut und heilsam ist, und was böse und das Leben bedrohend ist.
    Mitten durch die Welt geht der Riss. Mitten durch uns hindurch geht der Riss. Die Aufgabe des Lebens besteht nicht darin, auf einem fernen Todesstern dunkle Gottheiten zu bekämpfen. Der Kampf findet hier statt.
  • Aber auch unsere Welt ist kein Todesstern, den wir vernichten und fliehen müßten. Die Welt ist Gottes gute Schöpfung, auch wenn wir immer wieder diesen Ursprung theoretisch und praktisch verleugnen.
    "Heilige sie in der Wahrheit", betet Christus für die Kirche. Denn "wie Du mich in die Welt gesandt hast, so habe ich sie in die Welt gesandt". Amen.