Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 6. Sonntag im Lesejahr B 2012 (Markus)

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12. Februar 2012 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

Im Anschluss an die Predigt wird der Valentinssegen für Verliebte und solche, die es werden wollen, gespendet.

1. Unrein und ausgegrenzt

  • "Unrein, unrein!", mussten die Aussätzigen rufen, wenn Gesunde in ihre Nähe kamen. Noch bevor man die schrecklichen Entstellungen sieht, sollte man gewarnt werden, den Leprakranken nicht zu begegnen. Der Aussatz galt nicht einfach nur als ansteckend. Wer sich von diesen Ausgegrenzten berühren ließ, wurde selbst ausgegrenzt, nicht nur vom sozialen Leben, sondern sogar vom Gottesdienst.
  • Wir heute trennen gerne körperlich und seelisch, sozial und religiös, als hätte das nichts mit einander zu tun. Damals wurde das umgekehrt alles im Zusammenhang gesehen. Reinheit war nicht nur die äußere Reinheit der Haut, sondern zugleich auch die innere Reinheit. "Reinheit" meint dann letztlich die Fähigkeit zur Begegnung. Wer als unrein galt, war von der Begegnung mit den Mitmenschen ausgeschlossen und auch von der Begegnung mit Gott zumindest im religiösen Ritus.
  • So ganz getrennt sind die Sphären auch heute nicht. Menschen, die das Gefühl haben, dass andere sie meiden, können sich auch selbst unansehnlich vorkommen. Sie fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut. Manche kleiden sich dann sogar noch so unansehnlich, wie sie sich fühlen. Nicht selten fühlen sich solche Menschen subjektiv auch vor Gott unansehnlich; zu oft wurde ihnen von Mitmenschen signalisiert, dass nichts an ihnen so liebenswert sei, als dass sie noch glauben könnten, dass Gott sie in Liebe anblickt.
    [Andere unternehmen die teuersten Anstrengungen, um äußerlich ansehnlich zu werden. Nach einer Entstellung durch einen Unfall wäre das klar. Bei anderen aber ist es der Druck, der durch Schönheitsideal entsteht. Manche reagieren darauf mit dem Versuch, ihr Äußeres zu verändern; sie unterwerfen sich sogar umfangreichen Operationen, um dem Ideal zu entsprechen, das nach ihrer Meinung in den Augen der anderen "rein" macht, also begegnungsfähig. Es könnte sein, dass die Begegnungen, die dadurch möglich werden, so äußerlich bleiben wie die Schönheitsoperation.]

2. Wunder der Begegnung

  • Das Wunder Jesu ist keine Varieté-Attraktion. Wenn er sagt "Ich will es - werde rein!", dann geschieht etwas sehr Persönliches. Jesus sieht in dem Aussätzigen, der ihn anspricht, den Menschen. Es bewegt sein Herz; die Bibel berichtet über sein Mitleid mit dem Ausgegrenzten und über den Zorn, den Jesus überkommt, angesichts des Schicksals dieses Menschen. (Der Text wird in beiden Varianten überliefert, manche Handschriften sprechen von Mitleid, andere von Zorn). Aus dieser Bewegung des Herzens kommt sein Entschluss: "Ich will es - werde rein!"
  • Jesus will kein Wunder-Spektakel. Er will, dass dieser Mensch unter Menschen leben kann. Das wird dadurch deutlich, dass er ihn auffordert, nach damaliger Vorschrift seine Heilung am Tempel nach jüdischem Gesetz feststellen zu lassen und das rituelle Opfer darzubringen. Aus der sehr persönlichen Begegnung mit Jesus wird so eine soziale Heilung. Ein Mensch der draußen, vor der Stadt, leben musste, kann jetzt wieder unter Menschen sein. Vielleicht ist der Akt im Tempel auch deswegen wichtig, weil er dem vormals Aussätzigen hilft, sich selbst wieder anzunehmen. Innen und außen, sozial und religiös sind keine getrennten Bereiche, sondern kommen im Leben des konkreten Menschen zusammen.
  • Der Aussätzige heilt sich nicht selbst. Jesus geht auf ihn zu und berührt ihn: "Im gleichen Augenblick verschwand der Aussatz, und der Mann war rein." Genauso wenig wird es gelingen, sich durch eigene Anstrengung allein davon zu heilen, dass ich mich vor anderen Menschen ausgegrenzt und als nicht geliebt erfahre. Eigene Anstrengung sind wichtig. Aber sie stehen auch in der Gefahr Anpassung zu sein. Teure Schönheitsoperationen und Anpassung an die Erwartungen anderer heilen nicht; sie verdecken vielleicht die tiefer Krankheit der Seele.

3. Segen der Liebe

  • Das Evangelium vom Aussätzigen ist daher ein Gleichnis für die Liebe. Auch sie kann letztlich nur geschenkt werden. "Werd' du erst einmal deinen Aussatz los, dann bin ich bereit, dich zu lieben", mag zwar eine häufige Einstellung sein, aber es bleibt dennoch eine Erpressung. Alle Erfahrung sagt, dass dies nicht funktioniert. Wenn ich nur den lieben will, der sich nach meinen Vorstellungen umformen lässt, liebe ich nur mich selbst - und wahrscheinlich nicht einmal das. Liebe ist nur dort, wo ich fähig bin, einem anderen respektvolle Liebe entgegenzubringen, so wie er ist.
  • Wenn wir heute auf die Fürbitte des Heiligen Valentins um Gottes Segen für die Liebenden bitten, dann ist dies damit gemeint: Der Segen soll ausdrücken, dass Gott uns annimmt, wie wir sind. Selbst vor Aussatz wendet sich Gott nicht ab, sondern will uns seine heilende Berührung erfahren lassen. Diejenigen, die gleich anschließend den Segen spenden werden, werden dazu das weiße Gewand tragen, das an die Taufe erinnert. Denn in der Taufe hat Gott uns berufen, seinen Segen weiter zu geben: den Menschen zu sagen, dass Gott sie annimmt und liebt. Wer diesen Segen im vertrauenden Glauben empfängt, kann die Erfahrung machen, dass Segen im Herzen heilt.
  • Am Ende des Evangeliums wird berichtet, dass die Heilung des Aussätzigen in der ganzen Gegend bekannt wird - obwohl oder gerade weil Jesus das nicht wollte. Hätte er zur Schau ein Wunder gewirkt, wäre es nichts als Schau gewesen. Aber Liebe, in der Menschen einander annehmen, lässt sich so wenig verheimlichen, wie eine Stadt, die auf dem Berg liegt. Segen, der Menschen stärkt und heilt, strahlt aus. Wo Gott wirkt, wirkt es sich aus. Amen.